Von Reiner Gerstner
„Ich bin raus“ wird zu „Ich bleib drin.“ – Das ist eine so simple wie tiefgreifende Veränderung. Sie zeigt nämlich sehr gut, welche Auswirkungen die Corona-Pandemie in kürzester Zeit auf unser Unternehmen genauso wie auf unseren Alltag hatte. Schöffel steht seit acht Jahren unverrückbar für den Claim „Ich bin raus“. Dieser stellt den Menschen und den besonderen Wert von persönlichen Auszeiten in der Natur in den Mittelpunkt. Doch mit Beginn der Corona-Krise galten plötzlich andere Regeln: Draußen zu sein war nicht mehr selbstverständlich, vielmehr ging es darum, daheim zu bleiben und Abstand zu halten, um die Pandemie einzudämmen.
Vita: Reiner Gerstner
Reiner Gerstner ist seit August 2019 Marketingleiter bei Schöffel Sportbekleidung. Er verfügt über langjährige Erfahrungen in leitenden Marketing-Positionen. Zuletzt war er Chief Marketing Officer bei dem Technologieunternehmen TQ-Group, wo er die strategische und fachliche Führung des zentralen Marketingteams der Unternehmensgruppe verantwortete.
Zuvor arbeitete Gerstner fast 13 Jahre lang bei dem Südtiroler Bergsportunternehmen Oberalp Group, wo er in den ersten fünf Jahren die Marke Dynafit leitete und im Anschluss acht Jahre als Brand & Marketing Director die Verantwortung für die Markenführung und das Marketing der Gruppe mit den Marken Salewa, Dynafit, Wildcountry und Pomoca innehatte.
Die Corona-Krise war und ist ein Stresstest für uns alle. Sie stellt fest etablierte Regeln in Frage und bietet damit die Gelegenheit, Geschäftliches wie Privates neu zu denken. Die Veränderung unseres Claims zu „Ich bleib drin“ war in dieser Situation der logische erste Schritt: Wir haben uns frühzeitig die Frage gestellt, wie eine starke Marke – die Schöffel zweifellos ist – ihrer Community genauso wie ihren Mitarbeitern, ihren Partnern und den Menschen in der Gesellschaft helfen kann. „Ich bleib drin“ war unser Beitrag, die Bewegung #flattenTheCurve zu unterstützen, indem wir die Botschaft ausgaben, vorübergehend auf die geliebten Aktivitäten in der Natur verzichten.
Technologie ist nur ein Helfer
Auf den ersten Schritt folgte der nächste: die „Vor-Freude-Kampagne“. Mit einem Video haben wir die Gefühle im Lockdown und die Freude auf das Ende der Beschränkungen beschrieben. Und schließlich haben wir mit unseren Athleten und Partnern die „Schöffel Danke Momente“ gestartet, ein umfangreiches Programm, mit dem wir die Leistungen der unzähligen Corona-Helfer anerkannt haben. Es war uns als Marke wichtig, auf diese Weise unser Commitment mit den Helfern zu zeigen – so wie die Menschen in den verschiedensten Ländern, die etwa mit ihrem öffentlichem Applaus Mut und Zuversicht verbreitet haben. Das hat uns sehr beeindruckt.
Diese Marketingmaßnahmen waren aber keine bloße Geste. Sie spiegelten genauso unsere Erfahrungen im Unternehmen. Das betrifft rein formell die Arbeit im Homeoffice, den Austausch per Videokonferenz oder die Reduzierung von Geschäftsreisen. Die Digitalisierung von Schöffel hat sprunghafte Fortschritte gemacht. So haben wir innerhalb kürzester Zeit unser erstes digitales Sales-Meeting realisiert – mit mehr als 200 Teilnehmern aus 15 Ländern. Dies alles sind Verbesserungen, die wir nicht mehr missen wollen. Sie haben uns aber auch gezeigt: Technologie ist nur ein Helfer, viel wichtiger sind das Miteinander und die Bereitschaft, füreinander da zu sein.
Ein einfaches Beispiel: Wer an einem Video-Meeting teilnimmt, lernt, andere ausreden zu lassen und sich zu melden, wenn man etwas beitragen möchte. Solche Erfahrungen haben eine neue „Social Politeness“ im Unternehmen begründet, eine Kultur der Verbindlichkeit und auch Verfügbarkeit. Ein weiterer Punkt war das Thema Zukunftsorientierung: Peter Schöffel hat sich regelmäßig per Video an die Mitarbeiter gewandt und Orientierung gegeben für die Aufgaben, die vor uns liegen. Das stieß letztlich einen Evolutionsprozess an: Wir alle gingen zielgerichteter an die Arbeit. Was nicht funktionierte, wurde gestoppt, was funktionierte, wurde perfektioniert.
Aufgrund unserer Erfahrungen sind wir uns sicher, dass sich familiengeführte Marken mit einer starken, historisch gewachsenen Werteorientierung in der Krise bewährt haben. Dabei zeigte sich auch, dass Unternehmen, die vor der Krise nachhaltig gewirtschaftet hatten, über die notwendigen Handlungsspielräume verfügten, um die Situation zu meistern und wichtige Akzente zu setzen. Wir gehen davon aus, dass unsere Branche die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie erst im Jahr 2022 überwunden haben wird. Dann aber, darin sind wir uns sicher, werden die teils sehr schmerzhaften Erfahrungen der Corona-Zeit zu wichtigen Errungenschaften geführt haben.
„Draußen-Sein“ und Krisenresistenz
Corona hat unser Leben und Arbeiten in kleine Puzzleteile zerlegt. Und wir haben nun die Chance, diese Teile zu einem neuen Bild zusammenzusetzen – wie wir arbeiten, wie wir leben, einkaufen, Sport treiben und was wirklich zählt. Wir alle sind heute digitaler unterwegs als je zuvor, doch umso mehr schätzen wir die analogen Erlebnisse. Damit hat sich auch der Bezug des Einzelnen zum „Draußen-Sein“ gewandelt: In der Natur finden wir zu uns und lernen, dass es einen Bereich gibt, in dem uns selbst die größte Krise nicht erreichen kann. Mit diesem neuen Bewusstsein hat sich der Stellenwert von Umwelt und sozialer Verantwortung weiter verstärkt.
Das wird letztlich auch Auswirkungen auf unsere Branche haben. Die Bedeutung von Outdoor-Aktivitäten wird weiter zunehmen. Gleichzeitig wird sich das Einkaufsverhalten der Konsumenten mehr in Richtung nachhaltiger und langlebiger Produkte als zur „Fast Fashion“ entwickeln. Diesen Entwicklungen tragen wir unter anderem mit der Ausweitung unseres Sortiments in Form einer neuen Bike-Kollektion Rechnung, die gleichwertig neben die Bereiche Outdoor und Ski treten wird. Wir sind sicher: Die Corona-Krise wird dem Trend zu Aktivitäten im Freien und damit unserem Claim eine neue Relevanz verleihen: Ich bin raus!
Serie „Marke post Corona: Learnings aus der Krise“
Folge 1: Hornbach-Marketingchef: Machen hilft gegen den Lagerkoller
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