Sechs-Tage-Woche ist auch keine Lösung 

Bei Procter & Gamble führen Prinzipienreiter, Urlaubsgeld finden nur wenige erwähnenswert und die Vier-Tage-Woche ist gekommen, um zu bleiben – oder doch nicht?
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Griechenland hat zum 1. Juli die Option einer Sechs-Tage-Woche eingeführt, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. (© Adobe Stock)

„Die Zeit“ hat kürzlich geschrieben, dass anhaltende Hitze ziemlich schädlich für die menschliche Hirnleistung sein soll. Angesichts des Klimawandels ergeben sich daraus natürlich eine Menge neuer Fragen für Arbeitgebende, beispielsweise wie sie am besten für ausreichend Kühlung ihrer Mitarbeitenden oder zumindest deren Köpfe sorgen können. Langzeituntersuchungen dazu stehen zwar noch aus, ich aber bin derweil schon froh, dass das Wetter gestern, während ich diese Zeilen schrieb, mit 24 Grad Höchsttemperatur in meinem Büro ausgesprochen arbeitsfreundlich war – und ich so wieder ein paar interessante „Work & Culture“-Fakten für Sie sammeln konnte. 

Den Anfang mache ich heute mit einem Beitrag aus dem Handelsblatt. Unter der Headline „Irritationen um Elterngeld bei Procter & Gamble“ widmet sich die Zeitung einem heiklen Thema. Denn anders als ursprünglich angekündigt, gewährt Procter & Gamble (P&G) seinen Beschäftigten nun doch keine bezahlte achtwöchige Elternzeit. Zumindest nicht in Deutschland, in anderen Ländern schon. Der Konzern begründet dies damit, dass hierzulande für das Gros der Mitarbeitenden ohnehin „die staatlichen Regelungen für Arbeitnehmer vorteilhafter“ als die Konzernleistung seien. Eine schlechte Nachricht ist das Ausbleiben der P&G-Sonderregelung in Deutschland indes für die Besser- bis Bestverdienen, die sich laut Handelsblatt denn auch prompt beschweren. Anonym zitiert der Beitrag eine Führungskraft mit den hübschen Sätzen: „Natürlich kann man darüber diskutieren, ob ein Anspruch auf Unterstützung in dieser Gehaltsklasse notwendig ist“. Doch es gehe ums Prinzip. Ich finde: Natürlich kann man darüber diskutieren, ob es einer Führungskraft in derlei Fragen ausgerechnet ums Prinzip gehen sollte. 

Urlaubsgeld nicht der Rede wert 

Nicht ganz unpassend dazu erreichten mich vergangene Woche die Ergebnisse einer Auszählung von Index Research. Danach ist in deutschen Stellenanzeigen die Nennung von Urlaubsgeld als Benefit seit 2022 deutlich gestiegen – von 5,7 auf jetzt 8,6 Prozent im ersten Halbjahr 2024. Am häufigsten nennen die Arbeitgebenden Urlaubsgeld in Jobinseraten für Mitarbeiter in der Logistik – in fast 79 Prozent aller Anzeigen. Spitzenreiter unter den Bundesländern ist derzeit Mecklenburg-Vorpommern mit einem Anteil von fast 12 Prozent an allen Stellenausschreibungen. 

Insgesamt allerdings finde ich die ermittelten Zahlen doch verblüffend niedrig, und ich frage mich: Zahlen die restlichen 91,4 Prozent der stellenanzeigenden Arbeitgebenden kein Urlaubsgeld oder erachten sie dies in ihren Inseraten nicht für erwähnenswert? Beides aus Prinzip, versteht sich. 

Köln: Hidden Champion für New Work 

Vielleicht ist die vom Handelsblatt zitierte Procter & Gamble-Führungskraft aber auch aus einem ganz anderen Grund frustriert: Frankfurt, das bekanntlich ganz in der Nähe des P&G-Headquarters in Sulzbach/Taunus liegt, schafft es nämlich nur auf den vorletzten Platz des aktuellen „New Work Readiness“-Rankings. Da kann man natürlich auch schon mal aus Prinzip ein bisschen rumnörgeln. 

Aber im Ernst. Erstellt hat das Ranking Combine Consulting und dafür Kriterien untersucht wie Büropräsenz, Digitalisierungsgrad und Quote an Co-Working-Spaces. Auf Platz eins liegt Berlin, wo sich auch deshalb immer mehr Unternehmen ansiedelten, die auf moderne Bürokonzepte und flexible Arbeitsplatzgestaltung setzten. Ähnlich seien die Entwicklungen in München (Platz 3) und Hamburg (Platz 4). Beide Städte zeichneten sich durch eine dynamische Wirtschaft und florierende Start-up-Szene aus, so Combine Consulting. Köln erreichte vor allem dank einer hohen Back-to-Office-Quote sowie einem hervorragenden Digitalisierungsgrad den zweiten Platz im Gesamtranking. 

Laut Combine Consulting zeigt sich hingegen in Frankfurt ein Problem besonders deutlich: Die Finanzmetropole liegt trotz der zweithöchsten Durchschnittsmiete (rund 25,70 Euro) auf dem vorletzten Platz unter Kriterien der New-Work-Readiness. „Das Frankfurter Bankenviertel galt lange Zeit als moderner Büro-Hotspot. Diese Zeit scheint jedoch vorbei. Viele der großen Bürotürme sind noch aus den 80er-Jahren und wurden über die Zeit nur bedingt an die modernen Arbeitstrends angepasst“, sagt Hendrik Grempe, Geschäftsführer Combine Consulting. Ganz anders stelle sich die Lage in Köln dar. „Die Domstadt präsentiert sich als besonders New-Work-freundlich und weist gleichzeitig die niedrigsten Durchschnittsmieten aller Top 7 Städte auf. Diese Diskrepanz macht Köln zu einem klaren Hidden Champion für Unternehmensansiedlungen“, so Grempe. 

