Herr Rahnavard, warum braucht es einen Code of Conduct für Programmatic Advertising?
SIAMAC RAHNAVARD: Im Grunde spricht jeder über etwas anderes, wenn er von Programmatic Advertising redet. Das hat mit der sukzessiven Entwicklung in Deutschland zu tun. 2009 haben wir damit angefangen und jeder sah es zunächst nur als einen Trend. Dann sind Jahr für Jahr neue Marktteilnehmer hinzugekommen und jeder hat Programmatic für sich anders definiert. Das gilt für Reichweitendefinitionen ebenso, wie für die konkreten Mechaniken des automatischen Handels aber auch für Formate und Metriken. Das hat zu Unsicherheiten im Markt geführt. Um diese Unsicherheiten zu beseitigen und damit der Markt vor allem effizient weiter wachsen kann, braucht es Regeln.
Wer hat den Code mitentwickelt?
Wir konnten alle beteiligten Wertschöpfungsbereiche an einen Tisch holen, also Demand-Side, Supply-Side und Technologie. Das muss auch sein, da wir ein durchgängiges System benötigen. Der Advertiser muss wissen, dass das, was ihm der Publisher anbietet auch tatsächlich bei ihm respektive seinen Werbekunden ankommt. In der Praxis ist das auch weniger ein deutsches Problem, als vielmehr ein internationales. Da gibt es Hunderte verschiedener Player und man kann dieser Komplexität nicht mehr Herr werden, in dem man alles ausprobiert.
Werden Sie mal etwas konkreter, welche Art von Problemen treten heute auf?
Ganz simpel: Der Advertiser bucht Inventar im sichtbaren Bereich und der Publisher oder Vermarkter hat dafür eine andere Definition oder die Platzierung erfolgt nicht schnell genug.
Gilt das auch für Targetingparameter und Zielgruppendefinitionen?
Ja. Und hier muss man an der einen oder anderen Stelle auch von Missbrauch sprechen. Da werden Zielgruppen beigemischt, die gar nicht zur Buchung gehören sollten, damit die formal angebotene Reichweite erreicht wird. Tatsächlich bringt dieser Teil der Reichweite dann natürlich nichts. Häufig steckt da gar keine böse Absicht dahinter sondern die Beteiligten Mitarbeiter machen einfach Fehler. Außerdem gibt es viele Angebote, die als programmatisch angeboten und dann doch von Hand gemacht werden. Das geht bis zu einfachen Retargetingkampagnen.
Welche Rolle spielt das Thema Fraud beim Ruf nach einem Code of Conduct?
Eine erhebliche. Fraud-Traffic ist überall vorhanden. Es gibt praktisch keinen Kanal, wo sich das verhindern lässt. Aber Programmatic ist wie keine andere Technik in der Lage, diesen zu erkennen. Das ist ein Qualitätsmerkmal und wenn wir das stärker kommunizieren, hilft das den Marktteilnehmern.
Der Kern des Code of Conduct ist also vor allem das Definieren von Standards?
Ja. Eigentlich ist die Grundlage dafür auch schon gelegt in einem Glossar, dass der BVDW 2014 veröffentlicht hat. Nun kombinieren wir das mit einem Gütesiegel und Sanktionsmechanismen. Tatsächlich definieren wir damit Mindeststandards, etwa 50:1 als Viewability-Definition. Sollten die Marktteilnehmer darüber hinausgehen wollen und zum Beispiel 50:2 zur Basis eines Geschäfts zu machen, bleibt das denen natürlich überlassen. Da wollen wir auf keinen Fall eingreifen.
Hand aufs Herz, für wie stark halten Sie die Sanktionsmechanismen. Die gehen ja bis zum temporären Ausschluss von Teilnehmern. Das ist doch ein sehr scharfes Schwert, das der BVDW bisher so nicht angewendet hat und vermutlich auch nicht anwenden wird.
Sie haben Recht, da müsste viel passieren. Und wir wollen das ja auch vor allem als Kommunikationsgrundlage verstehen. Aber ich sehe schon einen großen Hebel, vor allem in der Öffentlichkeit, die entsteht, wenn ein Verstoß gegen den Code of Conduct publik wird. Aus unserer Sicht als Agentur wäre das schon ein Fall, der unbedingt zu vermeiden ist. Das spricht sich ja dann im Markt rum.
Glauben Sie, dass neben den 500 Euro Teilnahmegebühr weitere Prozesskosten bei den jeweiligen Anbietern entstehen, um den Code of Conduct zu erfüllen?
Nein, ich glaube, da entstehen keine zusätzlichen Kosten. Vielleicht müssen einige Teilnehmer ihre Definitionen der einzelnen Begriffe und Metriken anpassen, aber das sorgt auch auf deren Seite für Transparenz. Und ich gehe stark davon aus, dass sich die Teilnahme am Code of Conduct ziemlich schnell amortisiert, denn es ist nichts anderes als ein Qualitätsnachweis und der lässt sich einpreisen. Außerdem bildet er natürlich auch eine Rechtsgrundlage für einen – hoffentlich seltenen – Streitfall.