Worin besteht die größte Herausforderung für Online Audio?
Die große Herausforderung ist, dass wir als digitales Medium die Anforderungen der Agenturen, die sie an andere digitale Medien stellen, auch erfüllen müssen: die spezifische und datengetriebene Ansprache von Zielgruppen.
Dazu bringt RMS im Herbst eine Datenplattform an den Start. Was ist damit dann möglich?
Ab der Dmexco (findet am 12./13. September statt, Anm. d. Red.) werden wir Werbetreibenden und Agenturen die Möglichkeit geben, dass sie verschiedene Segmente und Cluster buchen können. Was die Kunden dabei am meisten interessiert: Mann oder Frau, Alter, Interessen, die Bestimmung sozialer Milieus und im besten Fall, was wollen die Leute überhaupt kaufen. Dann kommt alles rund um Geo-Targeting dazu. Kann ich einen Kunden erreichen, der vor einem Lidl steht und kann ich den dann so ansprechen, dass er vielleicht lieber zu Aldi geht? Das sind die klassischen Themen, die wir durch die Analyse unserer Daten buchbar machen wollen.
Audio zeichnet sich durch eine relativ geringe Nutzung von Cookie-basierten Devices aus. Wo kommen denn die Daten her?
Wir nutzen mindestens vier verschiedene Informationsquellen, die zusammenlaufen, von First-Party-Data der Sender über Ad Server und VuMA-Daten bis hin zu externen Daten, die wir kaufen. Wir werden da mit emetriq zusammen arbeiten, einer Telekom-Tochter, und einer der größten Datensammler in Deutschland. Außerdem gehen wir mit einer Firma das Thema Cross-Device-Tracking an. Sprich: Wie ist ein Smartphone-Nutzer auf dem Rechner erkenn- bzw. unterscheidbar? Schließlich untersuchen Datenanalysten diesen Topf und schauen, wie sich daraus Profile generieren lassen, die wir brauchen, um Nutzer nach der erwähnten Segmentierung anzusprechen.
Wird der klassische Mediaplaner nicht mehr gebraucht? Auf jeden Fall, der Job wird jedoch komplexer
Rocket-Internet-Chef Oliver Samwer hat kürzlich beim Branchendienst Horizont gesagt, dass Künstliche Intelligenzen (K.I.) immer wichtiger werden und prophezeit, dass der Mensch wegen der Automatisierung auf der Strecke bleibt. Ein prominentes Beispiel ist die Firma Zalando, die erst Anfang des Jahres vielen Mitarbeitern gekündigt hat. Wie verändert K.I. das Werbegeschäft?
Erstmal geht es derzeit um Anforderungen, die von den Werbungtreibenden kommen und wir als Mediengattung erfüllen müssen. Es gibt inzwischen so viele verschiedene Endgeräte, Buchungsmöglichkeiten und Werbeformen. Das kann ein normaler Mediaplaner heute gar nicht mehr leisten. Das Gute an digitalen Medien ist, dass man die Nutzer am Ende über eine Technologie – Programmatic Advertising – erreichen kann. Darin besteht der Reiz: Themen wie Cross-Device und sogenanntes Frequency Capping – also eine bestimmte Anzahl an Kontakten auf einen Nutzer haben – sind über internetbasierte Medien übergreifend möglich. Über eine Buchungslogik kann ein Werbekunde alle digitalen Medien bespielen. Das ging in der Vergangenheit nicht.
Und da kommt die Künstliche Intelligenz ins Spiel.
Die steckt hinter solchen Prozessen, klar. Aber es würde anders gar nicht gehen. Wird deshalb der klassische Mediaplaner nicht mehr gebraucht? Auf jeden Fall, der Job wird jedoch komplexer. Der Mediaplaner der Zukunft ist jemand, der vor einem Dashboard sitzt und über verschiedene Logiken den Einkauf tätigt und danach den Erfolg trackt. Die eigentliche Mediaplanung findet jedoch verstärkt über Maschinen und K.I. statt, bei der Entscheidungen zum Beispiel im Preisbereich über Real Time Biding getroffen werden. Da wird dann aufgrund automatisierter Prozesse im Zweifel mehr eingekauft. Kein Mensch kann diese Prozesse innerhalb weniger Millisekunden leisten.
Bleibt die Kreativität bei der Automatisierung auf der Strecke?
