Kommt ein Nutzer auf die Website des Publishers, prüft die Plattform binnen Millisekunden anonym dessen Profil und gibt diese Information an eine oder mehrere Einkaufsplattformen (Demand Side Platform, DSP) weiter. Diese geben nun ihrerseits auf Basis der Profilinformation regelbasiert und nahezu in Echtzeit Gebote für den Werbekontakt ab. Die DSP mit dem höchsten Gebot erhält den Zuschlag und im Browser des Nutzers erscheint die Werbung des Meistbietenden.
Real Time Advertising verbindet demnach wesentliche Vorteile der Online-Werbung: Geschwindigkeit (real time), regelbasierte Automatismen (programmatic) und Targeting. Im Idealfall profitieren alle Marktpartner: Die Nutzer bekommen Werbung, die zu Ihnen passt, die Werbungtreibenden reduzieren Streuverluste und damit Kosten, die Publisher erzielen höhere Erlöse und Werbeagenturen sowie Vermarkter sind von lästiger Kopf- und Handarbeit befreit.
Die Verheißungen auf dem Prüfstand
Doch wie sieht die Realität aus? Das Gros der Online-Kampagnen wird weder automatisch, noch in Echtzeit abgewickelt. Online-Werbung wird zumeist dokumentenbasiert geplant und umgesetzt. Mit bisweilen langen Entscheidungs- und Lernzyklen. Die noch geringe Verbreitung von RTB als ein Zeichen deutscher Rückständigkeit zu werten, greift zu kurz. Vielmehr gibt es gute Gründe für Zurückhaltung gegenüber einer umfassenden Automatisierung.
1. Das regelbasierte Ökosystem des RTB ist auf Kampagnen mit Performance-Zielen (Klicks) zugeschnitten. Für Branding-Kampagnen scheint es nur bedingt geeignet, da die Gefahr besteht, dass die den Computern typische Kombination aus Dummheit und Geschwindigkeit aufgrund zu „weicher“ Nutzerprofile ins Leere greift.
2. In Deutschland gibt es aufgrund der hohen publizistischen Qualität deutscher Verleger-Websites eine starke Tradition der Umfeldplanung
3. Targeting, das Fundament des RTB, ist bereits heute eine Black Box. Werbungtreibende zahlen einen Preisaufschlag ohne Nachweise über die erbrachte Mehrleistung zu erhalten.
Was Werbungtreibende beachten sollten
Aus vielfältigen Projekten der vergangenen Jahre lassen sich folgende Empfehlungen ableiten:
1. Zunächst müssen Werbungtreibende entscheiden, ob die eigene Online-Kampagne Performance- oder Branding-Ziele verfolgt.
2. Dann sind entsprechende KPI zur Bewertung der Kampagnen festzulegen. Diese sollten über alle Medien hinweg vergleichbar sein (z.B. Steigerung der Vertriebskraft der Marke oder Cost per Branding).
3. Werbekunden sollten die Leistung und Wirkung ihrer Kampagnen von neutraler Stelle erheben lassen und hierbei insbesondere die Mediaqualität, den Streuverlust sowie die Mehrleistung von Targeting im Auge behalten.
4. Advertiser sollten für jede Online-Buchung ein standardisiertes Leistungsprofil erstellen und anhand von Benchmarks vergleichen.
5. Werbungtreibende sind gut beraten, eine Infrastruktur zur vergleichenden Bewertung ihrer KPI zu schaffen (z.B. über ein kanalübergreifendes Kennzahl-Cockpit), um sich so von zeitraubenden Einzelreports zu trennen.
6. Schließlich sollten Werbungtreibende gezielte Real Time-Piloten starten, messen und systematisch auswerten.
Über den Autor: Dr. Christian Bachem ist Geschäftsführer der Companion Strategieberatung.