Aus Bayer Material Science wurde Covestro, aus Volkswagen Truck & Bus wurde Traton und aus Facebook wird jetzt Meta. Rebrandings hat es immer schon gegeben: Vor zwanzig Jahren wurde aus Bertelsmann Industrie Arvato und vor über dreißig Jahren machte RWE aus Texaco die Marke DEA. Manchmal sind es komplette Substitutionen des alten Namens wie bei Covestro, oft partielle Neubenennungen wie bei Facebook, wo nur der Konzern in Meta umbenannt wird und die Marke Facebook erhalten bleibt, ähnlich wie bei Google und Alphabet. Zuweilen bilden Rebrandings auch nur scheinbar „kosmetische“ Modifikationen der alten Marken, wenn zum Beispiel aus Ernst & Young EY wird und die Marke Weight Watchers zu WW mutiert.
Ein guter Markenname ist eine Investition in die Ewigkeit. Im Gegensatz zu einem Patent kann man den Markenschutz alle zehn Jahre beliebig oft verlängern und damit ein immerwährendes Monopol auf einen Namen oder ein Zeichen in den geschützten Geschäftsfeldern ausüben.
Vernichtung von Markenkapital
Der Wechsel des eigenen Markennamens bedeutet bei einer kompletten Substitution immer auch die Vernichtung von Markenkapital in Form des immateriellen Vermögenswertes. Das gilt übrigens bereits für die Modifikation eines Namens. Trotzdem gibt es Situationen, in denen der Vorteil eines Renamings überwiegt. Gemeint sind weniger die diplomatischen Kompromisslösungen bei Fusionen, bei denen keiner der Beteiligten als der „Übernommene“ erscheinen möchte und deshalb, wie bei Aventis oder Stellantis, ein neuer Name gefragt ist.
Vielmehr gibt es – wie Facebook zeigt – auch ohne Mergers & Acquisitions Anlässe, den aktuellen Markennamen partiell oder komplett zu überdenken. Bei Facebook ist es zum einen die Enge der Markenaussage des Namens („Gesichtsbuch“), die auf bestimmte unternehmerische Aktivitäten nicht mehr passt, zum anderen mögen Imageprobleme, die die Facebook-Politik erzeugt hat, dazu beigetragen haben, sich für einen neuen Namen zu entscheiden.
Ja zu Jysk
Ein weiteres aktuelles Beispiel: Das Dänische Bettenlager heißt jetzt Jysk. Eine nachvollziehbare und sinnvolle Entscheidung, wobei der Name nur für Deutschland und Österreich neu ist. In Skandinavien hieß das Unternehmen immer schon Jysk – was so viel wie „jütländisch“ bedeutet und in Dänemark für ehrlich, gründlich und bodenständig steht. Der alte Name transportierte viele Nachteile: Das Sortiment umfasst weit mehr als Betten, die Geschäfte sind keine „Lager“ und jeder, der Betten aus Dänemark vertreibt oder lagert, dürfte sich aus markenrechtlicher Sicht auch so nennen.
Weniger klug war vor einigen Jahren die durch die Übernahme inspirierte Umwandlung der Fluggesellschaft Condor in Thomas Cook, was so schlecht bei der Zielgruppe ankam, dass man kurze Zeit später – und weit vor der Insolvenz der Muttergesellschaft – wieder zu Condor zurückkehrte.
Während man den Fall Jysk mit seinem bewusst skandinavischen Impact als eine Art „Back to the roots“-Strategie bezeichnen könnte, kann es auch Gründe geben, sich bewusst weit von den Wurzeln zu entfernen. Das war nicht nur aus gesetzlichen, sondern vor allem aus Imagegründen bei einer Reihe ehemaliger Landesbanken der Fall. So wurde aus der West LB die Portigon und aus der HSH Nordbank die Hamburg Commercial Bank.
Neue Namen für alte Produkte?
Umbenennungen gibt es aber bekanntlich nicht nur bei Corporate Brands, sondern auch bei vielen Produktmarken. Die meisten über 40-Jährigen erinnern sich noch an die Kampagne „Aus Raider wird jetzt Twix – sonst ändert sich nix“.
