Von Gastautor Philipp Roth, Vice President Operations & Marketing Communications bei The Reach Group
Retargeting-Kampagnen ist es erlaubt über bisherige, eher reaktiv ausgelegte Strategien spürbar hinauszugehen. Die neue Generation Usercentered Retargeting stellt individuelle und bedürfnisorientierte Ansprache in den Mittelpunkt. Potenzielle Kunden werden passend zu ihren persönlichen, situationsabhängigen Interessen angesprochen und an abgebrochene Käufe erinnert, aber eben auch vor zu häufigen Ansprachen geschützt. Das klassische Retargeting wird mit der Userzentrierung um zusätzliche Reichweiten und Funktionalitäten ergänzt, was die Performance befördert. Das Konzept steht und fällt damit, ob Bedürfnisse korrekt erkannt werden können – oder nicht.
Konkret: Wie werden Userbedürfnisse erkannt?
Eine typische Situation im Onlinemarketing ist die Flugbuchung: Im Sinne der bedürfnisorientierten Ansprache ist es elementar, zunächst zu bestimmen, in welcher Phase des Kaufprozesses sich der User befindet. Durch Kategorien auf den Websites, wie dem Online-Check-In oder bereitgestellten Fluginformationen, ergeben sich Rückschlüsse auf den Käufer. Zudem lässt sich unterschiedliches Kaufverhalten beispielsweise bei Inlandflügen beziehungsweise klassischen Business-Flügen im Vergleich zu Flügen für eine Reise beobachten. Die tatsächlichen Bedürfnisse der Kunden werden durch unterschiedliche Verhaltensweisen auf der Website sichtbar.
Personas bilden: Business-Flieger vs. Urlauber
Für userzentrierte Retargeting-Kampagnen für Flugbuchungsseiten gilt es, diese unterschiedlichen Motivationen der Website-Besucher aufzuschlüsseln. Etwa ist es für Business-Flieger typisch, Inlandsdestinationen mit kurzer Aufenthaltsdauer zu buchen und Entscheidungen im Buchungsprozess schnell zu treffen. Der Kunde ist ein klassischer Mehrfachkäufer, den ein sach- und produktbezogenes Storytelling anspricht: Interessant sind Werbebotschaften im Hinblick auf Preis, Business-Services oder häufig gebuchte Strecken. Bei abgebrochenen Warenkörben sind hohe Wiederansprachefrequenzen über einen kurzen Zeitraum zielführend.
Demgegenüber steht etwa der Typ „Urlaubsplaner“: Er vergleicht mehrere Auslandsdestinationen und sucht oft für mehr als eine Person. Er prüft in der Regel ergänzende Angebote wie Hotel- oder Mietwagen-Services und kann beim Abflugdatum flexibler vergleichen als etwa der Business-Flieger. Den Urlaubsplaner erreichen emotionale Werbebotschaften, die Familien oder Paare zeigen. Für das Retargeting bieten sich regelmäßige Ansprachen mit mittleren bis langen Pausen an. Die Botschaften können auf saisonale Motive aufbauen und profitieren von bereits bekannten Abverkaufsdaten aus dem CRM.
Der Online-Shop: Hoher Differenzierungsbedarf
Die Motive der User-Gruppen geben letztlich branchenübergreifend in jedem Shop vor, mit welchen Botschaften, über welche Kanäle und in welcher Frequenz für die Ansprache gewählt wird. Über die Motive der Nutzer gibt die Analyse ihres Verhaltens Aufschluss, zum Beispiel das Vorgehen der User im Online-Shop vor dem Hintergrund der dort beworbenen Produkte. Es ist unbedingt notwendig, die Erkenntnisse mittels First-Party-Daten aus dem eigenen CRM über die Daten, die während der Kampagne im Onlineshop erhoben werden, sowie mithilfe von Fremddaten auf eine solide Grundlage zu stellen. Es ist sinnvoll, per Werbebanner individuelle Empfehlungen zu geben. Dazu wird innerhalb einer userzentrierten Herangehensweise zunächst erhoben, wie sich der User im Onlineshop bewegt. Je nachdem, ob er direkt nach der Startseite aussteigt, nach einem bestimmten Produkt sucht oder sich ungebunden im Shop bewegt, können darauf Botschaften ausgerichtet werden. Gibt der Nutzer etwa bereits ein konkretes Produkt in die Suchmaske ein, schließt den Kaufvorgang aber nicht ab, hat er das Produkt möglichweise bereits in einem anderen Shop erworben. Es bietet sich an, ihm ergänzende Produkte zu präsentieren, beziehungsweise nach einer Weile Alternativen vorzuschlagen. Ist er hingegen ein bekannter Mehrfachkäufer, können ihn Neuheiten und Empfehlungen auf Basis der bisherigen Käufe begeistern. Diese Kunden können zudem über soziale Kanäle zu Fans gemacht werden.
Voraussetzungen für bedürfnisorientierte Ansprache im Usercentered Retargeting:
– Mithilfe von First-, Second- und Third-Party-Data erkennen Werbetreibende und Agenturen die Bedürfnisse der Zielgruppe. Die Kunden werden in feine Cluster eingeteilt und per intelligentem Storytelling angesprochen. Fundiertes Datenmanagement ist unabdingbare Voraussetzung.
– Die Ansprachestrategie umfasst zum einen bereits bekannte Shopbesucher, gleichzeitig jedoch auch Predictives.
– Wichtig ist eine auf den individuellen Fall ausgerichtete Balance aus Ansprachehäufigkeit und Zurückhaltung seitens der Werbetreibenden. Velocity Targeting sowie sensibles Frequency Capping sprechen die Zielgruppe individuell, maßvoll und bedürfnisorientiert an.
– Bannertemplates bieten CI-Sicherheit für Marken. Werbebotschaften sollten im Look-and-Feel des Werbetreibenden ausgespielt werden.
– Die Messung von Performance-Kampagnen ausschließlich auf Klickbasis ist nicht mehr zeitgemäß, denn 90 Prozent der Webshop-Besuche sind von Nicht-Klickern. Diese Nutzer könnten beispielsweise per Postview-Tracking erfasst werden. Sichtbar wird, welche Branding-Werbemittel den Absatz positiv beeinflussen, beziehungsweise durch welche Werbemittel sich Konsumenten stärker mit einer Marke beschäftigen.
Zum Autor: Philipp Roth ist Vice President Operations & Marketing Communications bei The Reach Group. Seit über zehn Jahren ist er im Online Marketing tätig und hat die unterschiedlichsten Entwicklungsstufen im Retargeting mitgestaltet. Roth ist Mitbegründer und Gesellschafter von The Reach Group, zuvor gründete er Firmen und Inkubatoren rund um das Thema Programmatic Advertising und vernetzte Arbeitswelten in Berlin.