RPA: Der Zauberlehrling lernt dazu 

„Nutzt Du schon KI?“ Seit ChatGPT den Hype gestartet hat, grassiert die „Fear of Missing Out“. Doch ohne Sinn und Verstand wird’s oft Mist. Unsere Serie zeigt, wofür man welche Art von KI sinnvoll einsetzt. Folge 4: RPA.
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Beim Einsatz von Robotischer Prozessoptimierung (RPA) ist es wichtig, Regeln für zulässige Wege vorzugeben. (© Olaf Heß)

„Leistungsloses Einkommen“ wird in der Politik meist als Schimpfwort verwendet. Doch seien wir ehrlich: In der Geschichte der Menschheit ist dieser Traum eine mächtige Triebfeder. Mit Robotischer Prozessautomatisierung – RPA – kommen wir ihm ein ganzes Stück näher. Denn hier übernehmen Programme für uns entlang eines Prozesses alle Arbeit. 

Automatisierung gibt es schon viel länger als KI. Doch intelligente Algorithmen übernehmen auch hier und sollen das „Zauberlehrling-Problem“ bewältigen: Rein regelgeleitete, nicht-lernende Automationsstrecken können eine Aufgabe stumpf weiter ausführen, selbst wenn das nicht mehr in unserem Sinn ist. Da liegt es nah, sich die Programme kontinuierlich selbst überprüfen zu lassen, um sicherzustellen, dass unsere Ziele – nicht nur der Wortlaut einer Anweisung – der Leitstern sind. 

Ziele präzise definieren 

Prozesse, die wir automatisieren wollen, müssen wir digital abbilden, genau beschreiben und mit genug Daten hinterlegen, dass die Algorithmen kalibriert werden und lernen können. Und wir müssen präzise definieren, welche Ziele wir setzen (zum Beispiel möglichst hoher Kundenwert zu möglichst niedrigem CPA), wie diese zueinander in Hierarchie stehen (zum Beispiel ab welchem CPA macht man Kompromisse beim Kundenwert, statt noch mehr Geld pro Lead zu bezahlen?) und mit welchen KPI aus welchen Systemen das Programm dies entscheiden soll.  

Anwendungen in Marketing und Vertrieb sind beispielsweise: 

  • Automatische Anpassung von Preisen an Wettbewerb und (vermutete) Preisbereitschaft auf Basis von CRM-, Webanalytics- und Web-Crawling-Daten 
  • Live-Sortierung und Bündelung der Produkte passend zum Nutzerverhalten (Next Best Offer, Recommendation Engine) mittels CRM-/Webshop-Daten 
  • Selbstständige Ansprache von Kontakten per E-Mail, LinkedIn und Co. unter Rückgriff auf CRM- und Social-Media-Daten 
  • Automatische Konfiguration und Schaltung von Werbemitteln inklusive Real Time Bidding mit DSPs und DMPs 
  • Vertriebs- und Kundenservice-Chatbots aufbauend auf CRM-, Webanalytics-, und Knowledge-Base-Daten 

Solche Automationsstrecken können über 90 Prozent des Personalaufwandes reduzieren und dabei zugleich effizientere Ergebnisse erzielen. Allerdings ist auch mit Machine Learning der „Zauberlehrling“ nur klüger geworden – der „alte Meister“ ist er immer noch nicht, da es unmöglich ist, allen Kontext, der in Markenführung und Customer Experience wichtig ist, ins System einzuspeisen.  

Klare und durchdachte Regeln vorgeben 

Daher setzen erfolgreiche Unternehmen beim Einsatz von RPA nicht nur Ziele, sondern geben auch klare, durchdachte Regeln für zulässige Wege vor. Tun wir dies nicht, entscheiden die Programme schnell anders, als wir das wollen. So könnte es effizienter sein, einen Interessenten, der laut Prognose nicht kauft, rüde aus dem Chat zu verjagen, um Kapazitäten für bessere Leads freizusetzen. Oder hervorragende Leads einzusammeln, indem mit schlüpfrigen Sprüchen auf Fremdgeh-Seiten geworben wird – schließlich sind es keine geblacklisteten Pornoportale.  

Wir müssen also vorher viele Szenarien durchdenken – und regelmäßig überprüfen, was die RPA tut, Grenzfälle identifizieren und damit die Leitplanken laufend verfeinern. Es gilt weiterhin Robert Heinleins unsterblicher Satz: there ain’t no such thing as a free lunch. 

ist Gründer und CEO von Hase & Igel, dem Unternehmen hinter der Neutrum.AI Plattform und den darauf basierenden Softwareprodukten für intelligente Entscheidungen im Markt. Auch nach vielen internationalen Awards für die Analytische KI seiner Firma kann der Chef immer noch nicht programmieren, sondern steht zu seinen Wurzeln in Marketing, Vertrieb und Unternehmenskommunikation.