Die Fußball-WM 2010 in Südafrika fesselte Millionen von Zuschauern an den Bildschirm. Allerdings übten sich einige Branchen in puncto Werbung in Zurückhaltung: Die Werbeplätze bei ARD, ZDF und RTL waren nicht ausgebucht. Einige mieden bewusst den WM-Rummel, um nicht mit ihrer Werbung im Trubel unterzugehen. Die Aussichten für das zweite Halbjahr mit Blick auf das vergangene Jahr sehen nicht viel rosiger aus. Das Jahr 2009 war durch dramatische Einbrüche im Werbemarkt gekennzeichnet. Die Folge: Die TV-Nettowerbeerlöse schrumpfen, schreiben die Forscher der Landesmedienanstalten im ALM-Jahrbuch auf Grundlage von Zahlen des Zentralverbandes der deutschen Werbewirtschaft, sowie von Nielsen und Goldmedia.
Während die Bruttoinvestitionen für klassische TV-Werbung um drei Prozent stiegen, brachen die Nettowerbeumsätze – also die Erlöse aus Werbung nach Abzug von Rabatten, welche die Programmveranstalter ihren Kunden gewähren, Skonti, Boni und Provisionen für Werbevermittler und Vermarkter – um knapp zehn Prozent ein und reduzierten sich um 396 Millionen auf 3,6 Milliarden Euro. Letztlich steigen also die Rabatte, die gerade kleinere Sender gewähren müssen, immer weiter an, so dass real immer weniger Geld bei den Sendern in die Kassen fließt. Lag im Jahr 2002 in Deutschland der Netto-TV-Werbemarkt noch bei 55 Prozent des Niveaus des Brutto-TV-Werbemarktes, so waren es 2009 nur noch 38,3 Prozent. Im Hinblick auf die Programmtrends dominieren in der Primetime bei den großen Sendern fiktionale Unterhaltungsformate. Neben der Formel 1 und Boxen werden Event-Shows wie „Das Supertalent“ und „Deutschland sucht den Superstar (DSDS)“ wieder Zielgruppenmagnete bei RTL sein, ebenso neue Folgen von „Bauer sucht Frau“ und „Rach – der Restauranttester“. Das gemeinsame Erleben von Events sei den TV-Zuschauern weiterhin wichtig, weil es Gesprächsstoff biete – auch im Internet in Communitys, Blogs und auf Fan-Sites, sagt Florian Ruckert, Geschäftsleiter Interactive bei IP Deutschland. Grund genug für den Schwestersender Vox, die Showbühne mit „X Factor“ ebenfalls zu betreten. Im Unterschied zu den gängigen Castingformaten dürfen sich Solosänger und Gruppen bewerben, die zudem auch älter als 30 Jahre sind. Im Kern aber bleibt der Sender seiner Programmstruktur aus Eigenproduktionen, Serien und Spielfilmen treu.
Mit dem Format„Deutschlands Meisterkoch“ hat SAT.1 ein sehr erfolgreiches Showkonzept etabliert, ab Herbst 2010 folgt „Wer ist der beste Hobbykoch Deutschlands?“ Ebenfalls neu sind die unterhaltende Medizin-Sendung „Diagnose Hoffnung“ und die sechsteilige Dokutainment-Reihe „Forever Young – Der Rentnerchor“. Dabei macht sich ein Musiker auf die Suche nach musikalischen Rentnern, die ihren Lebensabend nicht bei Volksmusik und Tanztee verbringen wollen. Die ProSieben-Programmredaktion nennt „Kreutzer kommt“ als neues Highlight. Der Kult-Darsteller Christoph Maria Herbst – bekannt aus der Serie „Stromberg“ – spielt in der Serie einen Kommissar, der jeden Fall in maximal vier Stunden, 37 Minuten und 48 Sekunden löst. Neue Shows gibt es nicht, stattdessen wird „Schlag den Star“ fortgesetzt. Im Frühjahr 2009 traten Handballer Stefan Kretzschmar und Fußballer Stefan Effenberg zum Mehrkampf gegen einen Zuschauerkandidaten an. In der neuen TV-Saison werden sich neue Prominente der Herausforderung stellen. Fortgesetzt wird auch der US-Serien-Hit „Vampire Diaries“, der einen Marktanteil von bis zu 16,9 Prozent erreicht.
