In der fast 42jährigen Geschichte des Werberats gingen nur 2001 mehr Beschwerden ein als 2013; damals waren es knapp 2.000 Eingaben. Im Berichtsjahr fiel von den 1.350 Beschwerden allein ein Drittel auf die Werbung von zwei Unternehmen. Beide sind vom Werberat öffentlich gerügt worden – allerdings nicht wegen der Vielzahl der eingegangenen Beschwerden, sondern weil sich beide Unternehmen zunächst uneinsichtig zeigten und ihre Werbung trotz Beanstandung durch den Werberat nicht zurückziehen oder ändern wollten.
Konzertierte Aktionen durch Aufrufe in Internet-Diskussionsforen
Unter den Kritikern an Werbeaktivitäten dominierten 2013 deutlich die Frauen mit 906 Eingaben vor den Männern mit 391 Beschwerden. 26 Eingaben kamen von Frauenrechtsorganisationen und kommunalen Gleichstellungsbeauftragten, 27 von Vertretern anderer Organisationen. Konzertierte Beschwerdeaktionen, zum Beispiel durch Aufrufe in Internet-Diskussionsforen, haben im letzten Jahr zugenommen. Bereits eine einzelne Beschwerde beim Werberat reicht jedoch aus, um ein Verfahren einzuleiten. Eine Beanstandung oder Öffentliche Rüge wird unabhängig von der Beschwerdezahl ausgesprochen.
Von den insgesamt 522 kritisierten Werbeaktivitäten wurden den Beschwerdeführern in 182 Fällen andere Stellen genannt, an die sie sich mit ihrer Kritik wenden konnten, da der Werberat nicht zuständig war, dies galt etwa beim Vorwurf irreführender Werbung. Für 340 Kampagnen gab es die folgenden Entscheidungen: In 249 Fällen wurden die Beschwerden gegen die Werbung nach eingehender Prüfung als unbegründet zurückgewiesen, da teilweise deutlich überzogene Proteste vorlagen; bei 91 Sujets schloss sich der Werberat der Kritik aus der Bevölkerung an. Danach erfolgte in 80 dieser Fälle die unmittelbare Änderung oder Einstellung der Werbung.
Plakate, TV-Spots und Onlinewerbung im Fokus der Kritiker
Bei elf Werbeaktivitäten musste der Werberat zu seiner schärfsten Sanktion, der Öffentlichen Rüge für die betreffenden Unternehmen, greifen. Auch wenn sich Unternehmen nicht sofort einsichtig zeigen, entfalten die Urteile des Werberats dennoch Wirkung: Einmal gerügte Unternehmen werden in der Regel nicht weiter werbekritisch auffällig.
Plakatwerbung (95 Sujets) und TV-Spots (88 Fälle) waren am meisten von Kritik betroffen, vor Internetwerbung (47), Anzeigen (29), Prospekten (20), Fahrzeugwerbung (13) und Radio-Spots (12). Die übrigen Mediengruppen lagen im einstelligen Bereich. Nach Branchen gab es zur Eigenwerbung der Medien die meisten Eingaben (29). Ebenso viele betrafen die Lebensmittelwerbung (29) vor der Bekleidung (25), sonstiger Dienstleistung (ebenfalls 25 Sujets), Kfz inklusive Zubehör (21) und Möbeln beziehungsweise Inneneinrichtung (16).
Thema „Frauendiskriminierung“ dominiert seit mehr als 40 Jahren
Bei den Beschwerdegründen dominiert seit Gründung des Werberats 1972 der Vorwurf der Herabwürdigung und Diskriminierung von Frauen – so auch im Jahr 2013. Von den insgesamt 340 Fällen betrafen 154 Fälle diesen Bereich; das entspricht 45 Prozent der Gesamtzahl. Mit deutlichem Abstand folgten behauptete Verstöße gegen ethische Mindestanforderungen (45 Werbemaßnahmen) vor der Gefährdung von Kindern und Jugendlichen (22 Fälle). Bei den übrigen Kritikgründen lag die Zahl der Sujets deutlich unter 20.
Die Debatte über sexistische, herabwürdigende oder diskriminierende Werbung wird auf unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Ebenen geführt. Der Werberat beteiligte sich daran mit vielfältigen Aktivitäten. Der Vorsitzende des Deutschen Werberats, Dr. Hans-Henning Wiegmann, betont: „Wir führen die aktuellen Diskussionen zum Frauenbild in der Werbung aktiv heute und morgen, so wie wir das auch in den vergangenen Jahren engagiert getan haben.“
„Pauschale Betrachtungen führen hier nicht weiter“
Julia Busse, Geschäftsführerin des Werberats, verweist bei den Entscheidungen der Selbstkontrollinstanz auf das Balance-Gebot: „Das Gremium orientiert sich an der gesellschaftlichen Realität und prüft bei jedem Einzelfall, ob es noch zulässige Übertreibung, noch zulässiges Provozieren ist oder diskriminierende Motive und herabwürdigende Texte. Pauschale Betrachtungen führen hier nicht weiter.“ Die Bilanz 2013 spreche mit der hohen Durchsetzungsquote von 88 Prozent bei den vom Werberat kritisierten Werbeaktivitäten für die hohe Akzeptanz dieses Balance-Gebots bei allen Beteiligten.
(Deutscher Werberat/asc)