Vor einigen Wochen sorgte eine von Münchens Zweiter Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Grüne) initiierte Kampagne in der Stadt für Aufmerksamkeit. Zu sehen war unter anderem ein Dalmatiner, der in der Körpermitte einige Punkte verloren hatte, die vor seinen Füßen lagen. Darunter der Hashtag #sexismisntsexy – Sexismus ist nicht sexy. Gedacht war die Kampagne als Gegenpol zu einer zuvor geschalteten Werbung des Streaminganbieters Joyn, der mit Sprüchen wie „Was Altes? Was Junges? Was Neues!“ für eine neue Datingshow warb und dafür viel Kritik einstecken musste.
Unabhängig davon, ob diese Werbung nun ihren Zweck erfüllt oder nicht, stellt sich die Frage, ob an der häufig bemühten Aussage „Sex sells“ wirklich etwas dran ist. Eine Vielzahl wissenschaftlicher Studien hat sich mit diesem Thema auseinandergesetzt und widersprüchliche Ergebnisse produziert. Um daraus trotzdem allgemeingültige Aussagen abzuleiten, setzen Forscher Metaanalysen ein, die mehrere Studien zusammenfassen. Genau solch eine Metaanalyse haben die Forscher um John G. Wirtz von der University of Illinois vor wenigen Jahren im „International Journal of Advertising“ vorgelegt. Sie fasst die Daten von 78 Studien mit insgesamt rund 18.000 Teilnehmer*innen zusammen.
Die Ergebnisse sprechen nicht gerade für Sex sells: Erotische Werbung hat zwar einen statistisch signifikanten Einfluss auf Werberecall und -recognition, allerdings mit einer nur sehr kleinen Effektstärke. Im Gegensatz hierzu haben erotische Werbungen weder einen Effekt auf Markenrecall und -recognition noch auf die Einstellung zur Werbung oder die Kaufabsicht. Ganz im Gegenteil, erotische Werbung hat einen statistisch signifikant negativen Effekt auf die Einstellung zur Marke. Wenn dann noch Produkte beworben werden, die ganz offensichtlich nicht zur erotischen Darstellung passen, wie USB-Sticks oder Werkzeuge, schlägt dieser negative Effekt sogar auf die Kaufabsicht durch.
Ganz wirkungslos ist erotische Werbung dann aber doch nicht: Männer reagieren – wenig überraschend – deutlich positiver auf entsprechende Werbung als Frauen. Wenn es also ausschließlich um diese Zielgruppe geht, ist erotische Werbung ein adäquater Ansatz. Gleichzeitig funktioniert sie unabhängig vom Geschlecht, um Aufmerksamkeit für ein Produkt zu generieren. Das gilt aber nur dann, wenn die Konsument*innen eine entsprechende Darstellung erwarten, etwa bei Parfüm.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Sex sells ein Mythos ist, der sich bei vielen Marketern hartnäckig hält. Tatsächlich lenken erotische Darstellungen von der eigentlichen Werbebotschaft ab – ein Phänomen, das treffenderweise auch als Vampir-Effekt bezeichnet wird. Mit der zunehmenden Relevanz von Diversity im gesellschaftlichen Miteinander dürften erotische Darstellungen zunehmend polarisieren und dabei auch viele Männer verschrecken.
Marko Sarstedt ist Leiter des Instituts für Marketing an der Munich School of Management der Ludwig-Maximilians-Universität München. Der Fokus seiner Forschung liegt auf dem Verhalten von Konsument*innen. Außerdem sitzt er im Vorstand Wissenschaft/Innovation im DMV und ist Mitglied im MC Potsdam.