„Die Jugend von heute ist respektlos, ohne Benehmen und egoistisch.“ Dieser Satz hat eine lange Tradition. Einige gleichlautende Zitate sind aus dem Jahre 3000 vor Christus. Doch heute mokiert man sich seltener öffentlich über „die Jugend“, die ja eine Lebensphase und somit flüchtig ist. Stattdessen höre ich häufiger Diskurse zur „neuen Generation“.
Gerade neulich äußerten sich zwei Entscheider meines Alters abfällig über die „Generation Schneeflocke“. Diese Generation würde dank ihrer verzärtelnden Helikoptereltern „unter Druck schmelzen“, während sie selbst erst bei Druck zur Höchstform aufliefen. Ein anderes Narrativ thematisiert zerknirscht „unsere Schulden bei der nächsten Generation“: Mit 1,7 Erden in Nutzung sind die Ressourcen für unseren Lebensstil allesamt von dieser nächsten Generation geborgt.
Und dann gibt es noch das aktivistische und radikale Narrativ rund um die Protestbewegung „Letzte Generation“, die von sich sagt: „Wir sind der Überlebenswille der Gesellschaft!“ Dafür geht dieser Teil der angeblich so wenig toughen „Generation Schneeflocke“ auf die Straße, sitzt stundenlang im Regen, klebt seine Hände auf Asphalt fest und erträgt die Schmähungen. Ja, was denn nun? Zu schlaff? Zu tough? Resigniert? Radikal? Sind wir schuld? Übertreiben die?
Gen Alpha steht vor Mammutaufgabe
Mir scheint, nicht nur sind unsere Generationsbezeichnungen X, Y, Z am Ende des Alphabets angelangt, auch mit der generationsübergreifenden Arbeit an der Zukunft sind wir am Ende. Auf eine ironische Weise folgerichtig, bekommen die „Alphas“ schon qua Namensgebung die Mammutaufgabe aufs Tablett, die dringend überfällige Zeitenwende für alle neu durchzubuchstabieren.
Dabei wäre es doch vielleicht unser Job, gemeinsam mit der nächsten Generation die Weichen zu stellen, bevor der Zug, den wir beschleunigt haben, aus den Gleisen springt. Das möchte ich vor allem den Schneeflocken-Verächtern und Klimaaktivisten-Gegnern meiner Generation zu bedenken geben.
Zuversicht schwindet in allen Generationen
Eine Studie der Hamburger Stiftung für Zukunftsfragen stellt klar: Zukunftszuversicht schwindet durch alle Generationen. Mehr als zwei Drittel der Menschen sehen die Zukunft düster. Fakt ist: Wir haben alle Angst und fühlen uns hilflos. Bemerkenswert einig sind wir uns auch darin, was unserer gesellschaftlichen Zukunftsfähigkeit nicht hilft: Wirtschaftswachstum. Das Narrativ von Erfolg und Wachstum muss in Einklang gebracht werden mit einer Welt, die entweder zyklischer und regenerativer wird oder keine Zukunft bereithält.
Die „Schneeflocken der letzten Generation“ beherrschen die Hacks, die unserer Gesellschaft aus der Sackgasse helfen können. Und sie wissen, was wir noch lernen müssen. Wir können es nur kollaborativ und generationsübergreifend schaffen. Wir sollten offen dafür bleiben zu erkennen, wann Narrative zu Auslaufmodellen werden. Das gilt auch für den Glaubenssatz, in dem gewinnt, wer – egal wie und auf wessen Kosten – dem Druck standhält. Für den Start hätte ich für Sie ein positives Narrativ für den Umgang mit der nächsten Generation: das Narrativ des „guten Vorfahren“.
Europa Bendig ist Geschäftsführerin von Sturm und Drang. Mit der Hamburger Research- und Transformations-Agentur blickt sie auf die Welt im Wandel. Als Kolumnistin schreibt sie über den Zusammenhang zwischen Gesellschaft und Marketing, das immer auch eine Kulturaufgabe ist.