Von Christine Mattauch
Das Straßenschild ist vertraut. „Viktualienmarkt“ steht in weißer Schrift auf blauem Grund. Ein paar Stände gibt es auch, einer hält Gemüse feil, der andere Fisch. Um die Ecke geht’s zum „Platzl“, wo das Gourmet-Restaurant von Sternekoch Alfons Schuhbeck liegt. Das ist doch München. Oder? Nicht ganz, denn die bayerische Landeshauptstadt liegt 30 Kilometer entfernt. Die Kopien der Touristenattraktionen befinden sich im Flughafen, genauer gesagt in einem Satellitenbau von Terminal zwei, der Ende April öffnet. Sein Retail- und Gastronomiekonzept setzt ganz auf Lokalkolorit.
Das ist nicht nur für MUC etwas Neues, sondern für die gesamte Branche: weg von der Filialisierung, hin zu einem möglichst authentischen Profil. Der Flughafen als Themenpark. „Die Münchner waren schon immer innovativ und haben auch die Ressourcen, um einen Trend zu kreieren“, sagt Anthony Griffin, Senior Vice President der auf die Flugbranche spezialisierten Londoner Beratungsfirma ASM. Längst vorbei sind die Zeiten, als Flughäfen nur zum Fliegen da waren. Der moderne Airport definiert sich als eigene Destination, für die sich die Kunden bei Abflug oder Umstieg bewusst entscheiden. Dazu muss man ihnen, wie in anderen Branchen auch, möglichst viel Mehrwert bieten.
Der Duty-Free-Shop im Bayern-Look
„Sicherheit, Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit der Gepäckzustellung, das sind Selbstverständlichkeiten – damit kann sich ein Flughafen nicht positiv von der Konkurrenz abheben. Das geht nur über das Erlebnis- und Dienstleistungsangebot“, sagt Rainer Beeck. Beeck ist der Mann, der beim Münchner Flughafen mit seinen 41 Millionen Passagieren im Jahr die „Commercial Activities“ verantwortet – all das also, womit am Boden Geld verdient wird (siehe auch Interview). Vor drei Jahren haben sich die Münchner eine neue Marken- und Endkundenstrategie zugelegt, und die setzt auf Qualität und Wiedererkennung.
Das spiegelt sich im Konzept für den Satelliten, der auf elf Millionen Besucher jährlich ausgelegt ist. Wo in anderen Flughäfen ein Mcdonald’s stünde, findet sich dort die bayerische Fast-Food-Kette „Hans im Glück“. Bei der heißen die Burger nicht Bigmac oder Mcveggie, sondern „Pfeffersack“ und „Wolpertinger“. Die Towerbar „Lenbachs“ ist als Galerie gestaltet, Hommage an den Münchner Malerfürsten Franz von Lenbach. Selbst der Duty-free-Shop hat lokales Flair – sein Grundriss folgt dem Münchner Stadtplan und die Stützen der Warendeko erinnern an Maibäume. Die Decke ist rautenförmig koloriert – Himmel der Bayern.
Dabei wird der Lokalbezug durchaus großzügig ausgelegt: Die Auswahl des italienischen Restaurants Amo etwa wird damit begründet, dass München die nördlichste Stadt Italiens sei. Und mit „Sissi & Franz“, einem arg verkitschten Kaffeehaus mit Kronleuchtern, schlage man eine „kulinarische Brücke zwischen bayerischer und österreichischer Tradition“. Aus deutscher Sicht wirkt das bemüht. Doch viele amerikanische und asiatische Gäste, die „Europa in fünf Tagen“ gebucht haben, werden begeistert sein, hoffen die Planer.
Das immer gleiche Angebot langweilt die Kunden
Dass es überhaupt so weit gekommen ist mit der Kommerzialisierung der Flughäfen, liegt daran, dass ihr Kerngeschäft immer weniger Ertrag abwirft. Noch vor 30 Jahren waren sie reine B2B-Betriebe, die sich als Teil der Verkehrsinfrastruktur verstanden und ihre kommerziellen Ambitionen auf die Entgelte der Airlines beschränkten. Doch je mehr Flughäfen gebaut wurden, desto härter wurde der Wettbewerb und die Nutzungsgebühren sanken. Es kamen Billigflieger auf, die besonders unnachgiebig verhandelten. Zugleich stieg für viele Flughäfen der Ertragsdruck, wenn sie privatisiert wurden. Das bedeutete zweierlei: Die Flughäfen mussten attraktiver werden, konnten die Kosten dafür aber nicht den Airlines in Rechnung stellen. Die Lösung lag vor allem im B2C-Geschäft, die Kunden waren schließlich bereits vor Ort – millionenfach.