Return-to-Office ist nicht produktiver

Eine Studie zeigt, dass eine erzwungene Rückkehr ins Büro die Produktivität nicht erhöht. Dabei machen sich Arbeitgeber vor allem drei Gruppen abspenstig, die sie auf keinen Fall als Arbeitnehmende verlieren sollten.
An African mother multitasks, working on her laptop while carrying her baby girl in a modern home setting, showing a blend of work and family life Model Released HaruUraraStudio_ID24141_699400_025 Copyright: xHaruxUraraxStudiox RECORD DATE NOT STATED
Im Homeoffice lassen sich Arbeit und Kinderbetreuung besser vereinbaren als vom Büro aus. (© Imago / Haru Urara Studio)

Mehr Unzufriedenheit, keine höhere Produktivität: So lässt sich eine Studie der University of Pittsburgh zusammenfassen. Auch beim Blick auf andere Studien und Umfragen spricht eigentlich nicht allzu viel für eine strenge Rückkehr ins Büro, wie sie bei vielen Firmen aktuell zur Regel geworden ist. Die Forschenden aus Pittsburgh untersuchten dabei große US-Unternehmen. Das Ergebnis: Manager nutzen die Return-to-Office-Regeln vor allem, um die Mitarbeitenden stärker kontrollieren zu können. Signifikante Auswirkungen auf Rentabilität oder Börsenbewertung hatten die Regeln hingegen nicht. Dabei ist Produktivität gerade ein Hauptargument vieler Unternehmen. Die Kreativität gehe im Digitalen verloren, heißt es da beispielsweise. Dass das stimmt, ist aktuell mehr Gefühl als Fakt. Verlässliche Erkenntnisse dazu gibt es jedenfalls kaum. Während also kein Anstieg der Produktivität erkennbar ist, sind die Zahlen bei der Mitarbeiterzufriedenheit eindeutig: Menschen sind ob der Büropflicht unzufriedener. Auch das zeigt die Studie.

Rein auf das Gefühl zu hören, dass Mitarbeitende im Homeoffice rumbummeln, die Wäsche machen oder am privaten Handy daddeln, mag zwar in manchen Fällen zutreffend sein. Es legt jedoch nicht gerade ein positives Menschenbild an den Tag. Wer davon ausgeht, dass seine Mitarbeitenden prinzipiell nur im eigenen Interesse agieren, der sollte sich bessere andere Mitarbeitende suchen. Denn, das zeigt eine Befragung von Gartner, gerade die Leute, die Unternehmen eigentlich im eigenen Interesse unbedingt halten sollten, sind bei der Einführung neuer Büropflichten am schnellsten weg. Drei Gruppen kündigen dann am ehesten, auf alle drei können Arbeitgeber in Zukunft jedoch auf keinen Fall verzichten.

1. Millennials

Die erste Gruppe sind die Millennials. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie das Unternehmen verlassen, wenn ein Unternehmen Büropflichten einführt, ist um 10 Prozent höher als für die gleiche Gruppe in Unternehmen ohne Büropflicht. Millennials sind in der Regel fest im Job angekommen, haben teilweise schon langjährige Erfahrung. Gleichzeitig haben sie das Potenzial, noch sehr lange im Job zu bleiben. Wenn man sie gut behandelt, versteht sich. Diese Menschen ziehen zu lassen, tut deshalb besonders weh.

2. Frauen

Noch stärker ist der Effekt bei der zweiten Gruppe: Um 11 Prozent höher ist die Wahrscheinlichkeit bei Frauen. Auch das können sich Unternehmen kaum erlauben. Denn: Auch wenn die durchschnittliche Erwerbsarbeitszeit bei Frauen in den vergangenen Jahren laut Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichem Institut der Hans-Böckler-Stiftung abnimmt, steigt die Beschäftigungsquote kontinuierlich und deutlich. Von 57 Prozent (1991) auf 73 Prozent (2022). Tendenz steigend. Gerade Frauen sind also ein Schlüssel zur Lösung des Fachkräftemangels. Ein offensichtlicher Grund für die Probleme mit der Büropflicht: Familienfreundlichkeit. Denn noch immer leisten Frauen bedeutend mehr Care-Arbeit und gehen häufiger in Teilzeit. 

