Die Frage, wie KI die Zukunft der Kreativen beeinflusst, ruft aus gutem Grund oft gemischte Gefühle hervor. Viele sehen KI als Ergänzung, die gute Ideen verbessert. Doch es gibt auch weniger optimistische Szenarien, in denen die negativen Folgen für Jobs und Menschen überwiegen.
Eine kreative Kategorie, die in einem ähnlichen Prozess schon steckt, ist die Welt des User Experience Designs. Lange vor dem AI-Paukenschlag balancierten viele Kreative hier schon auf dem dünnen Grad zwischen individueller Kreativität und großen Design-Systemen. Zwei aktuelle Blogbeiträge zeigen den Stand der Diskussion gut auf.
Nostalgischer Blick ins Jahr 2009
UX-Profi Michal Malewicz reflektiert nostalgisch über das Jahr 2009, das er als „Peak Jahr“ für UX-Designer*innen beschreibt. In dieser Zeit kamen für viele Kreative zwei wesentliche Glücksfaktoren zusammen: Sie wurden zunehmend auch von agenturfernen, finanzstarken Branchen als businessrelevant betrachtet. Gut bezahlte Jobs und Akquisitionen folgten.
Gleichzeitig gab es viel zu explorieren: User Research, Service Design und die seinerzeit neue App-Welt versprachen spannende neue Use Cases und kreativen Spielraum. Malewicz‘ etwas wehmütiger Rückblick begründet das Ende der guten alten Zeit mit der Professionalisierung von UX: Immer mehr Unternehmen übergingen heute UX-Forschung, kopierten stattdessen ganze Abläufe und „legen nur noch ein Designsystem drauf“. Einfach, weil es günstiger ist.
Kreative fokussieren sich auf Innovationen
Mit Designsystemen beschäftigt sich auch ein anderer UX-Experte, der Blogger Brad Frost. Auch er sieht eine zunehmende Dominanz einer systemgesteuerten „Figma Welt“ gegenüber der individuellen Kreativität früherer Tage. Aber anders als Malewicz spricht er sich explizit für die Schaffung eines globalen Designsystems aus, um die individuelle Schaffenskraft wieder zu befreien. Ihm schwebt eine global verfügbare Bibliothek an Standardkomponenten vor, die allen Designer*innen zur Verfügung stünde. Und was machen die Designer*innen dann, wenn es für alles ein Template gibt? Laut dem Optimisten Frost: Ökosysteme orchestrieren, Produktion beschleunigen oder sich auf Innovationen fokussieren.
Beide Beiträge spiegeln den Stand einer Debatte in einer kreativen Kategorie wider, die nun auch andere kreative Nischen befällt: Mensch oder Maschine – wie viel Freiheit hat der Mensch noch in automatisierten Systemen? Denn eins ist sicher: Wo Tools und Systeme, Software und Templates übernehmen, muss die individuelle Freiheit zu gestalten in Formate und Boxen passen. Kreative müssen diesen Prozess ertragen können. Denn wahr ist leider auch: Sie werden als individuelle Kreativschaffende weniger wichtig. Das ist die Idee hinter Kreativsystemen und Automatisierung.