re:publica 2016: Den digitalen Raum zurückerobern

Der digitale Raum ist außer Kontrolle geraten. Das sagt Sascha Lobo, das sagen IT-Sicherheitsexperten und Medienhäuser sowieso. Was tun? Die Kontrolle zurückerobern! Eindrücke von der re:publica 2016.

Für die Freiwilligen gibt es Kekse. Laura Sophie Durnham und Peter Sunde teilen sie aus, vegan und glutenfrei versteht sich. Sie haben dazu Blogger, Fotografen, Künstler und Journalisten auf die Bühne gebeten, aber natürlich nicht mit dem Versprechen einer Süßigkeit. Sie wollen erklären, wie ihr neues Projekt funktioniert, das sie an diesem Tag zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentieren.

Durnham ist Public-Affairs-Managerin bei Eyeo, dem Kölner Unternehmen, das den umstrittenen aber meist genutztenFlattr. Ihr gemeinsames Baby, wie sollte es anders sein, heißt „Flattr Plus.“

Wie die Plattform funktioniert, sollen die Kekse veranschaulichen: Jeder der auf der Bühne stehenden Content-Lieferanten – Menschen, die das Internet mit Inhalt befüllen, privat oder beruflich – sollen etwas abbekommen. Die Grundidee hatte Sunde bereits vor einigen Jahren, als er Flattr launchte. Über das System können Nutzer teilnehmende Websites flexibel mit Kleinsbeträgen unterstützen. Bisher musste man dafür noch im Einzelfall entscheiden, das soll bei Flattr Plus anders laufen: Registrieren müssen sich wieder sowohl Nutzer als auch Website-Betreiber, so genannte „Creators“. Erstere laden einen selbst bestimmten Betrag auf ihr Flattr Plus-Konto. Sodann prüft ein Tracking-System, in welchem Verhältnis die teilnehmenden Websites von Flattr Plus-Nutzern besucht werden. Ein Algorithmus rechnet danach aus, wie viel der monatlichen Einkünfte jeder Website-Betreiber ausgeschüttet bekommt. Auf der Flattr-Plus-Website steht: „Dein Geld wird direkt an deine Lieblingsjournalisten, blogger und -künstler gehen“.

Flattr Plus: Vertriebsboost für Flattr, Imagetrick für APB

Bevor die Schnuckelrunde beginnen kann, muss allerdings erstmal jemand die Kekse backen. Flattr selbst hat derzeit etwa 30-40.000 Nutzer. Nach anfänglicher Medienöffentlichkeit aber bringt der Dienst seinen Mitgliedern heute nur wenig Geld. Die Kooperation mit Adblock Plus dürfte also vor allem als Vertriebsbooster verstanden werden. Eyeo oder Adblock Plus wiederum könnten die Publisher-Seite damit beschwichtigen wollen. Bisher lehnen vor allem große deutsche Verlage die Praxis des Unternehmens strikt ab, viele gingen gar gerichtlich dagegen vor. Wenn sie nun bares Geld statt abstrakte Werbeauslieferung geboten bekommen und gleichzeitig den Nutzer zu einer Bezahlmentalität umerziehen können –vielleicht lassen sie sich dann doch darauf ein? Man darf es bezweifeln.“Nach dem dubiosen Adblocker-Modell ist Flattr Plus nur der nächste, vollkommen unseriöse Ansatz von Eyeo, den kein Premium-Publisher in Deutschland in irgendeiner Weise unterstützen wird“, moniert etwa Zeit Online-Geschäftsführer und Sprecher des VDZ-Arbeitskreises Digitale Medien, Christian Röpke. Und OVK-Sprecher Oliver von Wersch sagt: „Eyeo versucht damit ein weiteres Mal, Reichweite und Qualitätscontent zu vermarkten, obwohl sie nicht Urheber dessen sind. Nach dem dubiosen Adblocker-Modell ist Flattr Plus nur der nächste vollkommen unseriöse Ansatz von Eyeo, den kein Premium-Publisher in Deutschland in irgendeiner Weise unterstützen wird.“

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Aber auch abseits dieser Aspekte wirft das Produkt Fragen auf: Ob Google und Facebook nicht die größten Nutznießer dieses Systems wären, etwa. Durnham versichert daraufhin: Die beiden Internetriesen würden vorerst(!) nicht zugelassen. Details zur technischen Umsetzung, welche Daten etwa getrackt werden, gibt es bislang nicht. In einem Interview mit „c’t“ sagt Laura Sophie Dornheim nur: „Wir werden nicht das komplette Surfverhalten unserer User mitschneiden. Das könnten weder wir noch unsere Kooperationspartner von Flattr verantworten. Im Wesentlichen wird der Algorithmus lokal laufen, die Flattrs werden anschließend aggregiert übertragen.“

Im Sommer geht der Dienst in eine Beta-Phase, bis Ende des Jahres soll er dann weltweit nutzbar sein. Laut „Guardian“ sollen beide Kooperationspartner mit zehn Prozent an den Umsätzen beteiligt sein.