Eine bunte Auswahl an US-Serien in deutscher Ausstrahlung zeichnet die TV-Marke Kabel eins weiterhin aus. Jüngster Sender in der ProSiebenSat.1-Gruppe ist „Sixx“. Kern-Zielgruppe sind Zuschauerinnen zwischen 20 und 39 Jahren, die sowohl modische Trendsetterin, beste Freundin, Familienmensch als auch engagierte Kollegin sind. Passend dazu wurde das Programm gestrickt. So dürfen sich die Frauen auf die bekannte US-Serie „Damages“ mit Glenn Close und die Königin des Talks „Oprah Winfrey“ freuen. Die technische Reichweite liegt bei 43 Prozent. In der neuen TV-Saison bleibt die Darstellung einer klaren Positionierung eine wichtige Kernaufgabe der Unternehmen im TV-Markt. Gerade die großen Sender- und Formatmarken werden an Bedeutung gewinnen. Ihre Aufgabe ist es, eine klare Orientierung im zunehmend fragmentierten Medienangebot zu bieten. „Es wird immer stärker darum gehen, nicht mehr nur den ursprünglichen, traditionellen Bereich einer Sendermarke abzudecken, sondern dem Nutzer die Sendermarke auf allen möglichen Distributionswegen anzubieten und darüber hinaus die Möglichkeiten des direkten Dialogs zu schaffen“, meint Andreas Bahr, Sprecher der Geschäftsführung bei der Agentur Mediaplus. Ferner würden auch immer mehr Werbekunden begreifen, dass TV durch Online nicht substituiert wird, sondern das Fernsehen die Basis bleibt. „Sie erkennen, dass die Effektivität von Kampagnen durch den gezielten Einsatz von Online-Werbung noch gesteigert werden kann“, betont Ruckert und hält auch an der Funktion von TV als Treiber in der Massenkommunikation fest.
Eine konkrete Prognose zum Werbeverhalten der Kunden im zweiten Halbjahr mag kaum ein Branchenkenner treffen. Nur so viel: Jan Kühl, Geschäftsführer beim RTL II-Vermarkter EL Cartel Media, geht für die kommende Saison von einer deutlichen Erholung des Marktes aus. „Beim Handelsmarketing geht es weg von reiner Abverkaufswerbung, hin zu einer Kombination aus Produkt- und Markenwelten – gerade auch bei den Discountern, die sich im Markt profilieren müssen.“ Im vergangenen Jahr gab es in der Branche ähnliche optimistische Prognosen.
Das interaktive Fernsehen ist in der Bevölkerung in der Breite noch nicht präsent. 2009 legten sich die Deutschen laut Marktforschungsinstitut GfK nur 550000 solcher Geräte zu. Die hybriden Fernseher besitzen zusätzlich zur klassischen Antennenbuchse einen Anschluss für den Zugang zum Heimnetzwerk. Andere Flachbildschirme können nachgerüstet werden, damit die Nutzer Filme direkt auf dem Fernseher sehen können. Künftig sollen Webseiten dank des einheitlichen Standards Hybrid Broadcast Broadband TV (HbbTV) fernsehtauglich sein. Voraussetzung dafür ist der Kauf eines Hybrid-Endgeräts oder einer hybriden Set-Top-Box. Diesen Schritt scheuen jedoch noch viele TV-Zuschauer. „Das ‚klassische‘ Fernsehen bleibt auf absehbare Zeit das Leitmedium“, bekräftigt ZDF-Manager Hans-Joachim Strauch. Ein Indiz dafür sei der Erfolg der öffentlich-rechtlichen Sender beim Eurovision Song Contest. „Selbst die Jungen nutzen für ein solches Event das klassische ‚Leanback‘-Medium Fernsehen: Unglaubliche 8,38 Millionen (61,6 Prozent Marktanteil) zwischen 14 und 49 Jahren sahen Lenas Sieg. Digitale Medien werden nicht zu dieser Art der Entspannung beitragen, da sie immer eine aktive und bewusste innere Haltung voraussetzen und nicht den Eskapismus des Fernsehens bieten“, resümiert Strauch.