Flexibles Arbeiten immer beliebter 

Wer nun trotzdem nicht gleich die Koffer packen und nach Köln ziehen will, kann auf das weitere Wachstum von flexiblen Arbeitsangeboten hoffen. Laut der neuen Umfrage „Perspektiven Unternehmertum“ von GoDaddy und GfK erkennen mittlerweile 74 Prozent der Bevölkerung die Vorteile von New Work an – sowohl für Arbeitnehmende als auch für Arbeitgebende. 2023 lag der Wert bei 72 Prozent. Dabei zeigt die Umfrage im Vergleich zum Vorjahr eine Annäherung bei den Altersgruppen: 48 Prozent der 18- bis 29-Jährigen und 51 Prozent der 30- bis 39-Jährigen bestätigen, dass Unternehmen sich um flexiblere Arbeitsbedingungen bemühen, während auch 56 Prozent der 50- bis 59-Jährigen diese Bemühungen anerkennen. 

Fast die Hälfte (49 Prozent) der Befragten sieht zudem die Vier-Tage-Woche als langfristige Entwicklung in Deutschland. Besonders die jüngeren Generationen stehen diesen neuen Arbeitsmodellen – wenig überraschend – offen gegenüber: 56 Prozent der 18- bis 29-Jährigen und 60 Prozent der 30- bis 39-Jährigen glauben an die Zukunft der Vier-Tage-Woche. 

Oder doch lieber die Sechs-Tage-Woche? 

Derweil hat Griechenland zum 1. Juli bekanntlich die Sechs-Tage-Woche eingeführt – natürlich nicht aus Prinzip, sondern auf freiwilliger Basis. Festangestellte in Griechenland sollen demnach ab sofort sechs Tage die Woche arbeiten können und dafür entsprechend mehr Geld bekommen. Damit soll der Fachkräftemangel behoben und Schwarzarbeit bekämpft werden. 

Die Hamburger PR-Agentur Frau Wenk hat diese Nachricht zum Anlass genommen, ein paar ihrer Kunden um eine Einschätzung der Sechs-Tage-Woche zu bitten. Und weil ich persönlich die Debatte um die, sagen wir: X-Tage-Woche nach wie vor spannend und erbaulich finde, möchte ich Ihnen an dieser Stelle eine kleine Auswahl der Antworten – schon aus Prinzip – nicht vorenthalten. 

Carsten Rasner, Geschäftsführender Vorstand BVDW: „Weder das griechische noch das deutsche Modell ist die Lösung für die Zukunft. Wer meint, nur über den Faktor Zeit Probleme zu lösen, irrt. Es braucht einen Mix aus qualifizierter Zuwanderung, Upskilling der bestehenden Arbeitskräfte und einer Effizienzsteigerung durch Technologien wie KI.“ 

Philipp Spreer, Managing Partner , Elaboratum: „Eine Sechs-Tage-Woche ist für uns absolut keine Option. Die besten Ideen entstehen bekanntlich beim Sport, Spazierengehen oder Kindergeburtstag. Statt ,mehr Tage pro Woche‘ ist unser Weg ,mehr Effizienz durch KI‘: Die Zeit, die wir aktuell in das Suchen und Testen neuer Tools investieren, holen wir uns mittelfristig zehnfach zurück.“ 

Oliver Hahn, Regional Manager DACH + PL, GoodHabitz: „Mehr Arbeit führt nicht automatisch zu mehr Produktivität. Weiterbildung ist meiner Meinung nach der Schlüssel zum Erfolg. Statt den Mitarbeitenden noch mehr Arbeitszeit aufzuladen, sollten wir sie lieber darin schulen, wie sie ihre Zeit richtig managen oder Meetings produktiv gestalten. Die Einführung einer Sechs-Tage-Woche ist daher nur eine Symptom- statt einer Ursachenbekämpfung.“ 

Jennifer Lapp, Head of Growth Marketing DACH, HubSpot: „Unsere Mitarbeitenden haben die Möglichkeit, unbegrenzt Urlaub zu nehmen und ihre Arbeitszeit völlig frei zu gestalten. Die Einführung der Sechs-Tage-Woche in Griechenland mag kurzfristig dem Fachkräftemangel entgegenwirken, aber wir glauben, dass langfristige Lösungen, die auf Vertrauen und Flexibilität basieren, nachhaltiger sind und die Motivation und Produktivität der Mitarbeitenden steigern.“ 

In diesem Sinne: Eine prinzipienfreie Woche und bleiben Sie gut drauf. 

ist seit mehr als 20 Jahren Journalistin, spezialisiert auf Marketing, Medien, New Work und Diversity. Sie war stellvertretende Chefredakteurin bei “Horizont”, schreibt seit 2014 als freie Autorin für diverse Wirtschafts- und Fachmedien und liebt es, als Dozentin für Fachjournalismus und Kommunikation junge Menschen für die Branche zu begeistern. Privat muss es bei ihr sportlich zugehen – am besten beim Windsurfen oder Snowboarden.