Es wird auch in einer automatisierten Vermarktungswelt weiterhin ein Anteil von 10 bis 20 Prozent des Budgets für kreative Formate und Ideen verwendet werden. Damit meine ich alle Formen von Sponsoring, Specials und redaktioneller Integration, bei der man etwas macht, was nicht von der Stange kommt. Da entsteht auch weiter kreative Werbung. Daher wird es wohl auch ein Limit für programmatische Werbung geben. Ich schätze, dass dieser bei einem Anteil von 80 bis 85 Prozent liegt – hängt aber auch von der Mediengattung ab. Je mehr Kreativität die Mediengattung entwickelt, desto höher wird der Anteil sein, der nicht automatisiert stattfindet.
Wo sehen Sie das kreative Momentum in einer automatisierten Audio-Werbewelt? Sie hatten vorhin ja bereits das Lidl-Aldi-Beispiel genannt.
Da nenne ich Ihnen ein anderes Beispiel aus dem Feld der Dynamic Voice Activation: Durch die Smart Speaker-Logik ist es möglich, dass man Interaktionsmöglichkeiten in einen Werbespot einbaut. Ganz simpel: Sie laufen durch die Straße, an der Ecke ist ein Café und wir wissen aufgrund von Location-based Targeting, dass sie da lang gehen und spielen einen Spot ein, der ihnen einen Kaffee oder einen Fruchtsaft anbietet. Sie können persönlich über ihr Mikrofon mit der Stimme das Getränk auswählen. Dann sagt der Kunde, er hätte lieber den Latte Macchiato oder den Saft. Nach der Wahl gibt es noch einen passenden Rabatt zum Getränk. Dadurch ergibt sich für Audiovermarkter durch die einfachste Art der Kommunikation, nämlich die Sprache, eine Interaktion mit Werbetreibenden. Diese Chance des Targetings und der programmatischen Auslieferung, und da schließt sich der Kreis, muss künftig mit Kreation verbunden werden. Denn wenn ich so einen Spot mache, mit dem ich eine Person vor dem Café erreichen möchte, muss ich mir genau überlegen, wie ich denjenigen anspreche und wie die interaktive Werbung gestaltet sein muss.
Spannender wird es, wenn die ePrivacy-Regelung mit einer Opt-In-Regelung eingeführt wird
Also wird die Variation in der Werbung immer größer.
Genau, dahin entwickelt sich Audio-Werbung. Im Vergleich zur Display-Werbung haben wir mit Hilfe der Sprache andere Möglichkeiten, weil sich durch die Antwort des Nutzers viele Antwortmöglichkeiten ergeben. Erst nach Nennung dieser Schlüsselbegriffe reagiert der Sprachassistent. Je nachdem ob der Nutzer a, b oder c sagt, wird der weitere Teil des Spots ausgespielt. Das ist kein Hexenwerk in Zeiten von Alexa, Google Home & Co.
Wie wirkt sich denn die Datenschutzgrundverordnung auf die programmatische Werbung aus? Limitiert sie die Möglichkeiten der personalisierten Ansprache?
Das ist eine der spannendsten Fragen. Um uns rechtlich abzusichern, haben wir mit unseren Sendern Auftragsdatenverarbeitungsverträge geschlossen. Letztlich ist die Verantwortung dort aber mehr auf der Senderseite. Es gab im Vorfeld der Umsetzung eine Zahl des Bundesverbands Digitaler Wirtschaft, die Folgen könnten einen Verlust bzw. geringere Einnahmen von 30 Prozent in der Digital-Vermarktung bedeuten. Für uns sehe ich derzeit die Folgen nicht so dramatisch, weil wir nicht sehr abhängig sind von der Cookie-basierten Nutzung.
Welche Rolle spielen die Nutzer?
Sie entscheiden letztlich. Werden Nutzer künftig bestimmte Seiten und Inhalte nicht mehr benutzen, weil sie das Opt-Out nutzen oder zukünftig ein Opt-In geben müssen? Spannender wird es dann, wenn die ePrivacy-Regelung mit einer Opt-In-Regelung eingeführt wird. Dann werden wir gemeinsam mit den Sendern mit Allianzanbietern wie Verimi oder netID sprechen, die einen zentralen Log-In-Bereich schaffen. Wir werden sicherlich mit den Sendern entscheiden, welchen Weg wir dann gehen.
Aus Ihrer Sicht wäre es demnach ganz angenehm, wenn es die ePrivacy-Verordnung nicht gibt?
(lacht) Lieber gar nicht als doch. Und falls doch, dann lieber später als früher. Aber ganz ehrlich: Da spielt sich im Hintergrund so viel über Verbände ab. Und dazu die ganze Lobbyarbeit, die derzeit europaweit gemacht wird. Das werden wir als deutscher Player nicht maßgeblich beeinflussen können.