Profilschwäche von CDU und SPD stärkt polarisierende AfD – ein Kommentar von Karsten Kilian

Die Bundestagswahl 2017 ist vorbei, die politische Landschaft Deutschlands hat sich deutlich verändert. Die beiden Volksparteien haben klar verloren, die völkische Partei AfD ist zur drittstärksten Kraft geworden. Die FDP ist zurück. Eine Jamaika-Koalition kündigt sich an.
Karsten Kilian

Von Professor Karsten Kilian, Markenmanagement an der Hochschule Würzburg-Schweinfurt 

Die Schuld für die großen Wählerverschiebungen, insbesondere das Erstarten der AfD, müssen sich die beiden Volksparteien selbst zuschreiben. Die unzureichende Klarheit und Relevanz ihrer politischen Themen und damit vor allem die unscharfe Positionierung von CDU und SPD sind für die Wahlniederlage maßgeblich verantwortlich. Zugleich haben klare Botschaften am rechten Rand über 1,2 Millionen Nichtwähler zurück an die Wahlurnen gebracht und der AfD zwei Millionen Wähler von den bürgerlichen Parteien und der Linken beschert.

Blasse Volksparteien, aggressive AfD

Angela Merkels CDU versprach den Wählern Stabilität und Beständigkeit, was für viele konservative Unionswähler zu wenig war. Demgegenüber fokussierte sich Lindners FDP auf Bildung, Digitalisierung und Wirtschaft, was gut funktionierte, während die Grünen, wie immer, vor allem auf Nachhaltigkeit und Umweltschutz setzten und damit ihre Stammwähler größtenteils halten konnten. Das von Schulz für die SPD gewählte Kernthema Gerechtigkeit sorgte demgegenüber nicht für die gewünschte Resonanz, was in Zeiten von Vollbeschäftigung, Wirtschaftswachstum und Exportweltmeisterschaft nicht wirklich überrascht. Martin Schulz hat damit den Niedergang der SPD beschleunigt statt beendet. Der Status Volkspartei ist ernsthaft in Gefahr. Die Linke wiederum positionierte sich erneut als Umverteiler von oben nach unten, während sich die AfD mit deutlichen Aussagen als flüchtlings- und europafeindliche Partei positionierte und erfolgreiche polarisierte – und weiter polarisieren wird. AfD-Chef Gaulands Aussage, dass “wir uns unser Land und unser Volk zurückholen [werden]”, klingt wie die Kampfansage einer Exilregierung, die sich ihr von feindlichen Mächten erobertes Land zurückerobern wollen. Irritierender Weise möchte sie dabei vor allem eine Deutsche jagen: Angela Merkel.

Wähler fordern klare Antworten 

Die konturlose Kampagne der CDU hat gegenüber der SPD sehr gut funktioniert, der sie keine echte Angriffsfläche bot, dafür aber hat die Heile-Welt-Botschaft “Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben” der AfD über eine Million Unionswähler beschert, die klare Antworten hören wollten zu EU, innerer Sicherheit und Flüchtlingen – und von der AfD auch zu hören bekamen. Kohls Aussitztaktik, von Merkel scheinbar perfektioniert, hat mit der Bundestagswahl 2017 ihre Grenzen aufgezeigt bekommen. Merkel hat, wie Kohl, den richtigen Zeitpunkt für einen ehrenvollen Rückzug aus der Politik verpasst. Vor allem aber hat die Wahl gezeigt, dass die Wähler aufgrund der dringenden Probleme klare Antworten erwarten. Wer sie liefert, bekommt ihre Stimme, ob aus Überzeugung oder Protest ist zweitrangig. Die ruhige Hand von Angela Merkel jedenfalls wird nicht mehr ausreichen, um ein weiteres Erstarten der Rechten zu verhindern.

Die Jamaika-Koalition wird schwierig

Die Linke träumt weiter von Rot-Rot-Grün, die SPD von vergangenen Tagen als starke Arbeiterpartei und die AfD von einem nationalistischen Kurs à la Donald Trump: Germany First. Vermutlich sogar: Germans First. Für den amtierenden Exportweltmeister wäre das eine Katastrophe! Die AfD nimmt einen drohenden wirtschaftlichen Niedergang billigend in Kauf, viele ihrer Wähler scheinen das nicht im Blick zu haben. Sie haben die AfD nicht aus Überzeugung gewählt, sondern aus Protest. Das beruhigt einerseits, macht aber dennoch eine stabile Regierungsbildung schwierig. Die aktuell vor allem von der SPD propagierte Drei-Parteien-Regierung aus CDU/CSU, FDP und Grünen ist eine Partei zu viel. Sie wird sich erst einmal sortieren müssen, was bis auf weiteres Stillstand bedeutet. Für Deutschlands nahe Zukunft sind das keine rosigen Aussichten. Die AfD wird davon in nächster Zeit weiter profitieren. Man kann nur hoffen, dass die Jamaika-Koalition zustande kommt und bis in vier Jahren deutlich Fahrt aufgenommen hat, so dass die AfD 2021 wieder hinter der 5-Prozent-Hürde auf Nimmerwiedersehen verschwindet.

Über den Autor

Dr. Karsten Kilian ist Marketingprofessor an der Hochschule Würzburg-Schweinfurt. Er leitet dort den Masterstudiengang Marken- und Medienmanagement. Daneben hat er mit Markenlexikon.com das größte Markenportal im deutschsprachigen Raum aufgebaut.