Kreislaufwirtschaft braucht nachwachsende Rohstoffe. Zum Beispiel Algen. Lange wurde ihr wirtschaftliches Potenzial hierzulande wenig beachtet, wenn man von einigen B2B-Anwendungen absieht. Jetzt aber gewinnen sie auch bei Konsumartikeln an Popularität. „Algen sind hochinteressant und werden sicherlich in den nächsten Jahren ihre Nischen finden“, sagt Olaf Kruse, Professor am Zentrum für Biotechnologie der Universität Bielefeld, im Interview mit dem hauseigenen Videokanal research tv.
Das Berliner Startup Vyld beispielsweise möchte einen „Tangpon“ entwickeln, einen Tampon aus Meeresalgen, der biologisch abbaubar ist, gesund für den Körper und freundlich zum Planeten. „Meeresalgen reduzieren Treibhausgase und reinigen das Meer, indem sie große Mengen an CO₂ und Stickstoff binden“, schreibt Gründerin Ines Schiller auf der Crowdfunding-Plattform Startnext. Dort sammelte sie in den vergangenen Wochen Kapital für die Beta-Phase der Innovation. Zum Stichtag 10. Oktober hatten rund 330 Unterstützer*innen mehr als 82.000 Euro gespendet, zuvor hatten schon Impact Funds wie The Case for Her oder Purpose Ventures investiert. Frühestens im Sommer 2023 könnte das Produkt auf den Markt kommen. Klar ist aber schon jetzt, dass die Tangpons deutlich teurer sein werden als herkömmliche Tampons.
Algen verwandeln konventionelle Ware in Premiumprodukte
Klimafreundlich, proteinreich und von stabiler Struktur – Algen eignen sich für viele Zwecke. Auch für Schuhe. Die österreichische Firma Giesswein etwa bietet neuerdings „Eco Slides“ an – Badeslipper für Damen und Herren mit einer „ultraleichten Performance-Sohle mit Algenbiomasse“, durch die pro Paar angeblich 23 Liter Wasser und 23 Kubikmeter Luft gereinigt werden. Der Algenanteil liegt nach Angaben der Firma zwar lediglich bei acht Prozent (den Rest machen EVA-Kunststoff und Gummi aus). Er katapultiert die optisch recht konventionellen Schlappen jedoch flugs ins Premium-Segment: Ein Paar kostet 55 Euro.
Europa steht bei der kommerziellen Algenproduktion noch am Anfang. Der größte Teil der weltweiten Ernte, rund 97 Prozent, stammt aus Aquakulturen in Asien, wie ein Überblick des Joint Research Centre der Europäischen Kommission zeigt. Die EU fördert Algenanbau im Rahmen ihres „Green Deal“. Kritische Stimmen warnen allerdings vor zu starken Eingriffen in den Lebensraum Meer, schließlich stören massenhafte Ernten im Wildbestand wie auch riesige Zuchtanlagen das natürliche Gleichgewicht. „Um die nachhaltige Entwicklung zu fördern, müssen wir das Ökosystem in den Blick nehmen“, räumt die Europäische Kommission ein.
Spannend ist da der Ansatz der „North Sea Farmers“, eine Algenfarm innerhalb eines Windparks einzurichten. Bei den North Sea Famers handelt es sich um eine Interessenvertretung von rund 100 algenproduzierenden und -verarbeitenden Unternehmen. Eindrucksvoll ist das Pilotprojekt nicht nur wegen seiner Dimension – ein zunächst 40, später 100 Hektar großes Gelände. Sondern auch wegen der prinzipiellen Überlegung, für die Algenzucht Räume zu nutzen, in die der Mensch bereits eingegriffen hat. Das dürfte die Umwelt weniger schädigen als die Erschließung bislang unangetasteter Areale.
Fraunhofer-Tagung zu pflanzlichen Lebensmitteln
Auch wenn Algen genau genommen keine Pflanzen sind – ihre Attraktivität für Verbraucher*innen könnte auch auf den „Zukunftstagen“ des Fraunhofer-Instituts für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV zur Sprache kommen, bei denen es am 17. und 18. November um pflanzliche Lebensmittel und Fleischalternativen geht. Schließlich erfreuen sich Algen als Superfood zunehmender Beliebtheit, ob als Snack, Salat oder Beimengung in Smoothies. Auch daraus lässt sich ein Business machen, wie der Online-Shop Algenladen zeigt: 2018 gestartet, präsentiert er heute nach eigenen Angaben Deutschlands größtes Sortiment an essbaren Algen und algenhaltigen Lebensmitteln.
Da wir schon bei Terminen sind: Am 16. und 17. November findet in Gütersloh die Jahrestagung der Unternehmervereinigung BAUM statt, die sich als Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften versteht. Gastgeber ist der Geschäftsführende Gesellschafter von Miele, Markus Miele. Einen Impulsvortrag hält Jule Bosch, regelmäßigen Leser*innen der absatzwirtschaft auch bekannt durch Kolumnen, die sie gemeinsam mit ihrem Partner Lukas Bosch verfasst. Viel Spaß in Ostwestfalen.
Eine gute Woche noch, und behalten Sie die Zukunft im Blick!