Rassistischer Clip: keine personellen Konsequenzen bei VW

Volkswagen hat nach der internen Prüfung des rassistischen Werbevideos für den neuen Golf eine Reihe von Fehlern bei der Entstehung des Clips eingeräumt, zieht aber vorerst keine personellen Konsequenzen.
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VW-Zentrale in Wolfsburg: "Personelle Konsequenzen würden wir nur dann ziehen, wenn vorsätzlich und wissentlich gegen unseren Code of Conduct und unsere Werte verstoßen wurde." (© Imago)

Der Shitstorm war heftig, die Einsicht kam spät. Nach deutlicher Kritik und Rassismus-Vorwürfen gegen Volkswagen wegen eines Werbevideos im Internet hat der Vorstand jetzt die Ergebnisse seiner Prüfungen vorgelegt. „Verunglückt“ ist dabei die Richtung, in die die Interpretation der Führungsetage tendiert – denn bisher seien keine Anzeichen für einen rassistischen Vorsatz rund um die Entstehung und Abnahme des Clips gefunden worden. Daher gibt es vorerst auch keine personellen Folgen wie etwa Entlassungen.

„Wir haben fehlende Sensibilität und prozessuale Fehler festgestellt“, berichtete VW-Rechtsvorständin Hiltrud Werner am Donnerstag. Man habe Menschen verletzt. An verschiedenen Stellen sei es zu einem „Versagen der Kontrollprozesse“ gekommen, so etwas dürfe sich nicht wiederholen. Außerdem müsse man solche Vorwürfe ernster nehmen: «Einige Kollegen waren auch nach dem ersten warnenden Hinweis aus der Social-Media-Community nicht aufmerksam und reaktiv genug.“

Absichtlicher Rassismus spiele nach bisherigen Erkenntnissen indes keine Rolle. „Personelle Konsequenzen würden wir nur dann ziehen, wenn vorsätzlich und wissentlich gegen unseren Code of Conduct und unsere Werte verstoßen wurde“, so Werner. Sie vertraue auf die Arbeit der Disziplinar- und Personalausschüsse. Die Wirkung des Videos sei problematisch gewesen. Aber: „Zu Integrität gehört auch, dass wir uns als Führungskräfte auch dann vor unsere Mitarbeiter stellen, wenn Fehler passiert sind. Ein Bauernopfer wird es daher nicht geben.“

Rassistischer VW-Spot bei Instagram sorgt für Kritik

Was war geschehen? Mitte Mai tauchte ein etwa zehnsekündiger Spot als „Snippet“ einer weitergefassten Werbekampagne zum Golf 8 im Netz auf. Zu sehen war eine überdimensionale weiße Hand, die einen schwarzen Mann herumschubst, am Kopf packt, in einen Hauseingang schnippt. Das Gebäude ist das Café „Petit Colón“ in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires, das nach einem bekannten Theater und Christoph Kolumbus benannt ist – aus dem Französischen lässt sich das jedoch auch als «Kleiner Kolonist» übersetzen. Gegen Ende des Videos erschien zudem kurz eine Buchstabenfolge, deren Einblendung das Wort „Neger“ suggerierte.

Die Reaktionen auf Instagram, Twitter und anderswo kochten hoch. So viele Anspielungen auf einmal konnten doch kein Zufall sein? „Ich könnte kotzen“, schrieb ein User. Auch sachlichere Kritik fiel teils vernichtend aus. „Das Video ist grenzwertig und komplett rassistisch in seiner Wirkung“, sagte Tahir Della von der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland. Zunächst zeigte VW sich „überrascht und schockiert“ vom Ausmaß der Empörung – präzisierte dann aber seine Entschuldigung. Vertriebsvorstand Jürgen Stackmann sprach von einem „rassistischen Werbevideo“, das jeden anständigen Menschen beleidige.

