Frau Fahr, in letzter Zeit häufen sich Klagen über zu viel Außenwerbung. Brauchen wir jetzt auch noch welche in der Natur?
Da haben Sie schon irgendwie recht, die Natur ist der letzte Raum ohne Werbung. Ich empfinde meine Field Ads trotzdem nicht als störend. Die Felder sehen einfach wunderschön aus. Riesengroß, ein Blütenmeer, die Menschen freuen sich und lächeln. Es wuselt von Bienen und Hummeln. Für die Natur ist das auf jeden Fall sinnvoll.
Und was haben Marken davon?
Sie werden mit Natürlichkeit und Umweltfreundlichkeit in Verbindung gebracht, und das über einen längeren Zeitraum hinweg als in der Plakatwerbung üblich. Auch der Preis könnte interessant sein, wenn man ihn zum Beispiel mit einer Werbetafel im Flughafen vergleicht.
Zielgruppe sind also Flugreisende?
Einflugschneisen sind tatsächlich gute Standorte. Ich habe im vergangenen Jahr aber auch zwei Logos in Hangflächen gesät, die man gut von der Straße aus sehen konnte. Fotos und Videos lassen sich für die Firmenwebsite oder auf Social Media nutzen.
Was kostet ein blühendes Logo?
Grob gesagt zwischen 5000 und 50.000 Euro, je nachdem welche Pflanzen benötigt werden und wie groß die Fläche ist. Drohnenfotos und -videos sind im Preis enthalten.
Wie sind Sie überhaupt auf die Idee gekommen?
Bei uns machen junge Bauern auf diese Weise Heiratsanträge.
Wie bitte?
Ja, es wird die Frage eingesät „Willst du mich heiraten?“, dazu der Name oder ein Herz. Da dachte ich mir, mit Logos lässt sich daraus ein Geschäftsmodell machen. Meine Eltern haben Landwirtschaft, 120 Hektar, und so konnte ich es auf unseren eigenen Flächen ausprobieren. Im März 2022 hatte ich die Idee, im Juli haben wir die ersten Felder gesät.
Das ging ja schnell.
Wir haben Bekannte gefragt, jemanden von Edeka, von der Sparkasse und von Cowa, einem größeren Arbeitgeber in Gottmadingen. Ich habe kein Geld genommen, es ging darum, Erfahrungen zu sammeln. Die Pilotkunden waren sehr positiv. In diesem Jahr kommen die ersten richtigen Aufträge.
Von wem?
Angesprochen hat mich ein Industrieunternehmen, das in der Einflugschneise des Flughafens Zürich liegt und 100-jähriges Jubiläum feiert. Weitere Anfragen kamen von einer Schuhmarke und einer Airline, auch die Sparkasse will wieder etwas machen. Ich gehe auch selbst auf Unternehmen zu, von denen ich denke, dass ihre Produkte gut zu Field Ads passen würden, Lebensmittelhersteller zum Beispiel.
Wie können Unternehmen wissen, ob ihre Werbung wirkt?
Es gibt noch keine Studien darüber. Interessant wäre zum Beispiel, wie viele Flugpassagiere die Werbung wahrnehmen. Ich gehe aber davon aus, dass es jede Menge Mundpropaganda gibt. Im vergangenen Jahr habe ich jedenfalls begeistertes Feedback bekommen, inklusive Fotos, die Leute von der Straße oder vom Flugzeug aus gemacht haben.
Machen Ihre Werbefelder nicht dem Getreideanbau Konkurrenz?
Aber nein, wir säen die Blüten als sogenannte Zwischenfrucht, nachdem das Getreide geerntet wurde.
Die Zwischenfrucht laugt den Boden nicht aus?
Im Gegenteil. Sie lockert den Boden und wird auf dem Acker belassen, verrottet und sorgt so für neuen Humus.
Wie lange läuft die Werbung also?
Ungefähr von August bis März. Nach der Aussaat im Juni oder Juli dauert es vier bis sechs Wochen, bis es keimt. Man sieht das Logo zunächst in verschiedenen Grüntönen, nach weiteren vier Wochen blüht das Feld. Auch im Winter bleibt der Kontrast durch die unterschiedlichen Grüns deutlich bestehen.
Welche Blumen eignen sich?
Unzählige. Klee für Rot, Senf für Gelb, Buchweizen und Rettich blühen weiß, Phacelia blau, um ein paar Beispiele zu nennen. Die Kunden können aus einem Farbkatalog auswählen.
Technisch funktioniert die Aussaat wie?
Traktoren mit einem automatischen Lenksystem fahren die Spuren ab, die ich per Computer eingegeben habe.
Auch ein Start-up im Raum München, Geoxip, bietet Ackerwerbung an. Was unterscheidet Sie?
Nicht viel. Wer mich beauftragt, hat die Sicherheit, dass ich mich von Anfang bis Ende persönlich um das Projekt kümmere. Geoxip ist ein größeres Team, in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft. Wir kennen uns, haben auch schon telefoniert. Die Werbeform ist ja neu, bestimmt wollen viele Unternehmen sie ausprobieren. Da ist Platz für uns beide.
Wenn es im Pilotjahr gut läuft – wie geht es weiter?
Derzeit arbeite ich noch als Maschinenbauingenieurin, Field Ads läuft eher nebenher. Nach zwei bis drei Jahren möchte ich aber von dem Projekt leben können. Mein Ziel ist, den Service deutschlandweit anzubieten. Mich kann also auch jemand ansprechen, der in den Einflugschneisen von Köln-Bonn oder Stuttgart werben will. Ich miete dann geeignete Flächen von Landwirten.
Eine gute Woche noch, liebe Leser*innen, und behalten Sie die Zukunft im Blick!