Angebot an Special Ads wächst
Während klassische Spots kontinuierlichen Werbedruck erzeugen, erzielen Sonderwerbeformen als
Wirkungsverstärker einen zusätzlichen Nutzen.
von Sandra Fösken
Karibischer Traumstrand, schöne Menschen, swingende Rhythmen – die Bacardi-Spots machen seit Jahren Lust auf Urlaub, Sonne und Cocktails. Der Hersteller von Premium-Spirituosen wollte an dieses gelernte Markenbild anknüpfen und es gleichzeitig auf besondere Weise inszenieren und emotional weiter auf laden. Um die jungen Zielgruppen möglichst effektiv zu erreichen, präsentierte Bacardi unter dem Motto „Bacardi Summer Grooves“ von August bis September 2009 als Sponsor die Spielfilm-Sommerhighlights auf ProSieben. Dabei kam eine neue Sonderwerbeform zum Einsatz: der „Combo Trailer“. Hierbei handelt es sich um einen „Sponsorhinweis“, dabei wechseln sich Szenen aus dem Bacardi-Spot mit Filmszenen, die der Spirituosenhersteller sponsert, ab. Das garantiert eine hohe Aufmerksamkeit, wie eine Untersuchung zur Wirksamkeit dieser Werbeidee bestätigt. 80 Prozent der Befragten gefällt diese Sonderwerbeform. An den Sponsorhinweis kann sich ungestützt mehr als jeder zweite erinnern. Ein weiteres positives Ergebnis: Unter den Männern fühlen sich 50 Prozent durch den Spot ermuntert, ein Bacardi-Getränk zu genießen. Entwickelt wurde die innovative Form von dem Crossmedia-Dienstleister Sevenone Adfactory – eine Tochtergesellschaft der Pro Sieben Sat.1-Gruppe.
Aktuell testet der ProSiebenSat.1-Vermarkter verschiedene neue Werbeformen. „Das Feedback aus dem Markt auf unsere neuen Ideen ist durchweg positiv. Welche davon wir tatsächlich als neue Angebote in unser Portfolio aufnehmen, werden wir in den kommenden Monaten entscheiden“, sagt Malte Hildebrandt, Geschäftsführer bei der SevenOne AdFactory. Insgesamt verzeichnet der Münchener Vermarkter eine steigende Nachfrage nach individuellen und vernetzten Konzepten. „Daher arbeiten wir kontinuierlich daran, dem Werbemarkt neue und kreative Werbemöglichkeiten im Bereich der Sonderwerbeformen zu bieten.“ Den Anteil am Gesamtwerbeumsatz mag Hildebrandt nicht konkret beziffern. Nur so viel: „Sie tragen einen substanziellen Anteil zum Gesamtwerbeumsatz bei Sevenone Media bei, der kontinuierlich steigt.“ Ungeachtet dessen bleibt die klassische Spot-Vermarktung weiterhin das Kerngeschäft.
Eine steigende Nachfrage nach Special Ads macht auch der Wettbewerber IP Deutschland aus. „Im Gesamtjahr 2009 haben die Sonderwerbeformen einen Anteil von rund elf Prozent ausgemacht. Es werden immer häufiger individuelle Umsetzungen gebucht, auch bei den gängigen Special Ads wie Pre-Split und Abspannsplit“, sagt Lars-Eric Mann, Verkaufsdirektor Solutions bei IP Deutschland.
Welche Bedeutung die Vermarkter den neuen Werbeformen beimessen, machen auch ihre Informationsbroschüren deutlich. IP Deutschland beispielsweise hat dafür eigens ein 74 Seiten starkes Informations-Booklet zu Special Ads in diesem Jahr neu aufgelegt.