Nun bekräftigte er dies – und gab Einblick in die Geschehnisse. „Als mich am 19. Mai abends um 23.00 Uhr ein Kollege anrief und mir dann den Link schickte, war mein erster Gedanke: Das muss ein Fake sein“, sagte Stackmann in Wolfsburg. „Mein zweiter Gedanke war: Jemand hat unseren Account gehackt. War das Sabotage, war das Absicht oder haben wir hier wirklich unabsichtlich so einen kapitalen Bock geschossen?“

Dabei war die Sequenz schon im März testweise als Instagram-Story gelaufen – ohne dass es den rund 150.000 VW-Followern dort nennenswert aufgefallen sei. Anfang Mai folgten größere Veröffentlichungen im Rahmen der Golf-8-Kampagne, auch bei Facebook. Erste negative Kommentare habe es erst auf ein Posting in Stackmanns Twitter-Account hin wenige Tage später gegeben. Der Beitrag wurde vom VW-Social-Media-Team gelöscht. Doch die Kritik der Nutzer wurde offensichtlich nicht systematisch aufgegriffen und weiterverfolgt.

„Rassistische Absichten hatte bei uns im Team ganz sicher niemand im Sinn“, betonte Stackmann. „Aber das eine ist die Intention des Senders – das andere ist, was beim Empfänger ankommt.“ Hier hätte VW interkulturell deutlich sensibler reagieren müssen. „Dafür übernehme ich als Vorstand die Verantwortung.“ Er werde dafür sorgen, dass es Ethik- und Kulturschulungen gibt und ein „Diversity Board“ aufgebaut wird. Letzteres soll Freigabe-Standards zwischen Marketingabteilung und Agentur sichern. Eine übergreifende Social-Media-Organisation ist ebenfalls geplant, um Themen und Reaktionen im Blick zu behalten.

VW-CMO Sengpiehl: „Wie konnten wir das nur übersehen?

Auch Marketingleiter Jochen Sengpiehl gab sich zerknirscht: „Wie konnten wir das nur übersehen?“ Man müsse zwar den Gesamtzusammenhang der Kampagne berücksichtigen, das „Snippet“ sei nur ein kleiner Teil. Und eigentlich gehöre die weiße Hand der Freundin des schwarzen Darstellers, die Spanierin und der Deutsch-Nigerianer spielten ein verliebtes Pärchen. Den Buchstabenschauer habe eine Software erzeugt, die Hand sei ein Stilelement. Sengpiehl betonte aber auch: „Niemandem ist aufgefallen, dass das Schnipsen einer Person allein schon unpassend ist – und in dem so dargestellten Kontext rassistisch.“

Selbst wenn alles nur ein großes Missverständnis statt einer perfiden Provokation gewesen sein sollte: Das Thema birgt Sprengstoff für VW. Es ist nicht das einzige Kommunikationsproblem, auch und gerade nicht nach innen. Viele der eigenen Mitarbeiter zeigten sich schockiert von der möglichen Interpretation, sie sehen ihre Firma in ein schlechtes Licht gerückt. IG-Metall-Vertrauensleute beschwerten sich öffentlich. Und Konzernchef Herbert Diess muss derzeit noch etliche weitere Probleme wie etwa die Technikprobleme bei besagtem Golf 8 angehen.

VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh hält die geplanten Änderungen für richtig: „Wir unterstützen den Ansatz, Teams zu schulen und diverser aufzustellen. Genauso begrüßen wir es, für Freigaben im Marketing ein unabhängiges Diversity-Gremium einzurichten und Social Media in einer neuen, übergreifenden Struktur zu organisieren.“ Zentral sei aber vor allem, souveräner und ernsthafter mit Online-Feedback umzugehen: „Besonders entscheidend ist es, in Zukunft solche Erstreaktionen zu verhindern, wenn irgendwo Kritik im Netz auftaucht. Wie sich das Unternehmen hierfür neu aufstellt, werden wir genau begleiten.“

he/dpa