Von Nils Jacobsen
Wichtigste Erkenntnis des einstündigen Vortrags von Netflix-Chef Reed Hastings auf der diesjährigen re:publica: Der 54-jährige Gründer ist nicht nur ein herausragender Manager, der sein Unternehmen in 17 Jahren vom Start-up zum 35 Milliarden Dollar schweren Medienriesen gemacht hat – er ist auch ein begnadeter Verkäufer.
Als Hastings in der ersten halben Stunde über seine Erfolgsstory referierte, klang das wie eine moderne Version des amerikanischen Traums. Wie so oft in rot-weiß-blauen Märchen beginnt es mit Scheitern. Hastings erzählt von seinem holprigen Berufsstart: Vor 30 Jahren konnte er nichts, witzelt der Multimilliardär heute.
Steve Jobs-ähnliche Geschichte: Vom Scheitern zum Multimilliardär
Er lernte Programmieren, kam aber nicht recht voran. Er heuerte bei der Enterprise Software-Firma Pure Software an, die wenige Jahre später von Atria Software übernommen wurde. Hastings befand sich in der Mitte seiner 30er-Jahre in einer ähnlichen beruflichen Sinnkrise wie einst Steve Jobs.
Und wie beim langjährigen Apple-CEO, der zum Unternehmen, das er einst gründete, zurückkehrte, liegt auch der Beginn einer der erstaunlichsten Erfolgsgeschichten der Internet-Ära im Entrepreneurtum. Hastings gründete Netflix 1997 erst als DVD-Versender und nahm es mit dem milliardenschweren Platzhirschen Blockbuster auf. Der Ausgang ist bekannt: Blockbuster ging 2010 pleite, Netflix hatte die erste Schlacht gewonnen.
Preiserhöhung treibt Netflix 2011 an den Rand der Pleite.
Doch Zeit zum Ausruhen blieb dem umtriebigen Oststaaten-Mann nicht. In seiner zweiten großen Schlacht ging es nämlich um nichts weniger als die Zukunft des Fernsehens im digitalen Zeitalter. Hastings teilte das Unternehmen in zwei Teile auf: Den klassischen DVD-Versand, der weiterhin für die größeren Umsätze und Gewinne sorgte und Qwikster heißen sollte – und den neuen Streaming-Geschäftszweig Netflix.
Hier verzockte sich Hastings zunächst. Auf der Höhe der Rezession nach der großen Finanzkrise erhöhte Netflix 2010 die Gebühren von 10 auf 16 Dollar – und geriet tief in die roten Zahlen. „Das hat uns fast das Genick gebrochen“, bekennt der Selfmademan vor den rund zweitausend Zuschauern im prall gefüllten größten Saal der re:publica.
„House of Cards“ war die größte Wette
Doch keine Erfolgsstory ohne große Wette – das ist die Philosophie des 54-Jährigen. Die nächste erfolgte nur ein Jahr später: Nach Hastings Einschätzung wird das Rennen um die Zukunft des Fernsehens mit eigenen Inhalten gewonnen. Entsprechend entschließt sich Netflix für etwas, was dem seinerzeit stark angeschlagenen Streaming-Dienst keiner zugetraut hatte: Er investierte 100 Millionen Dollar für die Eigenproduktion House of Cards – und stach dabei den scheinbar übermächtigen Rivalen HBO aus.
„Bei dieser Entscheidung habe ich am meisten geschwitzt“, bekennt Hastings auf der re:publica – und erntet den ersten Beifall aus dem Publikum. Keine Frage: Die Besucher der re:publica lieben die Politsaga aus Washington.
Dass Netflix-Zuschauer auf die dritte Staffel, die aktuell zuerst bei Sky ausgestrahlt wird, noch warten müssen, bedauert Hastings – und verweist darauf, dass die internationale Lizenzierung der Kultserie daran schuld sei. Lange aufhalten wollte sich der Alpha-Unternehmer indes damit nicht und hat schon das nächste Kapitel seiner Erfolgsstory fest im Blick: Bis Ende 2016 soll Netflix rund um die Welt verfügbar sein.