Was man nicht erwarten konnte, ist der Umstand , dass unsere realen Mineralöl-Marken – Aral, Esso, Shell – zeitgleich mit diesem seriösen Bewertungsexperiment vorführen, wie schnell sich die errechneten Werte ruinieren lassen.
Befreit von den Fesseln der Rabatt- und Zugabebeschränkungen haben sich die Marketingabteilungen auf den Vertrieb von Fußbällen, Sportjacken und -taschen verlegt, die sich deutsche Autofahrer liter- und punktweise beim Tanken aneignen können.
Prompt wurde die Bindungskraft der Marke durch die Attraktivität der Incentives ausgehebelt. Zehn Millionen Dunlop-Fußbälle bei Aral haben zu zweistelligen Zuwächsen geführt. Als es keine Fußbälle mehr gab, kehrten abtrünnige Esso- und Shell-Tanker scharenweise zu ihren Marken zurück, um sich dort Rabattpunkte einzuheimsen. Aral kontert jetzt mit Völkl-Sporttaschen, Esso und Shell mit Serien von Goodies. Die Incentive-Spirale dreht sich.
Wer sagt uns, dass die untersuchte fiktive Tank AG – im Sog echter Wettbewerber – nicht auch zu einem Unternehmen mutieren würde, das künftig in seinen Outlets Marken-Produkte anderer renommierter Hersteller vertreibt und unter seiner eigenen Marke nur noch Benzin, Öl und Waschen. Das Distributionsnetz wäre sofort ganz anders zu bewerten als bisher; ebenso die Werbung, weil sie für absolut austauschbare Produkte wirbt; und auch die Wettbewerbsposition wäre neu einzuschätzen – weil man mit einem leicht zu unterbietenden Sport- und „Sonst was“-Fachhandel konkurriert. Tanken Nebensache.
Die Moral von der Geschicht: Wer bei einem Unternehmenskauf eine Marke bewertet wissen will, sollte gründlichst auch die aktuelle Markenführung und Kundenresonanz analysieren. Die bisherigen Verfahren weisen hier noch einen blinden Fleck aus.
Über den Autor: Dr. Klaus Brandmeyer ist Geschäftsführer der Brandmeyer-Markenberatung.
Die in Rede stehende Studie gibt es unter www.absatzwirtschaft.de/markenbewertung.