Safety First 

In Zeiten, in denen das Marketing von Veränderungen getrieben wird und KI allgegenwärtig ist, sollte man nicht nur nach vorne schauen, sondern auch um sich herum, nach links und rechts. Ein Plädoyer für mehr Sicherheit.
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Sandra Harzer-Kux ist Mitglied im GWA-Vorstand und Sprecherin der Geschäftsführung von Territory. (© Privat, Montage: Olaf Heß)

Es gab sie früher oft, die Agenturen und Unternehmen, in denen alles top down entschieden wurde. Die Hierarchie befand über Ideen, das C-Level hatte grundsätzlich die besten Einfälle, Kreation musste vor allem dem Chef gefallen und Junior*innen durch eine harte Schule gehen. Es wurde in starren Strukturen gearbeitet und berichtet. 

Zum Glück hat sich dies stark gewandelt. Wir alle wissen (sollten wissen), dass Ideen nicht Hierarchie-gebunden sind und ein Team immer stärker ist, wenn es zusammenhält. Nachweislich schaffen Menschen die besten Resultate, wenn sie sich sicher fühlen. Der Rahmen für eine gute (Team)Zusammenarbeit ist Respekt, eine wertschätzende Feedbackkultur und die Möglichkeit, ohne Verurteilung Ideen, Fragen, Bedenken oder Fehler zu äußern. Dies alles fasste die Harvard-Professorin Amy Edmondson unter „psychological safety“ zusammen.  

Hierarchien funktionieren in der digitalen Welt nicht 

Doch warum ist das jetzt so wichtig? Zum einen sollte psychologische Sicherheit der Grundsatz einer jeden Unternehmensführung sein, fernab von diesem Selbstverständnis hat dies aber auch einen wirtschaftlichen Faktor. Denn Hierarchien funktionieren in einer digitalen Welt nicht. Man stelle sich eine vergangene Berichtslinie im Communitymanagement vor: Unvorstellbar beim wöchentlichen Jour fixe Vorschläge in großer Runde zu diskutieren.  

Entscheidungen und Maßnahmen müssen zeitnah getroffen werden, Agilität und Schnelligkeit sind Kerngeschäft von Agenturen. Aber Mitarbeitende können nur schnell, agil und selbstbewusst agieren, wenn sie sich sicher fühlen und wissen, dass auch Entscheidungen, die nicht erfolgreich waren, vom Team getragen werden. Psychologische Sicherheit ist also ein Grundsatz für das Arbeiten in der digitalen Welt.  

Offenheit ist mühsam – viel schlimmer ist es, wenn sie fehlt 

Was in den jeweils in sich geschlossenen Systemen von Agentur und Unternehmen immer besser funktioniert, kommt in der Beziehung Agentur/Kunde häufig an die Grenzen. Denn wenn der Druck wächst, greift der Mensch gerne zu alten, bewährten Mustern. Das Wort „Dienst – leisten“ wird wörtlich genommen – performen, abliefern, Timings halten, keine unnötigen Schwierigkeiten adressieren.  

Doch müsste nicht genau auch hier das Prinzip der psychologischen Sicherheit greifen? Agentur und Unternehmen sollten in einem angstfreien Raum agieren, Zweifel artikulieren, direkt über Schwierigkeiten sprechen, gemeinsam sich Nichtwissen zugestehen und zusammen nach Lösungen suchen. Denn was für ein Potenzial wird verschwendet, wie viel Mittelmäßiges entsteht an dieser Reibungsfläche. So versickern oft Ideen, Zeit wird vergeudet, Talent ignoriert, Stress kultiviert, Vertrauen gar nicht erst aufgebaut. Ja, Offenheit ist mühsam, aber viel schlimmer ist es, wenn sie fehlt.  

Also, wie wäre es, wenn wir in der Agentur/Kunden Zusammenarbeit jenseits von Kosten auch kontinuierlich über unseren Umgang miteinander sprechen würden, uns gegenseitig einen sicheren Raum zusichern würden, mit allen Chancen, die darin liegen. Ich sehe eine agile, digitale, kreative und wertschätzende Zukunft für Kunde und Agentur. 

Sandra Harzer-Kux ist Mitglied im GWA-Vorstand und Sprecherin der Geschäftsführung von Territory. Die Kolumnistin schreibt über die Beziehung von Kunden und Agenturen.