Derartige oft internationalen Harmonisierungen geschuldete Umbenennungen erzeugen manchmal mehr Probleme als Lösungen. Ein prominentes Beispiel dafür ist das Geschirrspülmittel Fairy von Procter & Gamble (P&G): In den Neunzigerjahren mit hohem Werbedruck (wir erinnern uns an „Villariba und Villabajo“) eingeführt, avancierte Fairy Ultra bald zum Marktführer. Bis im Jahr 2000 ein neuer internationaler Marketingleiter der Meinung war, das Produkt solle auch in Deutschland den Namen tragen, den es seit Jahren in den USA trug – nämlich Dawn. Daraufhin sackte der Markenanteil dermaßen in den Keller, dass P&G 2003 wieder den Namen Fairy relaunchte. Vorübergehend hieß es auf dem Etikett noch groß Fairy und klein „by Dawn“, aber auch auf diesen Zusatz wurde bald verzichtet.
Vorsicht: Immaterielle Vermögenswerte in Gefahr
Beim Austausch eines Markennamens sollte man zudem die Rechnungslegung beachten. Zwar lassen sich selbst geschaffene Markenwerte nicht aktivieren, aber akquirierte – oder durch geschickte „Sale & Lease Back“-Modelle entsprechend bewertete – Marken haben als Teil der Bilanz einen Einfluss auf den Unternehmenswert. Und es ist schon mehr als einmal vorgekommen, dass die Synchronisation zwischen Controlling, Marketing und Rechtsabteilung beim Umgang mit Marken versagt hat und durch die unkoordinierte Abschaffung von Marken der Unternehmenswert leiden musste.
Weitere, nicht zu unterschätzende wirtschaftliche Gefahren liegen in Markenrechtskonflikten, die ein neuer Name auslösen kann. Das hat nichts mit Strategie zu tun, sondern mit Sorgfalt und professionellen Recherchen, um Konflikte mit älteren Markenrechten zu vermeiden. Es sei denn, die Strategie heißt „Markendominanz“ verbunden mit einer extrem großen Kriegskasse, nach dem Motto: Wir setzen den Namen durch, „koste es, was es wolle“. Dieser Strategie scheint Facebook-Gründer Mark Zuckerberg zu folgen; denn natürlich gibt es schon Hunderte Marken, die auch Meta heißen, und ähnlich viele, die sich auch des Unendlichkeitszeichens im Logo bedienen.
Sieben Gründe für einen Namenswechsel
Folgende Gründe könnten Anlass geben, über einen Relaunch mit einem neuen Namen nachzudenken:
- Fusion/Merger
- Demerge/Outsourcing
- Eintritt in neue Märkte mit anderer Sprachkultur
- Änderung des Geschäftsfeldes und des Markeninhaltes
- Kopplung des Namens an eine bestimmte Technik, die als überholt gilt
- Irreparabler Imageschaden verbunden mit dem Markennamen
- Grundsätzliche strategische Neuausrichtung
Nur ganz selten gibt es äußere, vom Markeninhaber nicht beeinflussbare Ereignisse, die einen neuen Markennamen sinnvoll erscheinen lassen. Zu spät erkannten das in den 80er-Jahren die Macher der amerikanischen Diätschokolade namens Ayds und gingen aufgrund des Namensgleichklangs mit der Krankheit Aids tatsächlich in Konkurs.
Vorsichtig sollten Marketer sein, wenn es darum geht, sehr zeitgeistigen, kurzfristigen Trends zu folgen. Auf der einen Seite kann es Sinn machen, Vokabeln in Markennamen zu überdenken, wenn diese aufgrund der allgemeinen Sprachentwicklung als überholt gelten, etwa Begriffe wie „Anstalt“ oder „Fernmelder“ – auf der anderen Seite können Retroaspekte auch zum festen Bestandteil des Markenkerns werden. Ein Paradebeispiel dafür ist der Erfolg der Marke Jägermeister.
