Herr Kofahl, was sehen Sie als derzeit wichtigste Trends im Bereich Digital Out-of-Home?
JONAS KOFAHL: Der gesamte Out-of-Home-Bereich unterliegt im Moment einem Transformationsprozess, der stark zum Digitalen geht. Dabei sind die Themen Data-driven-Marketing und Programmatic die wichtigsten Treiber, die in der zweiten Jahreshälfte und im kommenden Jahr noch viel stärker in den Fokus rücken werden.
Was steht hinter dem derzeitigen Boom des Geschäfts mit der digitalen Außenwerbung?
Die Digitalisierung schafft einen wesentlichen Vorteil für die Werbungtreibenden und die Agenturen, weil sie über die Buchung von Außenwerbeflächen sehr schnell Reichweite aufbauen und zudem mit einem Targeting verbinden können. Durch den taktischen Einsatz von Werbemitteln, zum Beispiel eine Event- oder Wetteraussteuerung, oder die Integration von Echtzeit-Daten in ihre Kampagnen können sie den Konsumenten einen inhaltlichen Mehrwert bieten und eine höhere Relevanz der Botschaft erreichen. Das führt zu einer zunehmenden Nachfrage.
Was sind Ihre wichtigsten eigenen Projekte in Deutschland?
Für uns steht im ersten Schritt die Digitalisierung unseres Inventars im Mittelpunkt. Dafür haben wir bereits 2015 mit dem DigitalDeluxeNet den Grundstein gelegt und in der Folge an der Digitalisierung unseres Portfolios in den Innenstädten gearbeitet, angefangen in Hamburg, dann folgten Köln, Berlin, Düsseldorf, Dortmund, München und Bremen. Unser Ziel ist es, großflächig in diesen Städten ein relevantes Angebot zu haben, um auch über die digitalen OoH-Standorte Reichweiten zu erzielen. Dafür haben wir Anfang dieses Jahres wiederum in Hamburg mit dem DigitalCityNet den Grundstein gelegt. Das sieht nicht nur in der Innenstadt digitale Screens vor, sondern darüber hinaus auch in den zentralen Stadtbezirken. Das führen wir noch in diesem Jahr in Berlin fort, danach folgen andere Großstädte.
Gibt es weitere wichtige Projekte?
Beim Thema Programmatic arbeiten wir künftig mit einem Ansatz, der sich VIOoH – ausgesprochen „View“ – nennt: Das ist ein offener globaler Marktplatz für den Bereich Out-of-Home, der Mitte vergangenen Jahres von unserem Eigentümer JCDecaux ins Leben gerufen wurde. Hierbei handelt es sich um einen automatisierten programmatischen Handelsplatz für Ver- und Einkäufer von Werbeinventar. VIOoH soll als SSP von allen Ländern der Gruppe genutzt werden – irgendwann auch von anderen Anbietern – und ermöglicht zukünftig einen Zugriff auf das globale, digitale Inventar der JCDecaux-Gruppe.
„Durch unseren Erfolg bei zwei relevanten Ausschreibungen haben wir beispielsweise jetzt auch in Berlin die vertragliche Grundlage geschaffen, um großflächig zu digitalisieren.“
Jonas Kofahl
Ihr Mutterkonzern JCDecaux ist der weltweit größte Anbieter von Außenwerbung. Woran orientieren Sie sich, wenn Sie ihre Netze in Deutschland ausbauen?
Wir wollen Marken Reichweite bieten – dafür investieren wir derzeit umfangreich in unser digitales Portfolio. Durch unseren Erfolg bei zwei relevanten Ausschreibungen haben wir beispielsweise jetzt auch in Berlin die vertragliche Grundlage geschaffen, um großflächig zu digitalisieren. International ist unser Benchmark im Moment London: In der Londoner City hat unsere Schwester JCDecaux UK inzwischen knapp 1000 Screens verteilt. In Deutschland sind wir von solchen Zahlen noch weit entfernt, aber wir holen auf, nicht zuletzt auch weil die ganze Branche in diverse Projekte investiert.
Gibt es große Unterschiede zwischen den internationalen Märkten in Bezug auf gesetzliche Reglementierungen?
