Wenn wir mal eine kulturell-gesamtgesellschaftlich Perspektive einnehmen: Glauben Sie, dass sich mit Online Audio ein Massenmarkt erschließen lässt? Gerade bezüglich der Smart Speaker sind Leute ja sehr kritisch und sorgen sich um ihre Daten.
Ich höre das auch häufiger. Es gibt ja tatsächlich ein paar skurrile Geschichten. Ich bin da aber sehr pragmatisch. Hat zum Beispiel Amazon wirklich ein Interesse den ganzen Tag mitzuhören, was gesprochen wird? Zudem wird Alexa nur aktiviert, wenn ich sie über den entsprechenden Befehl starte.
Könnten ja Dritte sein, gar nicht Amazon, Google & Co. selbst, die an den Audio-Mitschnitten interessiert sind.
Ich glaube, dass der Nutzen entscheidet. Das hat man kürzlich bei Facebook gesehen. Da hat sich unsere Justizministerin gewundert, warum der Datenskandal nicht viel mehr Aufsehen erregt hat – und auch Reaktanz. Von meinen 350 Facebook-Freunden hat genau einer geschrieben, dass er nicht mehr auf dem Netzwerk aktiv sein wird. 349 andere sind ähnlich aktiv wie vorher. Spürbar war der Datenskandal hinsichtlich der Nutzung nicht.
Somit gilt die Regel: Je nützlicher die Smartspeaker werden, desto schwächer die Bedenken.
Wenn der Nutzer mit dem Smartspeaker einen ähnlich hohen Nutzwert sieht, wird er darauf trotz Datenschutzbedenken nicht verzichten. Da sind aber auch die Hersteller gefordert. Als Amazon, Apple, Google & Co. würde ich viel offensiver damit umgehen. Da geht’s um eine genaue Kommunikation der Funktionsweise. Ich verstehe nicht, warum die Unternehmen derart zurückhaltend sind. Dadurch entsteht der Eindruck, dass die etwas verheimlichen, im Zweifel mithören und die Daten ohne unser Wissen für eigene Zwecke ausnutzen.
Als Amazon, Apple, Google & Co. würde ich viel offensiver mit Datenschutz umgehen
Wie hat sich der Anteil der programmatischen Werbung in den vergangenen Jahren entwickelt?
Als ich 2016 zum Jahresende als Digitalchef bei RMS angefangen habe, betrug der Anteil durch automatisierte Prozesse am Gesamtumsatz drei Prozent, vergangenes Jahr bereits zehn Prozent und in diesem Jahr sind es schon 30 Prozent. Kürzlich war ich beim Digital Advertising Summit vom Verband Deutscher Zeitschriftenverleger und da habe ich einige Kollegen befragen können, wie hoch deren programmatischer Buchungsanteil ist. Offiziell liegt er um die 40 Prozent, aber dort hieß es, dass er eher bei 30 Prozent einzuordnen ist. Innerhalb von zwei Jahren sind wir mit den 30 Prozent, die wir 2018 erreichen werden – auch im Vergleich zu Verlags-Websites – auf dem Niveau der klassischen Display-Werbung. Das ist eine beeindruckende Entwicklung, die dadurch getrieben ist, dass insbesondere große Agenturketten wie Omnicom oder Group M ihre Geschäfte auf automatisierte Buchungen umstellen.
Wohin geht die Reise?
Ich bin der festen Meinung, dass Online Audio ein weiterer digitaler Buchungskanal wird. Momentan sind wir vor allem auf Agenturseite noch sehr nah dran an UKW. Die Kollegen, die UKW planen, übernehmen die Buchung von Online Audio. Das wird sich mittelfristig deutlich mehr in die Digitalplanung verschieben. Dann gibt es Display, Video, Mobile, Digital-out-of-Home, IPTV und Online Audio. Deshalb ist die Datenplattform so wichtig, damit wir die gleichen Buchungsprozesse anbieten können.
Inwieweit wird der sich vergrößernde Markt die Konkurrenz beleben?
Es gibt klare Signale dafür, dass er sich vergrößert. Wir reden ja auch mit deutschen Technikanbietern, die sich sehr optimistisch bezüglich Programmatic zeigen. Der limitierende Faktor ist derzeit noch die Marktgröße im Online-Audiobereich. UKW ist davon ausgenommen, denn da haben wir einen knapp 800 Millionen Euro starken Werbemarkt in Deutschland. Bei Online Audio gab es in 2017 einen 35 Millionen Euro Werbemarkt, in diesem Jahr werden es knapp 50 Millionen Euro sein. Für Ad Server-Anbieter oder als Demand-Side-Plattform oder Sell-Side-Plattform ist das ein recht kleiner Markt. Aber die Bereiche Mobile und Video haben vor zehn Jahren ebenfalls so angefangen und gerade Video ist in den vergangenen Jahren hierzulande zu einem großen Markt geworden, der mehrere hundert Millionen Euro Umsatz macht. Ähnliches ist für Online Audio zu erwarten. Wenn dieser Markt auf 100 Millionen Euro und mehr hochgeht, kommen größere internationale Player auf den Markt, wie es kürzlich Google mit seiner Öffnung der DSP für Online Audio schon getan hat. Wir erwarten, dass sich Amazon gerade vor dem Hintergrund von Alexa und dem deutlichen Ausbau der Vermarktung oder auch Google, überlegen, im Bereich Audio aktiv zu werden. Die Frage ist, wann das passiert. Reden wir von den nächsten zwölf Monaten oder sind es eher die nächsten drei Jahre?
Bei einem 100-Millionen-Euro-Markt kommen auch größere internationale Player
Was schätzen Sie?
Gefühlt sind es eher die nächsten drei Jahre, weil sich die Unternehmen erstmal den Werbemarkt anschauen und gucken, wie er sich entwickelt. Wenn er dann doch 100 Millionen Euro groß ist, könnten auch Amazon & Co. aktiver werden.
Nun könnte man annehmen, dass RMS durch die frühe Marktpräsenz und Investitionen in Technologie einen Vorteil gegenüber Wettbewerbern hat. Oder fürchten Sie sich vor der finanziellen Macht der US-Player?
Wir haben schon eine sehr gute Marktposition. Wir aggregieren heute schon die Reichweite der reichweitenstärksten Sender und gewinnen auch im Podcast-Umfeld deutlich. Wenn ich das mal mit dem Display-Bereich vergleiche, in dem es unter anderem mit Ströer und Media Impact deutsche Wettbewerber gibt, die nach wie vor eine große Relevanz haben. Aber sollten die US-Firmen kommen, entsteht eine neue Marktsituation. Inwieweit das jetzt wirklich unser Geschäft bedroht oder reduziert, ist zu weit weg, um das heute einzuschätzen. Dennoch denke ich, dass das Investment von RMS wichtig ist, um den Markt weiter zu entwickeln. Da gibt es keine Alternativen.