RMS-Manager Bachér über Podcasts: „Noch ein langer Weg“

Im Interview erklärt Frank Bachér, Leiter des Geschäftsbereichs Digitale Medien bei RMS, wie der Audio-Vermarkter seinen Umsatzanteil über Podcasts steigern will und warum Unternehmen unbedingt eine eigene Voice-Identität brauchen.
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RMS-Manager Bachér: "Die native Einbindung von Werbung über den jeweiligen Podcast-Host kann schnell an Glaubwürdigkeit verlieren." (© RMS)

Herr Bachér, es gibt neben vielen positiven Beispielen auch viele Podcasts, die entweder schlecht produziert oder zu langatmig sind. Welches Format gefällt Ihnen am besten?

FRANK BACHÉR: Für meinen persönlichen Geschmack ist eine Podcast-Länge von 20 bis 30 Minuten genau richtig. Das Schöne an der neuen Podcast-Vielfalt ist aber, dass es für jeden Bedarf ein Thema, ein Format und ein Publikum gibt.

Wie viele Podcasts vermarktet RMS aktuell?

Wir haben momentan rund 75 Podcasts in der Vermarktung. Das sind vor allem die Podcasts unserer privaten Radiosender, es sind aber auch Publisher wie TV Spielfilm oder Rocket Beans dabei.

Wie hoch ist der Umsatzanteil, den RMS über die Vermarktung von Podcasts erzielt?

Im Verhältnis zu unserem sehr guten UKW-Geschäft ist der Umsatzanteil aus der Podcast-Vermarktung trotz stark wachsender Umsätze noch gering, aktuell liegt er bei unter einem Prozent.

Woran liegt das?

Das hat vor allem mit dem fragmentierten Podcast-Markt zu tun – es gibt nach letzten Analysen über 17.000 Angebote. Wir haben in unserem Portfolio durch unsere Gesellschafterstruktur sehr große Reichweiten im klassischen Radio- sowie im Online-Audio-Bereich. Im kleinteiligen Podcast-Markt müssen wir solche Reichweiten erst noch aufbauen.

Wie gehen Sie dabei vor?

Wir sprechen nicht nur mit einzelnen Podcast-Anbietern, wir kooperieren auch mit Aggregatoren, die Herstellung, Produktion und Technologie für mehrere Podcasts bündeln.

Oft nutzen Podcast-Anbieter in der Vermarktung sogenannte „Host-Reads“. Wird dieses native Werbeformat der Ad-Server-basierten Audio-Werbung langfristig standhalten können?

Derzeit wird in Deutschland noch mehr native Werbung gemacht. Hier wird die Authentizität eines Hosts für Produkte oder Unternehmen genutzt. Insbesondere für die Medienunternehmen unter den Podcast-Anbietern wird dieses Format zum Drahtseilakt. Wenn der Host neben den inhaltlichen Nachrichten auch die werblichen Informationen vorliest, kann die Trennlinie zwischen Redaktion und Vermarktung nicht mehr sauber gezogen werden. Zudem kann die native Einbindung von Werbung über den jeweiligen Podcast-Host auch schnell an Glaubwürdigkeit verlieren, wenn er beispielsweise in der einen Woche das E-Modell von Audi und in der darauffolgenden Woche den SUV von Volkswagen bewirbt. Zu guter Letzt glaube ich, dass der Ad-Server-basierte Ansatz kurz- bis mittelfristig auch deshalb deutlich wachsen wird, weil sich die Lösung deutlich besser skalieren lässt.

„Der Anteil digital ausgespielter Online-Audio-Werbung in Deutschland lag 2019 bei rund 60 Millionen Euro. Unser Anspruch ist es, künftig zehn Prozent davon über Podcasts zu machen.“

Frank Bachér, Leiter des Geschäftsbereichs Digitale Medien, RMS

Wie groß ist Ihre Wachstumsfantasie?

Der Anteil digital ausgespielter Online-Audio-Werbung in Deutschland lag 2019 bei rund 60 Millionen Euro. Unser Anspruch ist es, künftig zehn Prozent davon über Podcasts zu machen. Da haben wir in der Podcast-Vermarktung noch einen langen Weg vor uns.

Wie unterscheidet sich Podcast-Werbung von Botschaften in anderen Audio-Formaten?

