Sind Birkenstock-Sandalen Kunst? BGH prüft Urheberschutz

Sind Birkenstock-Sandalen mehr als nur praktische Schuhe? Der Bundesgerichtshof prüft, ob die beliebten Modelle urheberrechtlich als Kunst geschützt werden können.
Birkenstock

Die Frage, ob Birkenstock-Sandalen als Werke der angewandten Kunst urheberrechtlich geschützt werden können, sorgt für Diskussionen. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat sich jüngst mit drei Klagen des Schuhherstellers Birkenstock beschäftigt. Dabei ging es um die Frage, ob die ikonischen Sandalen eine künstlerische Gestaltungshöhe erreichen, die sie urheberrechtlich schutzwürdig macht. Denn das Unternehmen sieht sich mit Imitaten aus Asien konfrontiert, die günstiger in deutschen Discountern verkauft werden.

Kultstatus und rechtlicher Streit

Lange als funktionaler Gesundheitsschuh bekannt, haben Birkenstock-Sandalen mittlerweile Kultstatus erlangt. Doch reicht dieser Status aus, um sie als Kunstwerk zu klassifizieren? Birkenstock argumentiert, dass die Sandalen „geschützte Werke“ der angewandten Kunst darstellten und damit unter das Urheberrecht falle. Der Schutz würde es dem Unternehmen ermöglichen, die Verwertung exklusiv zu kontrollieren – ohne den formalen Eintrag in ein Designregister.

Konkret ging es vor Gericht um mutmaßliche Nachahmungen von Wettbewerbern. Diese hätten Sandalenmodelle vertrieben, die stark den Designs von Birkenstock ähnelten. In erster Instanz scheiterte das Unternehmen jedoch vor dem Oberlandesgericht (OLG) Köln. Dieses befand, dass die Sandalen nicht die notwendige künstlerische Gestaltungshöhe aufwiesen, um als Werke der angewandten Kunst zu gelten.

Die rechtlichen Hintergründe

Das Urheberrecht schützt Schöpfungen, die eine gewisse Individualität und Gestaltungshöhe aufweisen. Es wird dabei zwischen „reinen“ Kunstwerken wie der Malerei und Fotografie und Werken der angewandten Kunst unterschieden. Letztere – also beispielsweise Gebrauchsgegenstände wie Möbel oder Mode – müssen neben ihrer Funktionalität eine erkennbare künstlerische Leistung zeigen, um Schutz zu genießen.

Der Vorsitzende Richter des BGH, Thomas Koch, erklärte während der Verhandlung, dass das OLG Köln die richtigen Maßstäbe angesetzt habe. Es habe für die Beurteilung zu Recht eine hohe Gestaltungshöhe gefordert. Auch machte der BGH deutlich, dass die Darlegungslast für den urheberrechtlichen Schutz bei Birkenstock liege.

Birkenstock: Streit um den Kunstbegriff

Birkenstocks Anwalt sieht die Sache anders. Das OLG habe mit einem Kunstbegriff operiert, der über bisherige Definitionen in der Rechtsprechung von BGH und Europäischem Gerichtshof hinausgehe. Er kritisierte, dass das Gericht die Zweckfreiheit von Kunst und das Fehlen wirtschaftlicher Interessen als Maßstab angelegt habe. Es könne aber nicht sein, dass ein Gegenstand nur deshalb keine Kunst ist, weil er sich gut verkaufen solle, argumentierte der Anwalt.

Die Debatte berührt grundsätzliche Fragen darüber, wie Kunst definiert wird und welche Rolle der kommerzielle Erfolg dabei spielt. Während andere Gebrauchsgegenstände wie die „Wagenfeld-Leuchte“ oder das Sandalenmodell „Madrid“ von Birkenstock urheberrechtlich geschützt wurden, bleibt die Schutzwürdigkeit von Mode und Schuhdesigns oft umstritten. So wurden die Werkeigenschaften der Birkenstock-Modelle „Arizona“ und „Gizeh“ nicht vom Gericht akzeptiert.

Bedeutung der Entscheidung

Sollte das Gericht zugunsten von Birkenstock entscheiden, könnte dies den Urheberrechtsschutz für funktionale Produkte stärken. Eine Ablehnung hingegen könnte den Schutz von Designobjekten weiterhin stark einschränken und die Hürden für den Nachweis von künstlerischer Gestaltungshöhe hochhalten.

Für Birkenstock steht viel auf dem Spiel: Das Unternehmen, das seine Wurzeln in Linz am Rhein hat, könnte durch eine positive Entscheidung nicht nur seine ikonischen Sandalen besser schützen, sondern auch einen Präzedenzfall schaffen. Doch bis das Urteil fällt, bleibt die Frage offen: Sind Birkenstock-Sandalen tatsächlich Kunst – oder doch nur ein cleveres Design? Wann der Senat sein Urteil fällt, blieb zunächst offen.

Mit Material der dpa

(amx, Jahrgang 1989) ist seit Juli 2022 Redakteur bei der absatzwirtschaft. Er ist weder Native noch Immigrant, doch auf jeden Fall Digital. Der Wahlberliner mit einem Faible für Nischenthemen verfügt über ein breites Interessenspektrum, was sich bei ihm auch beruflich niederschlägt: So hat er bereits beim Playboy, in der Agentur C3 sowie beim Branchendienst Meedia gearbeitet.