Einkaufen funktioniert am besten in Wohlfühlatmosphäre. Der deutsche Einzelhandel gibt deshalb Jahr für Jahr viel Geld aus für angenehme Temperaturen, gute Beleuchtung und Bequemlichkeit in Supermärkten und Warenhäusern. Doch angesichts explodierender Energiekosten und des drohenden Gasmangels muss die Branche jetzt auf die Bremse treten und sparen. Die Herausforderung dabei: Der Kunde soll davon nichts merken.
Tatsache ist: Energie ist ein großer Kostenblock im Einzelhandel. Allein die Rewe-Supermärkte verbrauchen nach Angaben des Unternehmens soviel Strom wie 750.000 Haushalte – rund die Hälfte für die Kühlung von Waren, ein weiteres Viertel für die Beleuchtung. Die durchschnittlichen Energiekosten für einen 1000 Quadratmeter großen Supermarkt hätten sich durch die Energiepreiserhöhungen bereits von 80.000 Euro im Jahr auf 140.000 Euro erhöht, sagte Rewe-Chef Lionel Souque bei der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung in Düsseldorf. Mit ähnlichen Kostenexplosionen dürften auch allen anderen großen Handelsketten zu kämpfen haben.
Leutreklamen müssen um 22 Uhr abgeschaltet werden
Dass die Bundesregierung angesichts des drohenden Gasmangels eine Verordnung über kurzfristige Maßnahmen zur Energieeinsparung beschlossen hat, in der unter anderem festgelegt wurde, dass Leuchtreklamen und Werbetafeln seit vergangenem Donnerstag um 22 Uhr ausgeschaltet werden müssen und dass Ladentüren zu beheizten Geschäftsräumen im Einzelhandel nicht mehr dauerhaft offen stehen dürfen, trifft im Handel deshalb durchaus auf Zustimmung.
Was aber nicht heißt, dass das Ganze im Einzelfall keine Probleme macht. „Durch geschlossene Türen kann natürlich ein großer Beitrag zum Energiesparen geleistet werden. Zugleich kommen aber weniger Kunden in das Geschäft“, beschreibt der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland (HDE), Stefan Genth, das Dilemma. Helfen sollen Plakate mit dem Slogan „Tür zu, Geschäft geöffnet“, die künftig an vielen Eingangstüren im Handel zu sehen sein dürften.
Rolltreppen und Schaufensterbeleuchtung abschalten
Doch auch über die Vorgaben der Energiespar-Verordnung der Bundesregierung hinaus ist der Handel dabei, an vielen Stellschrauben zu drehen, um Energie zu sparen. Deutschlands größer Möbelhändler Ikea etwa nimmt auch die Rolltreppen ins Visier. „Je nach technischen Gegebenheiten steuern wir auch die Rolltreppen in unseren Einrichtungshäusern nach Frequenz, so dass sie nur bei Bedarf Energie verbrauchen“, teilte der Möbelriese mit. Sicherheitshalber fügte er hinzu: „Es ist aber nicht geplant, den Betrieb der Rolltreppen generell einzustellen.“ Schließlich sei auch die Zugänglichkeit der Verkaufsflächen wichtig.
Die Textilkette C&A entwickelte bereits ein einheitliches Maßnahmenkonzept für alle Stores in Deutschland. Vorgesehen sei darin nicht zuletzt „der reduzierte Betrieb der Kälte- und Wärmeanlagen, während der Öffnungszeiten, sowie das Abschalten der Rolltreppen und der Schaufensterbeleuchtung außerhalb der Öffnungszeiten“, berichtete das Unternehmen.
Waren in beheizten Zonen bündeln
Die Baumarktkette Hornbach richtete einen interdisziplinären Krisenstab ein, der einen Stufenplan entwickelte. Dieser umfasst zum Beispiel die Absenkung der angestrebten Raumtemperaturen innerhalb von bestimmten Zonen der Baumärkte. „So ist beispielsweise vorgesehen, temperaturempfindliche Ware wie Zimmerpflanzen, Tierfutter oder Spachtelmasse in höher beheizten Zonen zu bündeln oder durch Abdeckungen zu schützen“, berichtete das Unternehmen.
Aldi Nord prüft, wann und wo bestimmte Beleuchtungen in und an den Märkten sowie in den Logistikzentren abgestellt werden können, ohne die Sicherheit von Menschen zu gefährden. „Ferner haben wir die gezielte Absenkung oder Abschaltung von Heizungsanlagen im Blick“, teilte der Discounter mit. Die Drogeriemarktkette Rossmann betonte, sie verzichte nicht nur nachts auf die Beleuchtung der Werbeanlagen. „Hier haben wir jetzt noch optimiert und beleuchten einige Schriftzüge auch tagsüber gar nicht mehr.“
Vor einigen anderen Maßnahmen schrecken Händler aktuell dagegen noch zurück. So sagte Rewe-Chef Souque, dass an eine Verkürzung der Öffnungszeiten bisher noch nicht gedacht sei. Grundsätzlich sei es das Ziel der Rewe-Gruppe, „einen größtmöglichen Beitrag zu den bundesweit notwendigen Einsparungen zu leisten, ohne Einschränkungen für unsere Kundinnen und Kunden zu erzeugen“, betonte das Unternehmen. Dieses Ziel teilt Rewe wohl mit den meisten anderen Händlern. So versprach auch Rossmann, die Sparmaßnahmen würden für Kundinnen und Kunden „kaum spürbar sein“.
Von Erich Reimann, dpa