Sie kennen dieses Gefühl zwischen Flugscham und Fernweh? Zwischen „Was ich mache, fällt doch global gesehen gar nicht ins Gewicht“ und dem Wissen um den verflixten kategorischen Imperativ, laut dem man ja nun wirklich nichts tun sollte, was man nicht will, dass andere es tun? Meist endet diese leidige innere Debatte mit einer CO-2-Emissions-Ausgleichszahlung, von der man ahnt, dass sie nichts nützt.
„Reisen ist für mich persönlich unverzichtbar.“ Darin sind sich laut der aktuellen Studie „Generation Shift“ von Publicis Media die Mehrheiten in allen untersuchten Altersgruppen einig. Wobei die Gen Z (1996 bis 2010) zu gut zwei Dritteln zustimmt und die Baby Boomer (1946 bis 1964) mit vergleichsweise geringen 52,4 Prozent.
So richtig verblüffend sind die Ergebnisse in puncto Umwelt/Klima: Demnach finden alle Generationen diese Themen durchaus wichtig – sie werden aber umso wichtiger, je älter die Befragten sind. Dazu schreibt Publicis Media den feinen Satz: „Die Lautstärke des öffentlichen Protestes gibt keine Auskunft über die subjektiv wahrgenommene Relevanz.“
Die Gen Z fliegt gern
Und um noch mal auf die Flugscham zu sprechen zu kommen: Die ist bei den jungen Leuten offenbar wenig ausgeprägt. Denn: Sie bevorzugen bei der Wahl ihres Reisetransportmittels klar den Flieger, während alle anderen untersuchten Generationen das Auto an erste Stelle setzen. Was aber ja auch nicht so töfte für den Planeten ist.
Deswegen wäre es natürlich schön, wenn Reisen insgesamt nachhaltiger wäre. Das findet auch der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Tourismuswirtschaft (BTW), Sören Hartmann: „Es ist Zeit zu handeln!“, postulierte er in seiner Eröffnungsrede zum 24. Tourismusgipfel, der Anfang der Woche in Berlin stattfand.
Wo immer es aus eigener Kraft möglich sei, müsse die Branche nachhaltige Veränderungen angehen. „Und wir müssen diese Aufgabe wirklich ernst nehmen. Feigenblätter sind zu wenig.“ Von der Politik forderte Hartmann, mehr Geld für Innovationen und Forschung rund um neue Antriebsformen und Treibstoffe. „Tourismus basiert auf Mobilität. Wenn es gelingt, die verschiedenen Formen der Mobilität nachhaltig zu betreiben, ist für unsere Branche viel gewonnen.“ Wohl wahr. Laut verlässlichen Studien sind Tourist*innen für bis zu acht Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Der Löwenanteil entfällt auf die Mobilität.
Interessante Aufgaben fürs Marketing
Die gute Nachricht: Es tut sich was. Mit 1.545.902 Euro fördert die Nationale Klimaschutzinitiative (NKI) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) den neuen Deutschen Klimafonds Tourismus (DKT). Dieser Fonds soll „Klimaschutzmaßnahmen aus der Branche für die Branche finanzieren“.
Im ersten Schritt wird gemeinsam mit dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) ein branchenspezifisches Treibhausgasinventar für die Tourismuswirtschaft entwickelt. Was vorbildlich ist, denn damit lassen sich die Emissionen der gesamten Branche beziffern – und in der Folge auch nachvollziehen, wie wirksam einzelne Klimaschutzaktivitäten sind.
Der Tourismus sei auf eine intakte Umwelt angewiesen, sagt DKT-Projektleiterin Dr. Nadine Scharfenort: „Es gilt, im Dialog mit touristischen Leistungsträgern und Destinationen wirksame Angebote und Konzepte für nachhaltigen Tourismus auszubauen, um damit echte THG-Reduktionen und Aufklärungsarbeit für mehr Klimaschutz im Deutschlandtourismus zu leisten.“ Hier warten also viele interessante Aufgaben auch auf Marketing- und Kommunikationsprofis.
Agenturen am Pranger
Vielleicht auch interessant, sicher lukrativ, aber nicht gut fürs Image ist es hingegen, wenn Agenturen für ausgewiesene Klimaschädlinge arbeiten. In den USA gibt es für sie die sogenannte F-list. Hier lässt sich nachlesen, welche Agenturen für Kunden aus der fossilen Energiewirtschaft, vulgo: CO2-Emissions-Schleudern, arbeiten. Geführt wird die Liste, auf der sich das who is who der internationalen Agenturszene wiederfindet, von den Clean Creatives, ein Zusammenschluss von Kreativen, PR-Leuten und Agenturen.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht: So ganz wohl ist mir bei öffentlichen Prangern grundsätzlich nicht. Aber vielleicht löst sich dieses Problem von ganz alleine – denn wie schon meine Kollegin Anja Sturm in ihrer unbedingt lesenswerten Kolumne Kündigen fürs Klima schrieb: Gegebenenfalls finden diese Agenturen bald gar kein Personal mehr, das für sie und ihre Kundschaft arbeiten möchte.
Ich bin erstmal froh, wenn es keine Liste für treibhausgasschlimme Fernwehträume gibt, und wünsche Ihnen viel Freude bei der Urlaubsplanung.
Eine gute Woche noch, und behalten Sie die Zukunft im Blick!