Herr Pollok, zwei Jahre nach dem großen Einstieg von ProSieben bei Amorelie, wie fühlt sich das heute an? Ist da noch StartUp drin?
SEBASTIAN POLLOK: Wir kennen ProSieben ja schon eine Weile und das war damals eine sehr bewusste Wahl – im Hinblick auf das Unternehmen und die Personen, die dahinter stehen. Das gibt uns die Gelegenheit mit einem starken Partner im Hintergrund Themen zu verfolgen, die uns wichtig sind und so stark zu wachsen, was sonst schwerer gewesen wäre. Der Lernprozess funktioniert aber auch umgekehrt, da kommen bei ProSieben gerade Themen in den Fokus wie beispielsweise Multichannel, an denen wir schon seit drei Jahren arbeiten. Das ist eine coole, bereichernde Zusammenarbeit.
Ist in den zwei Jahren auch was verloren gegangen?
Ein StartUp definiert sich aus meiner Sicht nicht nur über das Alter, es ist viel mehr der Spirit, der zählt. Aber wir sind natürlich auch älter geworden und es wird tatsächlich nicht mehr so viel Geld für Bier und Parties ausgegeben. Der eine oder andere bedauert das.
Generell brauchen wir kontinuierlich noch bessere Prozesse, klarere Strukturen. Der Blick richtet sich mehr aufs Detail, weil die großen Hebel alle bedient sind. Das geht auch nur mit ausgewiesenen Spezialisten und die ticken auch anders. Wir sind in einem mittleren zweistelligen Millionenbereich angekommen und können es uns nicht leisten, wenn die Server mal down sind. Ich glaube es ist ein positives Zeichen, wenn die Gründer noch involviert und aktiv sind. Und wir sind immer offen für Neuerungen und Veränderungen. Wir stellen zum Beispiel regelmäßig die Arbeitsplätze um, um die Perspektive zu wechseln. Wir machen montags unseren WakeUp-Dance. So ein bisschen Startup-mäßig ticken. Außerdem haben wir gefühlt kaum Intrigen und interne Querelen.
Lust auf etwas Neues?
Irgendwann schon. Das ist auch so ein Gründer-Ding. Da muss man sich eingestehen, dass es den Punkt gibt, an dem ein Manager für das Unternehmen besser ist als der Gründer. Lea und ich haben uns da bis hierher gut mit entwickelt und wirken hoffentlich positiv auf Amorelie ein. Irgendwann kommt der Punkt bestimmt, aber aktuell ist er noch nicht in Sicht.
Wo steht Amorelie heute?
Wir sind jetzt in fünf Ländern aktiv, in DACH, Frankreich und Belgien. Wir gucken schon zuerst darauf, wie wir in den Bestandsmärkten wachsen können Omnichannel ist da ein großes Thema. Wir arbeiten zum Beispiel mit Otto zusammen.
Wie wichtig ist Wachstum tatsächlich für euch?
Das ist heute tatsächlich anders als am Anfang. Da lag unser Fokus auf sehr schnellem Wachstum und wir mussten schnell die Marke aufbauen. Mittlerweile lautet unser Mantra profitables Wachstum. Wir wollen eher kurzfristige Payback-Zyklen haben. Da wir einen sehr großen Kundenstamm gewonnen haben, gelingt das auch.
Welche Rolle spielt Retail, also der eigene Amorelie-Shop?
Wir denken viel darüber nach und überlegen uns, ob das Sinn macht. Allerdings kommen wir aus der Onlinewelt , da liegt unsere DNA. Wir wollen lieber fokussiert ein paar Sachen richtig gut machen, statt uns zu verzetteln. Wir haben ja schon immer mit den PopUp-Stores gearbeitet. Was ich mir eher vorstellen kann ist ein Shop-in-Shop-Konzept mit bestehenden Händlern und man teilt sich den Traffic.
Wer könnte da ein Partner sein?
Es gibt verschiedene Ideen. Das kann zum Beispiel ein Händler sein, der eher auf Discovery geht wie Butlers. Oder man nimmt Läden mit ähnlicher Zielgruppe, wie zum Beispiel Douglas. Die haben entweder weibliche Zielgruppe oder Männer, die für ihre Partnerin einkaufen. So etwas könnte passen.
