Yaël Meier und Jo Dietrich wollen eine Veränderung anstoßen, die für alle zugänglich ist. Ihre Mission ist, Unternehmen mit der Gen Z zu verbinden. Dafür beraten sie Manager*innen, entwickeln Social-Media-Strategien und sprechen auf Events. Auch nach dem Interview sind sie auf einem Event und haben spontan die Idee, man könne doch teilnehmen, um noch mehr Einblicke in ihre Arbeit zu erhalten. „Ist geklärt, du kannst mit”, sagt Dietrich nach wenigen Minuten. Danach geht es wieder um das Metaverse und ihre Avatare. „Sie sind das Wertvollste, das wir besitzen. Nicht physisch, aber monetär gesehen”, erklärt Dietrich.
Die beiden Gründer*innen gehören selbst der Gen Z an, sie ist 22 und er 25, sie sind auch privat ein Paar und seit Anfang des Jahres Eltern. Ein Jahr zuvor sind sie mit der Schweizer Agentur Zeam an den Start gegangen, um Unternehmen die Eigenheiten dieser Zielgruppe näherzubringen. Sie erklären, wie die Generation tickt und auf welchen Plattformen sie zu erreichen ist. Neben TikTok ist das auch das Metaverse. „Wir haben einfach gemerkt, dass Unternehmen junge Leute erreichen wollen, aber selbst niemanden im Team haben, der dann unter 30 ist”, sagt Dietrich. Die beiden Gründerinnen haben eine Nische für sich entdeckt. Mit dem Metaverse beschäftigen sie sich seit mehr als einem Jahr. „Wir haben aus persönlichem Interesse damit begonnen, dort virtuelle Produkte zu kaufen, und viel ausprobiert”, erklärt Meier ihre ersten Schritte im Metaverse.
Dietrich beschreibt es ausführlich: „Wir haben relativ früh NFTs von RTFKT gekauft, also von der ,Clone X NFT‘-Kollektion, die jetzt sehr bekannt ist. Außerdem besitzen wir Schuhe von ,RTFKT x Nike Dunk Genesis‘, ein NFT von Adidas, das noch eine Überraschung ist und exklusive Zugänge ermöglicht – wir haben schon ein ganzes Outfit erhalten, das exklusiv für die 30.000 NFT-Besitzer*innen ist –, ein NFT von ,World of Women‘, verschiedene Räume und ein Office. Zu Weihnachten haben wir Yaëls Vater ein NFT geschenkt.“ Das sei aber mehr ein Joke gewesen.
Die beiden sehen das Metaverse nicht als virtuellen Spielraum, sondern als Businessplattform. Dietrich holt sein Smartphone raus und zeigt ein Video, auf dem er mit den NFT-Sneakern von Nike zu sehen ist. Im echten Leben würde er sich niemals so teure Schuhe kaufen – im Metaverse erleiden sie allerdings keine physische Abnutzung und verlieren dadurch nicht an Wert; im Gegenteil. Auf die Frage, wie viel Zeit sie aktiv im Metaverse verbringen, haben beide keine konkrete Antwort. „Im Moment wenig. Ich glaube allerdings, wenn sich das Interface vom Smartphone mal so geändert hat, dass das analoge mit dem digitalen Leben so verschwimmt, dass man auch Kleidungsstücke virtuell tragen kann und das tatsächlich alle sehen können, trennen wir das nicht mehr. Dafür müssen die VR-Brillen noch alltagstauglicher werden“, sagt Meier.
Digital ist nicht weniger real
In Zukunft wird es nicht mehr die Trennung zwischen online und offline geben. Genauso wenig, wie es heute nicht mehr heißt, man „gehe online”, sondern man vielmehr permanent „online” ist und die Art der Kommunikation nicht mehr unterschieden wird – eine Sprachnachricht ist nicht weniger persönlich als ein Face-to-Face-Gespräch. Dietrich erklärt das so: „Was digital passiert, ist nicht weniger real. Vor allem nicht für unsere Generation.“
Das Interview endet abrupt, man muss schnell los zum Event – die Future Night der Bildungsplattform „Startup Teens“. Um nicht zu spät zu kommen, verzichten wir darauf, ein Uber zu bestellen, sondern fahren mit E-Scootern durch die Straßen Berlins Richtung Axel-Springer-Gebäude. Nach dem Corona-Schnelltest werden Meier und Dietrich begrüßt und sprechen mit ein paar Content Creator*innen, die man von Instagram, TikTok und YouTube kennt – unter anderem sind Tim Schäcker von den Elevator Boys und Influencerin Diana zur Löwen dabei. Dietrich ist Teil des ersten Talks und erklärt, wie wichtig Skills in seinen Augen sind. Dadurch habe man die Möglichkeit, neue Jobs zu kreieren und so viel Neues zu lernen. Eine Ausbildung oder ein Studium seien nicht mehr essenziell, denn durch das Erlernen verschiedener Skills könne man sich teilweise viel intensiver in Themen wie Social Media und Metaverse einfinden. Während er spricht, steht seine Partnerin hinter dem Kameramann und filmt mit ihrem Smartphone. Nach dem Talk nicken sich beide zu und lächeln sich an. Sie scheinen zufrieden. Weiter geht es mit Networking. Sie rotieren zwischen den Creator*innen, tauschen sich aus und diskutieren. Meier spricht bei ihrem anschließenden Talk über Female Empowerment und sitzt mit Julia Reuss von Meta auf der Bühne. „Es ist enorm wichtig, jungen Frauen das nötige Selbstbewusstsein mit auf den Weg zu geben und sie zu ermutigen, ihren eigenen Weg zu gehen“, betont sie.
