Von Pius Laufenmüller
Noch nie zuvor hat die amerikanische Wirtschaft so viel für Werbung ausgegeben wie im vergangenen Jahr. Wie es in einem Bericht der Agentur Magna heißt, stiegen die Werbeausgaben in den Vereinigten Staaten 2018 um 9,6 Prozent auf 212 Milliarden Dollar – deutlich mehr als Experten zuvor erwartet hatten. Das vergangene ist damit das stärkste Werbejahr seit Beginn dieses Jahrhunderts. Hauptprofiteur der Entwicklung ist der Online-Händler Amazon, der sein Werbeaufkommen aus bezahlten Suchergebnissen („paid search ads“) auf gut sechs Milliarden Dollar verdoppeln konnte und jetzt auch im Werbegeschäft eine Großmacht und ein ernsthafter Konkurrent von Google ist.
Amazon steigerte – und das ist besonders auffallend – auch seine eigenen Werbeausgaben und steht jetzt, laut Magna, an sechster Stelle unter den großen Werbetreibenden Amerikas. Der Online-Händler spielt damit in einer Liga mit dem Waschmittelkonzern Procter & Gamble, den Telekommunikationsriesen AT&T und Comcast, dem Versicherer Geico (im Besitz von Investor Warren Buffett) und dem Autokonzern General Motors.
Sport-Großereignisse und Wahlen treiben die Umsätze
Treiber des Wachstums in der Branche waren zunächst einmal ganz konventionelle Großereignisse wie die Olympischen Winterspiele in Pyeongchan, die Fußball-Weltmeisterschaft in Russland und die amerikanischen Zwischenwahlen im November. In diesem Jahr fehlen solche Ereignisse; trotzdem wird das Wachstum weitergehen, glauben die Analysten von Magna. Ihre Prognose: der Markt wächst im zehnten Jahr in Folge und zwar auf 217 Milliarden Dollar Jahresumsatz. Allerdings wird die Wachstumsrate deutlich schwächer werden und auf 1,9 Prozent sinken. Dabei wird sich die Struktur weiter verändern: Digitale Werbung steigt um zwölf Prozent, analoge schrumpft um fünf Prozent. Amazon wird seine Position weiter festigen.
Die Verschiebungen im Werbegeschäft machten sich besonders im vierten Quartal bemerkbar, das sich durch besonders hohes Wachstum auszeichnete und von Magna genauer untersucht wurde. Wahlkampf ist bei den Kongresswahlen in Amerika immer auch eine lokale Angelegenheit, weshalb lokale Fernsehsender ein Plus von 33 Prozent an Werbeeinnahmen verbuchen konnten. Nationale Fernsehwerbung ging dagegen um 1,3 Prozent zurück. Generell setzte sich der Trend von traditioneller („linearer“) hin zu digitaler Werbung fort. Die Ausgaben für bezahlte Suchergebnisse (der dynamischste Teilmarkt) stiegen um 23 Prozent auf 54 Milliarden Dollar.
Klassische „Out-of-Home“-Werbung trotzt dem Digitaltrend
Einen traditionellen Bereich allerdings gibt es, der dem Trend zum Digitalen zu trotzen scheint: die sogenannte „Out-of-Home“-Werbung. Darunter versteht Magna all die Werbeformen, die Verbraucher erreichen sollen, wenn diese ihre Wohnung und/oder ihren Bildschirm verlassen und sich in der Öffentlichkeit aufhalten – also Plakatwände, Kinowerbung und Bildschirme in Fahrstühlen, Abflughallen oder Bahnhöfen. Diese vergleichsweise altmodische Werbeform wuchs 2018 immerhin um 4,5 Prozent. Sie setzt damit einen Trend fort, der schon ein ganzes Jahrzehnt anhält. Der Autor der Studie, Vincent Letang, erklärt dies gegenüber dem „Wall Street Journal“ mit der Erosion traditioneller Medien: „Einige Zielgruppen sind durch Fernsehen oder durch Print immer schwerer zu erreichen, aber sie sind immer noch erreichbar durch Out-of-Home, und dies oft auf effizientere Weise.“
Die Medienlandschaft werde sich weiter ändern, schreibt Letang in seiner Analyse. Internet-basierte, unabhängige Fernsehangebote („Over-the-Top“) und Video-on-Demand verbreiteten sich weiter und würden wettbewerbsfähiger. Dies werde Anbieter wie Netflix oder Amazon veranlassen, hybride, werbeunterstützte Geschäftsmodelle zu erproben. Solche Modelle wiederum böten neue Chancen für die Werbetreibenden.