Am Donnerstag trifft sich zum zweiten Mal die deutsche Radiowirtschaft zum Radio Advertising Summit in Düsseldorf. Unter dem Motto „Der Faktor Konvergenz: Massenkommunikation plus One-to-One“ soll die Konferenz der Frage nach gehen, wie es um die Zukunft des Werbemediums bestellt ist.
Unter den Referenten ist auch Philip Maes, Werbefachmann, Radiospot-Macher und Leiter des belgischen Kreativnetzwerk The Maffia. In seinem Vortrag „Touchvertising by creativity“ erklärt er, warum Radio das perfekte Medium für emotionale Geschichten ist und, wie man diese am besten erzählt.
Was ist der letzte Radiowerbespot, an den Sie sich erinnern?
Gute Frage. Es gibt diesen einen Spot von einer NGO, den ich sehr mochte. Es geht um eine Frau, die eine recht emotionale Geschichte über sexuellen Missbrauch erzählt. Ich habe diesen Spot so oft gehört und bekomme dabei immer noch Gänsehaut.
Sie plädieren für mehr Emotionalität in Radiowerbung. Nun ist sexueller Missbrauch an sich schon ein sehr emotionales Thema. Haben Sie auch ein Beispiel, das nicht per se schon emotional aufgeladen ist?
Die Agentur Eardrum hat beispielsweise für Nesquick einen Werbespot realisiert. Er erzählt die Geschichte eines kleinen Jungen, der in seiner Französisch-Klasse verzweifelt versucht, das Wort „au revoir“ richtig auszusprechen. Als er nach Hause kommt, freut er sich ungemein, ein großes Glas Nesquick zu trinken.
Was genau gefällt Ihnen an dem Spot?
Er erzählt eine emotionale Geschichte, die einen berührt. Es geht dabei nicht um Fakten, sondern um eine Geschichte, durch die das Publikum die Nachricht erst versteht: Dass wir Erwachsene häufig denken, wir hatten einen harten Tag, und darüber vergessen, dass unsere Kinder auch harte Tage haben.
Herr Maes, der Vortrag, den Sie auf dem Radio Advertising Summit halten werden, heißt „Touchvertising by creativity!“ Was bedeutet das?
„Touchvertising“ bedeutet, dass man nicht nur Werbung für ein Produkt machen, sondern die Leute damit auch emotional berühren soll. Wir wollen nicht in die Köpfe der Menschen – die sind meistens sowieso viel zu beschäftigt – sondern in ihre Herzen.
Wie finden Sie Radiowerbung von heute: Sind Sie zufrieden mit der Qualität?
Für mich persönlich ist es etwas besser geworden, ja. Ich beschäftige mich so intensiv mit dem Thema, dass die Leute, die zu mir kommen, bereits den Wunsch haben, die Werbung besser zu machen. Das bedeutet, sie sind sehr offen für Ideen und dabei entstehen tolle Kreationen.
In einem Interview haben Sie mal gesagt, Kunden haben das Medium Radio noch nicht vollständig verstanden. Was genau ist es, was sie nicht verstehen?
Radio arbeitet über Sound und Sound ist etwas sehr Intimes. Weil es die Fantasie des Hörers anregt und Bilder vor dessen innerem Auge erzeugt, statt sie ihm direkt zu zeigen. Es ist eine sehr involvierende und starke Form, eine Botschaft zu überbringen.
Weil sich jeder Nutzer die Geschichte zu Eigen machen kann?
Das bringt es auf den Punkt.
Ein Beispiel: „Ein Mann spaziert mit seinem Hund am Strand entlang.“ Jeder, der diesen Satz hört oder liest, wird einen anderen Mann sehen, einen anderen Hund oder Strand – je nach dem, was der eigenen Welt am nächsten ist. In visuellen Medien müssen Werbungtreibende von Anfang an eine Entscheidung treffen: Über die Haar- und Hautfarbe oder die Hunderasse. Dadurch wird es immer jemanden geben, der sich davon nicht angesprochen fühlt.
Abgesehen davon hat Radio mehr Reichweite und ist günstiger. Es wird nicht so viel gezappt wie beim Fernsehen, die Hörer holen sich in der Werbepause auch kein Bier, sie hören weiter zu, auch wenn es sie nervt. Das ist ein großer Vorteil.
Wie äußert sich das Unverständnis darüber in der Zusammenarbeit mit Auftraggebern?
Kunden haben häufig Angst vor zu viel Kreativität. Sie befürchten dann, eine Idee wäre zu stark oder wollen, dass wir Ihnen die Wirkung mit einer Grafik beweisen. Das können wir nicht, aber wir wissen dank zahlreicher Studien, dass Kreativität positive wirtschaftliche Effekte hat. Deshalb wünsche ich mir von Kunden mehr Offenheit. Es ist gefährlich, zu vorsichtig zu sein.
Können Sie uns drei Tipps geben, wie man einen guten Werbespot kreiert?
Zu aller erst: Schauen Sie sich das Produkt an. Was kann man darüber sagen? Damit meine ich keine Fakten oder Charakteristiken. Wichtig ist: Was ist das Ergebnis, die Wirkung, die das Produkt erzielt?
Zweitens: Versuche eine menschliche Verbindung herzustellen. Der Hörer muss die Botschaft fühlen können, weil er sie auf seine eigene Welt überträgt.
Drittens: Gute Ideen müssen clever und relevant sein. Ein Witz am Anfang eines Spots erregt zwar zunächst Aufmerksamkeit. Darüber hinaus bleibt er aber wirkungslos, wenn keine inhaltliche Verbindung zum Produkt besteht. Dadurch wird sich der Hörer am Ende weder an die Marke noch den Witz selbst erinnern.
Sind Witze denn generell ein gutes Mittel für Radio-Werbung?
Sie können es sein, wenn man sie richtig anwendet. Dazu braucht man aber, was wir einen „Feuerwerks-Witz“ nennen: Er bringt das Publikum während des gesamten Spots zum lächeln – weil es sich in die Situation hinversetzt.
Wie sieht es aus mit Fehlern: Was sollte man möglichst vermeiden?
Sprechen Sie nicht darüber, was das Unternehmen tut, sondern darüber, welche Auswirkungen das Tun für den Kunden hat. Statt zu sagen: „Wir haben unseren Supermarkt komplett renoviert“, hieße das dann: „Ab morgen werden Sie hier Zeuge eines völlig neuen Shopping-Erlebnisses“.
Dann: Sprich die Botschaft nicht einfach aus. Menschen hören Radio aus zwei Gründen: um informiert zu werden oder um unterhalten zu werden. Ein Werbespot sollte genau darauf eingehen: Informiere den Hörer mithilfe von Unterhaltung.
Und zu guter Letzt: Nerv‘ das Publikum nicht. Die Menschen stecken eine Marke oder Produkt sofort unbewusst in eine Schublade. Es gibt nicht umsonst den Spruch in der Branche: „Pass auf, wenn du Radio machst, denn sie können dich hören.“