Wie hat sich aus Ihrer Sicht die eCommerce-Landschaft verändert?
Wenn Du ein reiner PurePlayer bist, kommst Du an Amazon gar nicht mehr vorbei. Das ist auch keine Frage mehr von ob oder ob nicht, sondern von wie. Man muss eine Balance finden aus der Idee des Merchants, der natürlich von der starken Vermarktung bei Amazon profitiert und dem Marketplace, wo man mehr Handlungsspielraum hat, aber weniger Traffic. Vieles geht heute für mich über das Thema Eigenmarken. Das ist bei Amazon eine gute Möglichkeit um vertreten zu sein, aber auch in der Zusammenarbeit mit anderen Retail-Partnern. Allerdings geht es dann schon um Eigenmarken, die man mit entsprechendem Gewicht am Markt positioniert. Wir entwickeln gerade eigene, unabhängige Marketingkonzepte für unsere Eigenmarken.
Was Amazon anbelangt, bedienen starke Eigenmarken dann schon eher das Merchant-Modell.
Ja. Da hat man der Marktmacht Amazons auch etwas entgegen zu setzen.
Spielt für euch ein Thema wie Same-Day eine Rolle?
Noch nicht so wirklich. Aber im Bereich Logistik gibt es spannende Entwicklungen, die uns auch berühren. Wenn Uber zum Beispiel Produkte ausliefert, dann ist das auch spannend für die Inszenierung. Da entsteht dann eine Instant Gratification, die der Nutzer vielleicht honoriert.
Für Amorelie als Erotikversender ist das Thema Marketing schwierig. Muss man an den Rand der Legalität gehen, um wahrgenommen zu werden?
Nein, ganz sicher nicht. Es gab vor eineinhalb Jahren Ärger wegen eines großen Plakats in Berlin. Das kam aber eigentlich von einem einzigen Blogger/ Redakteur und das überwältigende Feedback unserer Community war eher, dass die Kampagne ästhetisch und humorvoll ist. Natürlich bewegen wir uns auf dünnerem Eis als Tierfutter.
Wie sieht das bei Content Marketing aus? Gibt es Publisher, die eure Werbung ablehnen?
Nein, die gab es bisher nicht. Wenn Sie unser Magazin anschauen, finden sie eine recht durchgängige Stillinie. Die Mitarbeiter haben ein ähnliches Bild von der Marke Amorelie und wissen, was man machen kann. Unser Weg ist da eher sachlich, aufklärend.
Und wie steht es mit Influencer-Marketing? Ist das nicht manchmal ein heikles Thema?
Nein. Das zeigt deutlich, wie gut die Marke inzwischen geworden ist und wie sie von den Influencern gesehen wird. Wir haben schon mit so vielen tollen Influencern wie z.B. Bonnie Strange zusammen gearbeitet. Influencer-Marketing funktioniert für uns sehr gut. Am Anfang konnte sich das vielleicht keiner vorstellen, heute freuen sich viele, wenn sie dabei sein können.
Schauen wir noch einen Blick in die Zukunft: Kann Virtual Reality dazu führen, dass Amorelie in Zukunft Software verkauft oder ein Community-Abo anbietet?
Wir denken darüber nach. Ich habe auf den letzten Messen ein paar Konzepte gesehen, die sich da entwickeln. Wir würden das natürlich sehr hochwertig angehen. Das habe ich aber bisher noch nicht gesehen. Aber ich bin ziemlich sicher, dass da was passieren wird.
Der Amorelie-Gründer spricht am 7. Februar auf dem Kongress OnlineHandel in Berlin. Weitere Speaker sind Andreas Bartmann (Globetrotter), Fabian Stich (MyDays) oder Jürgen Bock (OTTO). Wenn Sie selbst am Kongress teilnehmen wollen, nutzen Sie den Rabattcode: M-ONH17-M5, und sparen Sie als Absatzwirtschaft-Leser 20 Prozent vom Ticketpreis. Das Angebot gilt freilich nicht für Teilnehmer, die bereits gebucht haben.