Die Kollegen in England dürfen als Werbemittel nur Bilder nutzen, während wir auch leicht animierte und visuell dynamische Spots für die Kampagnen verwenden können. Klassische TV-Spots oder Videos, also Bewegtbild, dürfen auch wir in Deutschland nicht zeigen. Das ist aber auch nicht weiter schlimm, weil die Rezeptionssituation bei OoH eine andere ist als im klassischen TV oder Online – wir befinden uns ja häufig in einer Passagesituation, da muss die Botschaft in wenigen Sekunden „sitzen“. Es ist wichtig, dies schon bei der Kreation einer Kampagne zu berücksichtigen. Die Botschaften müssen im wahrsten Sinne plakativ sein – egal ob klassisches oder digitales OoH.
Unser Alleinstellungsmerkmal ist, dass wir im hochfrequentierten, urbanen Umfeld sind – wir sind wirklich „draußen“.
Wodurch unterscheiden Sie sich von der Konkurrenz?
Wir befinden uns als Premiumanbieter an den zentralen Touchpoints in den deutschen Großstädten. Anders als Mitbewerber, die in Einkaufszentren, Bahnhöfen oder Flughäfen vertreten sind, ist unser Alleinstellungsmerkmal, dass wir im hochfrequentierten, urbanen Umfeld sind – wir sind wirklich „draußen“.
Wie wird der Erfolg einer Kampagne gemessen?
Die Leistungswerte werden von der ma Plakat bereitgestellt. Die Angabe erfolgt als PpS – Plakatseher pro Stelle – und gibt den jeweiligen Kontaktwert eines Standortes beziehungsweise eines Werbeträgernetzes an. Damit steht eine einheitliche Währung für den gesamten Prozess von Planung und Einkauf in der Außenwerbung bereit, der auch crossmedial vergleichbar ist. Einfluss finden unter anderem umfassende Mobilitätsdaten der Bevölkerung sowie der Frequenzatlas von Fraunhofer. Das ermöglicht die Ausweisung von Nettoreichweiten und Analysen nach Zielgruppen.
„Durch Programmatic schaffen wir eine neue Flexibilität und öffnen gleichzeitig unser digitales Inventar für Kunden, die bislang eher digital und online orientiert waren.“
Träumen ist erlaubt: Welches Projekt würden Sie gerne einmal realisieren?
Das ist schwer zu sagen. Ich glaube, dass gerade die Einführung von Programmatic bei uns neue, spannende Möglichkeiten eröffnen wird. Dadurch schaffen wir eine neue Flexibilität und öffnen gleichzeitig unser digitales Inventar für Kunden, die bislang eher digital und online orientiert waren. Wir wollen damit aber nicht nur neue Kundensegmente für die Außenwerbung ansprechen, sondern gleichzeitig auch eine planerische Flexibilität zur Abbildung der digitalen Customer Journey schaffen. Dafür müssen wir entsprechende Einkaufsmöglichkeiten anbieten, die in der digitalen Welt Standard sind. Dazu gehört, dass man Werbeflächen flexibel buchen kann, um mit Konsumenten, die immer mobiler unterwegs sind, während ihres Tagesablaufs in Kontakt zu treten.
Mit welcher Entwicklung rechnen Sie für den Bereich DOoH?
Out-of-Home ist laut den jüngsten Nielsen-Zahlen eines der wenigen Wachstumsfelder im gesamten Werbemarkt. In den ersten sieben Monaten ist der Bereich um zehn Prozent gewachsen. Und Digitalwerbung innerhalb von OoH hat sogar um 30 Prozent zugelegt. Das ist ein stärkeres Wachstum als Mobile. Die jüngste Analyse der OWM (Organisation der Werbungtreibenden) spricht OoH und vor allem DOoH auch für die nächsten zwei Jahre eine sehr hohe Bedeutungszunahme zu.
Digitale Außenwerbung macht derzeit in Deutschland etwas weniger als ein Drittel der gesamten Außenwerbung aus. Wie weit kann dieser Anteil noch ansteigen?
Mittelfristig streben wir einen Anteil von über 50 Prozent an. Und wenn wir über die deutschen Grenzen hinausblicken: Bei JCDecaux UK liegt der Digitalanteil bereits heute bei über 60 Prozent. Der Transformationsprozess wird weiter voranschreiten.
Was passiert durch einen deutschen Markteintritt Googles?
Es sind ja bisher nur unbestätigte Gerüchte, dass Google in den deutschen Markt eintreten könnte. Aber sollte Google sich tatsächlich mit diesem Gedanken beschäftigen, zeigt das doch nur, welche Relevanz Digital Out-of-Home inzwischen erreicht hat.
Einen ausführlichen Bericht und Statistiken zum Thema Digital Out-of-Home gibt es in der aktuellen Print-Ausgabe der absatzwirtschaft, die Sie hier bestellen können.