Schnelles und größeres Wachstum als geplant kann ebenfalls ein Grund für eine Umbenennung sein. Start-ups denken oftmals nicht als Erstes an Internationalisierung. So auch das Portal „Kauf Da“, das regional relevante Prospekte und Sonderangebote des stationären Handels digital zum Kunden bringt. In Frankreich lässt sich aber mit „Kauf Da“ kein Blumentopf gewinnen, deshalb heißt die Marke dort und in anderen Ländern nun Bonial. Ähnliches gilt für Fressnapf. Die Tierfutter- und Zubehörmarke firmiert im nicht deutschsprachigen Raum unter Maxi Zoo.
Political Correctness & Wokeness als Treiber
Imageschäden besonderer Art können auch der Political Correctness geschuldet sein – ein äußerst sensibles Thema, für das es keine pauschalen Empfehlungen gibt. Wenn aus Gründen der Wokeness aus Uncle Ben‘s Reis Ben’s Original wird und aus Bahlsen Afrika jetzt Bahlsen Perpetum Kekse werden, kann das eine strategische, auf Respekt begründete Marketingentscheidung sein. Uncle Ben kann man nicht wehtun, war er doch nie eine reale Person.
Anders sieht das aus, wenn von einer Namenskritik eine Gründerpersönlichkeit betroffen ist: Beispielsweise tragen mehr als 50.000 Menschen in Deutschland den Nachnamen „Mohr“. Einige bezeichnen damit regionale Marken für Cafés, Hotels, Apotheken oder Gärtnereien, die in letzter Zeit vermehrt auf Anfeindungen treffen. Obwohl es sehr gute Argumente dafür gibt, dass der Name weder historisch noch sprachwissenschaftlich diskriminiert, helfen öffentliche Gegenpositionen nicht immer weiter. Hier ist im Einzelfall zu prüfen, wer konkret sich von dem Namen unangenehm berührt fühlt und ob man mit diesen Personen in einen Dialog treten kann. Erst wenn sich gar keine Einigung erzielen lässt und der Geschäftsbetrieb nachhaltig gestört wird, ist eine Namensänderung die Ultima Ratio.
Lieber nicht leichtfertig wechseln
Ohne faktische Gründe einfach nur moderner erscheinen zu wollen und deshalb einen eingeführten, breit akzeptierten Markennamen zugunsten einer Neuschöpfung aufzugeben, ist riskant. Ein gutes Beispiel für derart grandioses Scheitern war die Umwandlung der altehrwürdigen britischen Royal Mail in Consignia vor zwanzig Jahren, die aufgrund immenser Proteste aus allen Ecken des Landes schnell rückgängig gemacht werden musste.
Die Grundsatzfrage, die es abzuwägen gilt, lautet: Was leistet ein neuer Name im Vergleich zum alten, und was muss man investieren, um die gewünschte (Neu-)Positionierung am Markt zu erreichen? Dabei sollte das Neugeschäft mit neuen Zielgruppen die Hauptrolle spielen; denn bestehende Kunden akzeptieren einen gut argumentierten Namenswechsel in der Regel leichter – insbesondere wenn sie mit den Produkten, Services und Ansprechpartnern zufrieden sind.
Leichtfertig den Namen zu wechseln, ist fahrlässig. Ein Re-naming kann die Folge einer strategischen Repositionierung sein (wie beim Wechsel von Philip Morris zu Altria), wenn dieses Instrument aber nur als Markenkosmetik benutzt wird, geht es häufig schief.
Ein neuer Name allein macht noch keinen Sommer
Der letztendliche Eignungsmaßstab für einen neuen Markennamen bleiben dessen Authentizität und Glaubwürdigkeit. Beides kann nicht allein aus dem Namen heraus geleistet werden. Es reicht nicht, den Namen und das Logo zu ändern: Die gesamte Markensprache sollte darauf abgestimmt sein.
Jysk macht das recht vorbildlich – beginnend mit dem neuen Claim „Scandinavian Sleeping & Living“, entsprechenden Produktnamen und glaubwürdigem Storytelling. Denn wie sagte schon Otto Waalkes: „Dänen lügen nicht.“
Der Artikel erschien zuerst in der Dezember-Printausgabe der absatzwirtschaft.