„Reine Inszenierung führt ins Leere“

Authentische Aussagen in der Kommunikation sparen Geld, weil das Maß an Inszenierung abnimmt. Das sagt Jens Petershagen von Petershagen, Gerke, Gesellschaft für Kommunikation. absatzwirtschaft-online sprach mit ihm über Kommunikation in der Krise.

Jens Petershagen ist geschäftsführender Gesellschafter der Agentur Petershagen, Gerke

Herr Petershagen, der Finanzkrise scheint ein mangelndes Vertrauen in die bestehenden marktwirtschaftlichen Strukturen und ein Verlust an Orientierung zu folgen. Ist das auch eine Chance, Angebote zu machen, mit denen sich Stakeholder wieder identifizieren?

JENS PETERSHAGEN: Als Konsequenz stellt sich die Frage: Wie geht es jetzt weiter? Jeder, der jetzt auf diese Frage verantwortliche Antworten finden kann, wird positiv wahrgenommen, weil er Orientierung schafft. Da ist es zunächst einmal egal, ob es sich um ein Unternehmen, eine Institution, eine Kommune, eine Marke oder eine Person handelt. Entscheidend ist Glaubwürdigkeit. Und diese Glaubwürdigkeit lässt sich am effizientesten aus der eigenen Identität ableiten, weil die Aussagen dann authentisch sind. Das spart auch Geld, weil das Maß an Inszenierung abnimmt.

Wo müsste Kommunikation in diesem Fall ansetzen?

PETERSHAGEN: Nehmen wir ein Beispiel: Wulf Bernotat hat kürzlich in der Presse von der wachsenden Bedeutung erneuerbarer Energien gesprochen. Und das immerhin als Chef eines Unternehmens, das bisher den Großteil seiner Erträge aus der konventionellen Energiegewinnung erwirtschaftet. Insgesamt ist das glaubwürdig, weil es Orientierung schafft. Und es ist positiv, weil es eine Chance beschreibt. Mit anderen Worten: Kommunikation muss inhaltlich an der Identität, man könnte auch sagen beim Kerngeschäft ansetzen. Zweitens muss sie eine Perspektive liefern, die sich aus dem Kerngeschäft oder der Identität ableiten lässt. Und drittens muss sie gesellschaftlich gesehen verantwortlich sein.

Wie wichtig ist es, Unternehmen, Institutionen, Kommunen, Marken oder Persönlichkeiten als Gestalter von Chancen und Perspektiven wahrzunehmen?

PETERSHAGEN: Ich würde die Frage anders herum stellen: Wie wichtig ist es für den Absender von Kommunikation, von seinen Stakeholdern als Gestalter von Chancen und Perspektiven wahrgenommen zu werden? Die Antwort: Existentiell wichtig. Stakeholder haben Alternativen. Als Mitarbeiter können Sie das Unternehmen wechseln, als Konsument das Produkt, als Aktionär ihre Anlagestrategie, et cetera. Um in der betriebswirtschaftlichen Terminologie zu bleiben: Das, was wir früher als Käufermarkt beschrieben, wird jetzt zu einem „Stakeholder“-Markt: Es geht nicht mehr nur um das Angebot an Gütern und den Wettbewerb um Konsumenten, sondern um das Angebot an Antworten auf die wichtigen Fragen unserer Zeit. Diese Antworten können in Produkten bestehen, aber auch in Arbeitsplätzen, Anlagestrategien oder individueller Sinnstiftung.

Viele Experten raten zu einer Corporate Story. Oft fällt der Satz, man müsse diese nur für alle Stakeholder glaubwürdig „inszenieren“. Fragen sich die Adressaten dann nicht automatisch: Was ist Identität, was Inszenierung?

PETERSHAGEN: Natürlich. Gleichzeitig muss man sehen, dass für die Absender von Kommunikation die Ressourcen knapper werden. Es ist ja nicht neu, dass in Krisenzeiten zuerst am Kommunikations- oder Marketing-Budget gespart wird. Das bedeutet, hier laufen zwei Entwicklungen aufeinander zu: Erstens werden Stakeholder genauer hinschauen und zwischen Identität und Inszenierung unterscheiden. Gleichzeitig werden für die Absender in Zeiten der Krise die Mittel knapper. Das bedeutet: Wahrnehmung kann nur dann erfolgreich organisiert werden, wenn sie authentisch ist.

Und das bedeutet?

PETERSHAGEN: Das sie identitätsbasiert ist, und eben nicht ‚inszeniert’. Man könnte auch sagen: Die reine Inszenierung führt ins Leere. Die Corporate Story hat weiterhin ihre Berechtigung, aber sie muss aus der Identität kommen, glaubwürdig sein und auch so kommuniziert werden.

Glaubwürdigkeit und Vertrauen müssen sich Unternehmen, Institutionen, Kommunen, Marken oder Persönlichkeiten verdienen. Offenbar ist das Ganze auch nicht nur eine Frage der Kommunikation …

PETERSHAGEN: Ich denke sogar: Sie müssen Glaubwürdigkeit und Vertrauen heute schlüssig beweisen. Das kann für viele Absender von Kommunikation zu einer veränderten Kommunikationsstrategie führen. Das funktioniert aber nur dann, wenn Ihre Identität, das heißt Ihr Kerngeschäft, im gesellschaftlichen, also verantwortliche Perspektiven schaffenden Sinne ‚einwandfrei’ ist. Ist das nicht der Fall, müssen Sie unternehmerisch um- beziehungsweise weiterdenken. Dann geht es um eine Veränderung Ihres Kerngeschäfts, um glaubwürdig zu werden.

Wie sollte der ideale Kommunikations-Mix für das Entwickeln von Glaubwürdigkeit und Vertrauen aussehen? Was sind die richtigen Instrumente?

PETERSHAGEN: Konkret kann man das nur individuell beantworten. Natürlich kommt es auf die Inhalte der Kommunikation an. Außerdem spielen die Stakeholder eine wichtige Rolle, wie sie erreichbar sind, und natürlich auch die Branchen. Tendenziell werden Formate an Boden gewinnen, die glaubwürdig sind – also klassische Pressearbeit, dialogische Formate wie Veranstaltungen oder Diskussions-Foren, auch im Internet. Ich glaube aber auch, dass intelligent kommunizierte Sponsoring-Formate erfolgversprechend sind, weil sie gleichzeitig einen Imagetransfer liefern. Entscheidend ist aus meiner Sicht, dass Kommunikation strategisch gedacht und realisiert wird und dabei alle Stakeholder im Blick hat. Das geht nur, wenn sie authentisch ist und auch organisatorisch entsprechend verankert wird: direkt bei der Unternehmensführung. Das Gespräch führte Irmtrud Munkelt

www.petershagengerke.de