Von Hannes Breustedt, dpa
Diesen Prozess hätte sich die Deutsche Telekom gerne erspart: Ab diesem Montag wird in Manhattan vor Gericht verhandelt, ob die US-Tochter des Bonner Konzerns mit dem Rivalen Sprint fusionieren darf. Es steht ein Milliarden-Deal auf dem Spiel, der nicht nur für die Telekom enorme Bedeutung hat. Das Verfahren ist richtungsweisend für die Zukunft des US-Mobilfunkmarkts und könnte künftig ganz neue rechtliche Risiken bei Übernahmen und Fusionen in der weltgrößten Volkswirtschaft schaffen. Der Prozess wird in den USA mit großer Spannung erwartet, auch Telekom-Boss Tim Höttges und T-Mobile-Chef John Legere dürften als wichtige Zeugen aussagen.
Seit Jahren schon versucht die Telekom, ihre Tochter T-Mobile US mit Sprint zusammenzubringen, doch der kartellrechtliche Widerstand in den USA ist groß. Im dritten Anlauf schien die über 26 Milliarden Dollar schwere Fusion endlich zu klappen, doch dann grätschten einige US-Bundesstaaten dazwischen. Angeführt wird das Bündnis von New Yorks mächtiger Generalstaatsanwältin Letitia „Tish“ James und ihrem Pendant Xavier Becerra aus Kalifornien. Zudem klagen Connecticut, Maryland, Michigan, Virginia, Wisconsin, Hawaii, Massachusetts, Illinois, Oregon, Minnesota, Pennsylvania und Washington DC.
14 Bundesstaaten klagen gegen den Deal
Die Bundesstaaten fürchten, dass der Zusammenschluss der dritt- und viertgrößten Anbieter im US-Telefonmarkt den Wettbewerb stark einschränkt, was weniger Auswahl und Preiserhöhungen nach sich ziehen würde. Dass das Justizministerium in Washington bereits unter Auflagen grünes Licht für die Hochzeit der Mobilfunker gab und auch die Branchenaufsicht FCC zustimmte, beeindruckte die Allianz der Kläger wenig. „Die Mega-Fusion bleibt ein schlechter Deal für Verbraucher und Beschäftigte“, verkündete Staatsanwältin James.
Die Telekom hält die Befürchtungen für unbegründet und verweist auf die weitreichenden Zugeständnisse, die gegenüber den Kartellwächtern vom Justizministerium bereits gemacht werden mussten. Hier sah der Kompromiss vom Juli neben einem starkem Engagement beim 5G-Netzausbau den Verkauf umfassender Geschäftsteile und Funkfrequenzen an den Satelliten-TV-Betreiber Dish vor. So soll verhindert werden, dass der Wettbewerb leidet. Die Gegner der Fusion glauben jedoch nicht, dass dies gelingt. Dish-Chef Charlie Ergen muss deshalb als Schlüsselzeuge im Prozess erklären, wie seine Firma quasi aus dem Stand zur neuen vierten Kraft im US-Mobilfunkmarkt werden soll.
Erster Versuch der Fusion 2014 gescheitert
Für die Telekom könnte der Showdown in New York das letzte Kapitel einer Geschichte werden, die die Bonner schon seit Jahren auf Trab hält. Bereits 2014 wollten T-Mobile und Sprint fusionieren, was schon damals an kartellrechtlichen Bedenken scheiterte. Bei einem weiteren Anlauf konnten sich die Telekom und der Sprint-Mehrheitseigner Softbank nicht auf Preis und Besitzverhältnisse einigen. Der aktuelle Plan steht seit 2018, die Konzerne setzten nach dem Machtwechsel in Washington große Hoffnung in US-Präsident Donald Trump. Dessen Regierung stimmte auch zu, doch die Bundesstaaten stellen sich quer.
Dadurch ist der Fall auch politisch hochbrisant. Dass sich regionale Staatsanwaltschaften gegen kartellrechtliche Entscheidungen auf Bundesebene wenden, ist ausgesprochen ungewöhnlich. In diesem Fall gerät die Telekom nicht nur zwischen die Fronten von Washington auf der einen Seite und den mit der Trump-Regierung über Kreuz liegenden Küstenstaaten New York und Kalifornien, sondern auch zwischen die verhärteten Parteilinien. Alle klagenden Staatsanwälte gehören den Demokraten an – eine von der republikanischen Regierung erlaubte Fusion zu durchkreuzen, würde einen Sieg bei einer großen Machtprobe bedeuten.
Verizon und AT&T erwarten Urteil mit Spannung
Sollte es den Bundesstaaten gelingen, den Zusammenschluss zu blockieren, hätte dies auch weitreichende Auswirkungen hinsichtlich des US-Kartellrechts insgesamt. Unternehmen müssten dann fortan einen ganz neuen Risikofaktor bei Fusionen und Übernahmen einkalkulieren. Ein Urteil gegen den Zusammenschluss wäre ein großer Erfolg für Verizon und AT&T, die den US-Markt bislang als Platzhirsche dominieren. Für T-Mobile US wäre ein Scheitern nach den jahrelangen Bemühungen zwar bitter, doch bedrohlich wäre es laut Analysten nur für den kleineren Fusionspartner Sprint. Das Unternehmen ist hochverschuldet und könnte für das japanische Softbank-Konglomerat nach Flops bei WeWork und Uber zu einem weiteren großen Problemfall werden.
Die geplante Fusion hat enorme Dimensionen. Laut früheren Angaben von T-Mobile und Sprint ergäbe sich bei gemeinsamen rund 127 Millionen Kunden ein kombinierter Jahresumsatz von mehr als 70 Milliarden Dollar. T-Mobile hatte zuletzt einen Börsenwert von 67 Milliarden Dollar, Sprint brachte es auf knapp 23 Milliarden. Die Telekom kalkuliert wegen geringerer Kosten etwa beim Netzausbau mit Einsparungen von mehr als sechs Milliarden Dollar jährlich. Der Zusammenschluss soll über einen Aktientausch ablaufen, die Telekom will mit 42 Prozent den größten Anteil am fusionierten Unternehmen übernehmen. Das Aktienpaket, das Sprint-Aktionäre im Tausch für ihre Anteile bekommen sollen, war bei Ankündigung der Fusion gut 26 Milliarden Dollar wert.
Der Prozess bei Richter Victor Marrero ist auf zwei Wochen angesetzt, doch angesichts der Masse an Zeugen und Beweismaterial käme eine Verlängerung wenig überraschend. Sein Urteil dürfte Marrero nach Ende der Gerichtsverhandlungen erst mit einiger Verzögerung fällen.