Diesen Weg geht die Gründerin nicht alleine, sie und Dietrich haben 24 Mitarbeiter*innen im Team. „Ein Teil von ihnen sind als Content Creator*innen für die TikTok-Kanäle von Unternehmen tätig und dadurch so etwas wie persönliche Influencer*innen”, erklärt Michelle Müller. Die 19-Jährige hat im letzten Jahr ihr Abitur und anschließend ein Praktikum bei Zeam gemacht. Mittlerweile arbeitet sie fest angestellt dort und war zuletzt unter anderem an einer Studie in Kooperation mit Link, dem Schweizer Marktführer für Marktforschung, beteiligt. Neben dem allgemeinen Medien- und Nutzungsverhalten der Gen Z in der Schweiz und in Deutschland gab es auch eine Frage über NFTs. Dabei kam heraus, dass bereits drei Prozent der Gen Z in beiden Ländern ein NFT besitzen und deutlich mehr als die Hälfte der Boomer-Generation nicht weiß, was ein NFT ist.
„Wir haben gemerkt, dass viele Unternehmen bei der Ausrichtung auf junge Kund*innen noch Hilfe benötigen. Also haben wir uns angeschaut, wie das Marketingbudget aktuell verteilt wird, und können durch unsere Arbeit dazu beitragen, dass sie zukünftig Kanäle bespielen, mit denen sie junge Menschen wirklich erreichen“, erklärt Müller.
Der springende Punkt im Social-Media- und Metaverse-Bereich ist, dass junge Menschen plötzlich ernst genommen werden. Es ist nicht wie früher, dass erst jahrelange Erfahrung das Fundament von Glaubwürdigkeit und Seriosität bilden.
Online- und Offline-Welt verbinden
Der 24-jährige Emmanuel Wandji ist nach einem dreimonatigen Praktikum bei Zeam für sechs Monate zu Deloitte und schließlich zurück zu Zeam gegangen. Er betreut nun ein sehr großes Projekt: die Präsentation einer Kollektion im Metaverse. Zusammen mit dem ältesten Schweizer Warenhaus Jelmoli und der Schweizerischen Textilfachschule soll ein virtueller Raum entstehen, in dem Kleidung präsentiert und gekauft werden kann. „Am Anfang überlegt man sich das Ziel: Wir wollen einen begehbaren Raum haben. Danach muss man sich fragen, welcher Raum sich eignet, mit wem man zusammenarbeiten möchte und wie man das Metaverse mit der physischen Welt verbindet“, sagt Wandji. Am Ende des Projekts steht ein physisches Event, bei dem die virtuelle Welt präsentiert und den Konsument*innen nähergebracht wird. Er schätzt, dass um die 20 Personen an dem Projekt beteiligt sein werden. „Wir haben uns überlegt, wie die Zukunft des Einkaufens aussieht“, erklärt er. Anfang Juni soll es so weit sein und die Präsentation stattfinden.
Auf die Frage nach seinen ersten Berührungspunkten mit der virtuellen Welt entgegnet Wandji: „Eines meiner Hobbys ist Gaming, wo man ja auch in der virtuellen Welt ist und kommuniziert. Während meines Wirtschaftsstudiums habe ich mich dann immer wieder mit anderen ausgetauscht und bin seit mehr als einem Jahr intensiv in dem Thema Metaverse drin.“
Es ist, wie Dietrich gesagt hat: Die eigenen Skills können zu einem Job werden. Der Unterschied ist, dass es hier kaum Vorsprung gibt. In einem Bereich, der so neu und so stark im Wandel ist, können alle Expertinnen werden – ganz unabhängig von ihrem Alter. Dietrich fügt hinzu: „Man weiß nie, wer hinter dem Metaverse-Avatar steckt, denn Metaverse-Professionals bewegen sich online mittlerweile fast nur noch mit ihren Avataren und sind dann vor allem als diese dort bekannt. Das kann eine 16-jährige Studentin oder ein 80-jähriger Rentner sein.“ Das Metaverse macht also die Alters-Hierarchie in der Berufswelt, die vor allem durch die Boomer-Generation aufrechterhalten wurde, obsolet. Plötzlich lernen die Älteren etwas von den Jungen, die eine kürzere, aber oft intensivere Berufserfahrung haben.