Podcasts liefern eine spannende Facette, die in der Audiolandschaft neu ist: spezifische Themenumfelder. Im Radio gibt es zusätzlich zur Musik zwar Nachrichten, Wetter und regionale Informationen. Die klassische Umfeld-Logik, die man von Fachzeitschriften und von Webseiten kennt, können wir nun erstmals durch Podcasts so themenspezifisch im Bereich Audio anbieten. Die Gleichung dahinter ist recht simpel: Spezifischere Inhalte ermöglichen den Werbekunden besser zugeschnittene Werbebotschaften und werden schließlich auch höhere Preise in der Vermarktung zur Folge haben.

Wird der ROI bei Podcast-Werbung im Vergleich zu anderen Audio-Formaten ebenfalls höher sein?

Radio ist bei der Aktivierung der Hörer extrem stark. Der Lebensmitteleinzelhandel ist das beste Beispiel dafür – gerade zum Wochenende wird hier viel Werbung geschaltet. Der durchschnittliche Kampagnen-ROI liegt über sechs Euro, wenn wir die LEH-Radiowerbung mit unserem Analysetool Audioeffekt untersuchen. Für Podcast-Kampagnen können wir das zum jetzigen Zeitpunkt noch gar nicht in der Tiefe belegen. Aber wenn man die Impulskraft von Audiowerbung mit der eben angesprochenen thematischen Passgenauigkeit von Podcast-Botschaften kombiniert, dann erwächst daraus ein riesiges Potenzial für den Werbemarkt. Der US-amerikanische Markt ist mit rund 600 Millionen US-Dollar, die 2019 in Podcast-Werbung geflossen sind, schon deutlich weiter.

Und wie sieht es bei Voice Advertising im Allgemeinen aus?

Hier stehen wir noch am Anfang und realisieren erste Pilotkampagnen. Für ein funktionierendes und vermarktungsstarkes System sind zunächst mal zwei Dinge grundlegend. Erstens brauchen wir in Deutschland schlichtweg noch mehr Reichweite, also Nutzer von Smart Speakern. Und Zweitens müssen wir die theoretischen Reichweiten der mobilen Endgeräte noch besser ausschöpfen. Das heißt ganz praktisch, dass wir Nutzer dazu bekommen müssen, dass sie ihre Mikrofone anstellen, um via Sprache mit dem Werbemittel interagieren zu können. Diese schwer herzustellende Interaktivität bei Smartphone-Nutzern ist deutlich herausfordernder, das müssen auch unsere Sender mit spannenden Services unterstützen.

Was folgt danach?

Es gibt außerhalb Deutschlands bereits Cases, bei denen die Engagement-Rate von Nutzern bei Voice Advertising bei rund 13 Prozent lagen. Das ist ein extrem hoher Wert, wenn ich mir anschaue, dass durchschnittliche Klickraten auf Online-Banner bei 0,1 Prozent liegen. Über die Sprache mit Kunden zu interagieren, wird definitiv ein Thema, das sich Werbungtreibende aneignen müssen.

Wie lautet Ihre Prognose für den Audio-Markt?

Audio wird als Gattung gewinnen. Vor allem, weil neben der linearen Welt mit weiterhin sehr reichweitenstarken Radio-Angeboten eine digitale On-Demand-Welt entsteht, die viel Potenzial hat. Daneben wird künftig von Voice Search bis Voice Commerce immer mehr über Sprache gesteuert. Das führt in der Konsequenz auch dazu, dass Unternehmen eine eigene Voice-Identität brauchen. Sie müssen sich überlegen, mit welcher Stimme, mit welchem Sound-Logo und mit welchen interaktiven Produkt- und Werbeinhalten sie in dieser neuen Welt stattfinden wollen.


Vita Frank Bachér

Frank Bachér ist seit November 2016 Leiter des Geschäftsbereichs Digitale Medien bei RMS. Zuvor war er unter anderem als Geschäftsführer Nordeuropa bei der Real-Time-Trading-Plattform Rubicon Project sowie als Vice President Online und Central Europe beim Anbieter für Reisebuchungstechnologie Sabre Travel Network tätig. Zu Bachérs weiteren beruflichen Stationen zählen Interactive Media, die eBay Advertising Group, Tomorrow Focus sowie die Verlagsgruppe Milchstraße und Axel Springer.


(he, Jahrgang 1987) – Waschechter Insulaner, seit 2007 Wahl-Hamburger. Studierte Medien- und Kommunikationswissenschaften und pendelte zehn Jahre als Redakteur zwischen Formel-1-Rennstrecke und Vierschanzentournee. Passion: Sportbusiness. Mit nachhaltiger Leidenschaft rund um die Kreislaufwirtschaft und ohne Scheuklappen: Print, live, digital.