Danach haben mehr und mehr Agenturen und Berater begonnen, das Feld zu besetzen – die meisten mit sehr jungen Mitarbeitern und Berufseinsteigern. In den Jahren 2006 bis 2010 hat sich Social Media immer mehr von einem Trendthema zu einem Businessthema entwickelt, das heute tatsächlich wesentlichen Anteil am Geschäftserfolg von Beratungsfirmen hat. 2011 wird das Jahr sein, in dem das Thema bei den Unternehmen und Marken in Deutschland endgültig angekommen und in die Praxis überführt ist.
1. Keine Kampagne mehr ohne Social Media. Kein Social Media mehr ohne ROI-Betrachtung.
So wie es die Markenartikler schon seit 2009 machen, in deren Briefings und Ausschreibungen zunehmend Social Media verlangt wird, geht es 2011 in anderen Branchen weiter: Social Media wird als ein Bestandteil jeder Kampagne erwartet. Die Beweislast wird 2011 umgekehrt werden: Begründen muss, wer kein Social Media vorschlägt. 2010 haben viele Werbe- und Multimediaagenturen im Hintergrund Kompetenz für Social Media einzukaufen versucht. Einige erste Berater mit Social Media- Erfahrung sind bereits 2010 von PR-Firmen in die Werbung gewechselt.
Wer genug Erfahrung hat, um einen plausiblen Weg zu zeigen, wie die Social Media-Elemente einer Kampagne in die Evaluation eingefügt werden können, wird den Zuschlag bekommen. Ohne dass sie eine ROI-Betrachtung anbieten, werden Agenturen 2011 kein Social Media-Geschäft bekommen, weil es genügend Wettbewerber gibt, die genau das bereits können. Und ohne Social Media sind sie ohnehin raus.
Meine These: Ob er einen Social-Media-ROI zeigen kann, wird das wichtigste Argument für die Wahl des Agenturpartners.
2. Nahezu alle Unternehmen mit Markenkommunikation werden Social Media-Manager installieren.
Viele Unternehmen haben 2010 bereits Mitarbeiter angestellt oder beauftragt, um ihre Social Media-Aktivitäten zu koordinieren. Zurzeit suchen weitere Unternehmen aktiv Social Media-Manager mit Erfahrung sowohl in der Markenkommunikation als auch in Social Media. Dadurch, dass im Laufe von 2011 also immer mehr Expertise auch in den Unternehmen vorhanden sein wird, bekommen die Agenturen und Berater Ansprechpartner bei ihren Kunden, mit denen sie gemeinsam die Qualität der Kampagnen und Aktionen in Social Media heben können. Das bedeutet aber auch: Die Berater, die das nicht können, werden leichter zu entlarven sein. Die Zeit der Propheten und Scharlatane wird endgültig abgelaufen sein.
Meine These: Social Media ist 2011 bei den Unternehmen und Marken angekommen und Agenturen können keinen Bullshit mehr verkaufen.
3. Social Media und Direktmarketing werden zusammenwachsen.
In den Jahren 2005 bis 2010 wurde Social Media vor allem von Public Relations (PR) angetrieben, seit 2009 haben Werbung und Multimedia versucht, den Vorsprung der PR aufzuholen. Unbemerkt von der öffentlichen Diskussion hat das – von den Vertretern der reinen Social Media-Lehre oft als „Schmuddelkind“ der Kommunikation bezeichnete – Direktmarketing in den vergangenen Monaten begonnen, Social Media intensiver einzusetzen. 2011 wird Social Media fester Bestandteil des Direktmarketings werden. Vertriebsorientierte Aktionen mit positivem Return on Investment (ROI) wie 2010 bereits das „Chefticket“ der Deutschen Bahn werden Diskussionen auslösen und den Blick auf Ziele und Methoden in der Social Media-Kommunikation neu schärfen.
Meine These: Dass das Direktmarketing 2011 Social Media in den Methodenkanon aufnimmt, ist ein Zeichen, wie erwachsen Social Media geworden ist.
