Aus Keks Negrita wird Keks Chokita: Im Zuge der Rassismus-Debatte durchforstet jetzt auch der weltgrößte Schweizer Nahrungsmittelkonzern Nestlé seine Produktpalette, um anstößige Namen zu tilgen. In Deutschland wurde aus dem Bahlsen-Keks Afrika gerade Perpetum, bei Knorr aus der Zigeunersauce „Paprikasauce Ungarische Art“. Die deutschen Firmen wehrten sich erst dagegen, etablierte Produktnamen zu ändern, ehe sie nachgaben. War das richtig, wie Wissenschaft und Werbebranche fast einhellig sagen, oder hat der Markensoziologe Oliver Errichiello recht?
„Große Unternehmen haben unfassbare Angst, auf dem Feld der öffentlichen Meinung zur Schlachtbank geführt zu werden“, sagt der Direktor an der privaten Europäische Medien- und Business-Akademie (EMBA) in Hamburg. „Aber es gibt keine Marke, die wegen unethischen Auftretens eingebrochen wäre. Das kann man traurig finden, aber de facto ist es ein Indiz, dass die Menschen von Unternehmen nur begrenzt ethische Grundhaltung über das Normale hinaus verlangen.“
Sinn statt Gier
„Unternehmen müssen Verantwortung übernehmen, sie müssen ein Stück auch die Gesellschaft besser machen und Wegbereiter des Wandels werden“, sagt Markenstratege Lars Kreyenhagen von der Agentur Karl Anders, ein „Studio für Branding, Campaigns und Design“. Das dürfe aber nicht bei der Namensänderung aufhören. Firmen müssten auch im eigenen Hause schauen, wo noch rassistische Vorurteile vorhanden seien und sie beseitigen.
Für Errichiello ist dagegen mehr Fokus auf Haltung statt Qualität „das wirtschaftliche Resultat eines Zeitgeists, der konkrete Leistungserbringung zugunsten von abstrakten Lifestyle-Ideen entwertet – Sinn statt Gier.“
Die Black-Lives-Matter-Bewegung mit Protesten gegen die Diskriminierung von Menschen mit anderer als weißer Hautfarbe und die Ermordung von George Floyd in US-Polizeigewahrsam haben die Debatten beflügelt.
Pepsico machte vergangenes Jahr mit seiner Marke „Aunt Jemima“ (Tante Jemima) Schluss. Jahrzehntelang wurde mit dem Logo einer rundlichen schwarzen Frau mit Kopftuch für Frühstückspfannkuchen und Sirup geworben. Das Bild erinnerte an die gutmütige Haussklavin Mammy im Film „Vom Winde verweht“: Sie war stets um das Wohl der weißen Herrschaft bemüht. Der Film spielte allerdings nicht im 21. Jahrhundert, sondern im amerikanischen Bürgerkrieg in den 1860er Jahren. Dieses Bild entspreche nicht den Grundwerten der Marke, hieß es bei Pepsico. Die Marke heißt nun „Pearl Milling Company“.
Neue Markennamen als Chance
Rassistische Sprache beizubehalten, zementiere Klischees und bestärke damit verbundene negative Einstellungen, sagt Andrea Geier, Germanistin an der Universität Trier, die zu rassistischer Darstellungstradition forscht. „Ein veränderter Markenname ist also ein Signal, dass man nicht Teil eines solchen Alltagsrassismus sein möchte.“ Eine Namensänderung sei für Unternehmen eine Chance: „Die Firmen bekommen ja Rückmeldung auf solche Aktionen, auch von Leuten, die das unnötig finden. Das gibt ihnen die Chance, in Fragen, die die Gesellschaft bewegen, klar Stellung zu beziehen“, sagt Geier.
Es gibt viele Beispiele für Namensänderungen: Aus der Eiscreme „Eskimo Pie“ wurde in den USA „Edy’s Pie“, aus Nestlés „Red Skin“ (Indianer-)Lutscher in Australien ein „Red Ripper“-Lutscher. Der Reis von Uncle Ben’s Reis heißt jetzt Ben’s Original. Das Bild des schwarzen „Onkels“, der für den Reis warb, ist verschwunden. Wie bei „Tante Jemima“ gilt „Onkel“ Ben als herabwürdigend. Die Marke habe den Ehrgeiz, „eine inklusivere Zukunft zu schaffen“, teilte sie mit.
Mehr Chance als Risiko
Errichiello findet eine Änderung von Markennamen und Logo riskant. Damit könne eine Präsenz in den Köpfen der Verbraucher zerstört werden, die über Jahrzehnte aufgebaut worden sei. Kreyenhagen räumt so ein Risiko ebenfalls ein. Aber: „Die wenigen, die sich beschweren, wenn man etwa die Z-Sauce umbenennt, sind nichts gegen die vielen, die Beifall klatschen. Die Chance, mit Haltung mehr Menschen zu erreichen, ist größer als das Risiko.“
Von Christiane Oelrich, dpa