84 Prozent der Eltern geben an, dass Flexibilität durch hybrides Arbeiten für eine bessere Work-Life-Balance gesorgt hat. Das zeigt eine Umfrage der International Workplace Group. Denn damit sparen Familien Geld und Zeit in signifikantem Ausmaß. 17,5 Prozent aller Eltern sparen nach eigenen Angaben beispielsweise 100 bis 150 Stunden pro Jahr ein. Die Einsparung bei den Betreuungskosten liegt demnach im Schnitt bei 50 bis 100 Euro pro Woche, also durchschnittlich 2600 bis 5200 Euro pro Jahr. Christoph Schneider, Regional Senior Vice President der International Workplace Group, betont daher die Wichtigkeit von hybridem Arbeiten für Familien: „Anstatt täglich Stunden mit Pendeln auf langen Strecken zu verlieren, arbeiten sie nun lokal und können wichtige Familienmomente erleben, die sie früher verpasst hätten.”

Als junger Vater, der häufig im Homeoffice sitzt, kann ich da nur zustimmen: Noch in Ruhe mit der Familie zu frühstücken, im Notfall schnell in der Kita zu sein oder direkt nach Feierabend miteinander zu spielen, ist unglaublich bereichernd. Auch wenn man sich manchmal irrational anschreien lassen muss, weil die Banane die falsche Konsistenz hat. Ein weiteres zentrales Ergebnis der Befragung ist daher wenig überraschend: 54 Prozent der Eltern würden keine Stelle mehr annehmen, die fünf Tage Büropflicht einfordert. Für einige dürfen es nicht mal zwei oder drei Tage Präsenzpflicht sein.

3. High Performer

Am größten aber ist der Effekt bei der dritten Gruppe. Um 16 Prozent erhöht sich bei ihr die Wahrscheinlichkeit, dass sie das Unternehmen verlassen, wenn Büropflicht eingeführt wird. Und: Auf diese Gruppe können Arbeitgeber am wenigsten verzichten. Es sind die High Perfomer, also gerade die Leistungsträger*innen im Unternehmen. Man muss wohl kaum erklären, warum deren Verlust wehtut. Strategisch wie finanziell.

Gerade dieser Gruppe wird es kaum darum gehen, prinzipiell nicht ins Büro zu kommen. Im Gegenteil: Sie müssen einen Sinn erkennen, zum Beispiel für gemeinsame Workshops, die in Präsenz hilfreicher sind als digital. Nur: Mit stumpfen Büropflichten wird man bei dieser Gruppe kaum weiterkommen.

Ein „Ihr kommt ins Büro zurück, weil wir das so wollen” mag rechtlich oft machbar sein. Gerade weil die Evidenz für höhere Produktivität fehlt, ist eine solche Maßnahme aber lange nicht sinnvoll. Denn die Frage ist: Sind leerstehende Büroflächen wirklich schlimmer als unter Zwang genutzte Büroflächen? Das bleibt zu beweisen. Bis dieser Beweis erbracht ist, drohen allerdings Kündigungen. Von produktiven Mitarbeitenden, die Freiheit anstatt Mikromanagement wollen oder brauchen.

Auf eine produktive Woche, egal wo Sie arbeiten!

(fms, Jahrgang 1993) ist UX-Berater, Medien- und Wirtschaftsjournalist und Medien-Junkie. Er arbeitet als Content-Stratege für den Public Sector bei der Digitalagentur Digitas Pixelpark. Als freier Autor schreibt er über Medien und Marken und sehr unregelmäßig auch in seinem Blog weicher-tobak.de. Er hat Wirtschafts- und Technikjournalismus studiert, seinen dualen Bachelor im Verlag der F.A.Z. absolviert und seit mindestens 2011 keine 20-Uhr-Tagesschau verpasst.