4. StudiVZ wird den Weg von Myspace gehen.
StudiVZ hat im vergangenen Jahr massiv an aktiven Nutzern verloren. Die Unique Visits (also einzelne Nutzer) eines Monats sind von Dezember 2009 bis November 2010 um rund 50 Prozent zurückgegangen, während Facebook im gleichen Zeitraum rund 90 Prozent hinzugewonnen hat (Quelle: adplanner.google.com). Stärker als alle anderen deutschen Netzwerke verliert es also gegenüber Facebook an Boden. Während SchuelerVZ unter sehr jungen Jugendlichen noch eine aktive Nutzerbasis hat, die spätestens mit den ersten Auslandsreisen der Schülerinnen und Schüler zugunsten von Facebook abbröckelt, kann StudiVZ die Studierenden und jungen Erwachsenen offenbar nicht mehr für sich gewinnen. Massiv sinkende Besucher – noch nicht aber sinkende Profilzahlen sind die Folge. 2011 ist StudiVZ am Scheideweg: Geht es den Weg von Myspace, versucht es also, ein Nutzungs- und Geschäftsmodell jenseits eines Social Networks zu finden und sich mit Facebook zu verknüpfen? Oder kämpft es auf verlorenem Posten gegen eine Konkurrenz, gegen die es nicht bestehen kann, weil Netzwerke ein „The winner takes it all“-Markt sind?
Meine These: StudiVZ wird aufgeben und kein Social Network mehr sein wollen.
5. Es gibt drei Internets: das World Wide Web, Facebook und Apps.
Der Siegeszug von Facebook einerseits und die wachsende Bedeutung der mobilen Internetnutzung andererseits werden dazu führen, dass 2011 Onlinekommunikation und Onlineauftritte drei Plattformen bedienen:
- das „klassische“ Internet inklusive klassischer Social Media
- Facebook als einen vom übrigen Internet abgetrennten Bereich
- speziell auf kleine mobile Geräte zugeschnittene Apps
Inhalte sowie Kommunikations- und Geschäftslogiken werden unabhängig von der Plattform funktionieren und dort „abgespielt“, wo die Zielgruppe sich bewegt – in vielen Fällen also in allen drei Umgebungen.
Meine These: Das „klassische Internet“ ist nur noch eine Abspielstation und nicht mehr das alleinige Zentrum von Onlinekommunikation.
6. Mobiles Internet und Lokalisierungsdienste bestimmen Social Media und E-Commerce.
Facebook und Twitter sind nur der Anfang dessen, was 2011 die größte Rolle in der Onlinekommunikation und im E-Commerce spielen wird. Nicht mehr nur die digitale Elite wird unabhängig von ihren PCs und Laptops online sein, sondern weitere Bevölkerungsgruppen kommen hinzu. Lokalisierung und Ubiquität zusammen bilden das Rückgrat neuer Dienste und neuer Ansprüche an Servicekommunikation.
Meine These: Social Media und E-Commerce werden mobil, ebenso die Onlinekommunikation mit Konsumenten – oder sie findet nicht mehr statt.
Über den Autor: Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach, 41, Theologe und Journalist, war Anfang 2003 der erste PR-Profi in Deutschland, der ein eigenes Blog begonnen hat. Seit 2004 berät er Unternehmen und Marken zu Social Media und hat von Anfang an nicht nur Konzepte entwickelt, sondern auch umgesetzt. Von 2006 bis 2009 hat er, zuletzt als Head of Social Media Europe, bei der weltweit größten unabhängigen PR-Agentur Edelman den Bereich „Online Conversations“ aufgebaut und geleitet, unter anderem war er verantwortlich für das interne Fortbildungsprogramm T4, mit dem mehr als 500 PR-Profis in Europa geschult wurden. 2010 ist Lünenbürger-Reidenbach als Management Supervisor Digitale Strategie zur integriert arbeitenden Kommunikationsagentur Achtung gewechselt, die bereits umfassende Social-Media-Erfahrung hatte. Zu seinen Kunden zählen unter anderem Daimler, Microsoft, Hewlett-Packard (HP), Unilever, Mars, Lego, Vapiano, Hornbach und Schwäbisch Hall.
Seit 2003 beobachtet Lünenbürger Trends in Social Media und Kommunikation und gibt Prognosen mit erstaunlicher Trefferquote ab. So hat er beispielsweise sehr früh auf die Bedeutung von Twitter und Foursquare hingewiesen und für 2010 den Sieg von Facebook über StudiVZ vorausgesagt.