Hatten wir früher einmal 3er-, 5er-, 6er- und 7er BMW, haben wir heute zusätzlich den 1er, 2er- und 4er BMW und natürlich noch X1, X3, X4, X5 und X6. Dazu kommen noch diverse andere Modelle wie etwa die M- oder GT-Modelle. Bei Audi geht es auch mittlerweile von A1 bis A8, abgerundet mit diversen Q-Modellen. Nicht anders sieht es bei Mercedes aus, wo man anscheinend so gut wie um jeden Buchstaben von A- bis V-Klasse eine eigene Baureihe mit diversesten Modellen schaffen möchte und auch schafft.
Wachstumsbild versus Wachstum
Natürlich vermitteln diese Modelloffensiven, dass die Automarken mit dieser Strategie der Markendehnung im Großen und Ganzen national und international signifikant wachsen müssten. Dieses Bild wird vor allem auch durch die internationalen Erfolge der deutschen Premiumautobauer noch einmal verstärkt.
Aber wie sieht das Wachstum der Marken in Deutschland wirklich aus? Dazu sollten wir uns einmal die Zulassungszahlen der Top 10 aus dem Jahr 2003 ansehen und diese mit den Jahren 2013 und 2014 vergleichen. Damals, 2003, wurden in Summe 3,24 Millionen Autos in Deutschland zugelassen. 2013 waren es 2,95 Millionen und 2014 dann 3,04 Millionen (Quelle: KBA). Gemäß der Zulassungen wurden sowohl das Jahr 2003 wie auch die Jahre 2013 und 2014 aus Sicht von Branchenexperten als eher durchwachsen bezeichnet.
2003 2013 2014
VW 600.380 642.190 656.494
Mercedes 369.099 277.373 272.566
Opel 332.737 207.461 219.084
Audi 238.742 251.952 259.459
Ford 235.279 197.794 209.131
BMW 227.922 231.815 238.253
Renault 204.344 98.922 105.322
Peugeot 123.791 54.736 54.096
Toyota 110.200 74.056 70.267
Skoda 87.402 159.939 175.583
Das heißt, dass von den Top 10-Marken aus dem Jahr 2003 trotz aller Modell- Werbe- und Rabattoffensiven bei der Neuwagenzulassung 2014 gerade einmal vier Marken höhere Zulassungszahlen hatten als 2003: VW, Audi, BMW und Skoda. Dabei lag das Wachstum von VW (9,35 Prozent), Audi (8,68) und BMW (4,53) unter zehn Prozent. Nur Skoda konnte die Zulassungszahlen mehr als verdoppeln. Die restlichen sechs Automarken verloren teilweise sogar massiv. Toyota und Peugeot rutschten zudem aus den Top 10 hinaus.
So sind auch im Vergleich zu 2003 zwei Marken in den Top 2014 neu, nämlich Hyundai und Seat. Hyundai konnte bei den Neuzulassungen von 34.440 Autos (2003) auf 99.820 (2014) zulegen, Seat von 58.997 (2003) auf 93.129 (2014) zulegen. Weitere Gewinner in den Top 20 von 2014 waren Marken wie Kia oder Dacia.
Eine Frage der Positionierung
Wenn man sich die Gewinner einmal ansieht, fällt auf, dass diese nicht nur, wie die anderen Marken auch, ihre Modellpalette verbreiterten, sondern vor allem auch im Vergleich zu den anderen eine klare Positionierung haben. VW wird klar als Marktführer wahrgenommen; Audi steht für Technik, BMW für Fahrfreude und Skoda für clever; Hyundai, Kia und Dacia werden als günstigere Alternativen wahrgenommen. Der einzige große Gewinner mit einer nicht so klaren Positionierung ist Seat.
Hinzu kommt, dass man vor allem von den vier Gewinnern in den Top 10 aus dem Jahr 2003 ein klares Markenbild hat. Man weiß (noch), wie ein VW, ein Audi, ein BMW oder ein Skoda aussieht. Wofür aber stehen aktuell Marken wie Ford, Renault, Peugeot, Citroen oder Fiat und wie sehen die Modelle aus? Haben Sie von diesen Marken ein klares Bild in Ihrer Wahrnehmung, wenn man einmal vom Fiat 500 absieht?
Aber zwei „Verlierermarken“ aus den Top 10 haben in den letzten Jahren wieder markant an Markenbild gewonnen, nämlich Mercedes und Opel. So wird es spannend, wie sich speziell diese beiden Marken in Zukunft entwickeln werden. Dabei hat Mercedes ganz klar einen enormen Vorteil, da die Marke vor allem durch ihre globalen Erfolge auch am Heimmarkt wieder stärker strahlen wird.
Opel hat zwar visuell enorm an Profil gewonnen, aber bei Opel fehlt immer noch die zentrale verbale Idee und vor allem fehlt das internationale Wachstumspotenzial. Das könnte letztendlich auch für Renault, Peugeot, Citroen, Fiat und Seat zu einem großen Problem werden. Eingefangen in Europa im unprofilierten Mittelfeld könnte das in einer globalen Autowelt zum dauerhaften und vor allem profitablen Überleben zu wenig sein.
Interessantes Studienergebnis
Dazu sollten wir uns noch ein aktuelles Studienergebnis von GfK/Serviceplan aus der Marken-Roadshow 2015 ansehen: „Was aber machen die 56,2 Prozent der Herstellermarken falsch, die Käuferreichweite verlieren und die es nicht schaffen, aus Neukunden Wiederkäufer zu machen? Sie überschätzen die Wirkung der klassischen und rein quantitativen Tools der Markenführung: Preispromotions, Sortimentserweiterungen und Budgeterhöhungen.“ Könnte es sein, dass diese Tools auch von den meisten Autobauern überschätzt werden?
Fazit: Quantität alleine im Sinne von „mehr ist mehr“ ist in der Markenführung viel zu wenig. Entscheidend ist vor allem auch die Qualität der Markenführung, und hier vor allem die verbale und visuelle Positionierung, und dies immer öfter gepaart mit einer immer globaleren Ausrichtung.
Quellen: KBA, www.kfz-auskunft.de
Über den Autor: Markenstratege Michael Brandtner ist der Spezialist für strategische Marken- und Unternehmenspositionierung in Rohrbach, OÖ, Associate of Ries & Ries und Autor des Buches „Brandtner on Branding“. Sein Blog: www.brandtneronbranding.com