Von Gastautor Scott Button, Mitbegründer und CSO von Unruly
Selbstfahrende Autos, dem Menschen zum Verwechseln ähnelnde Roboter und Schachgroßmeister erhalten ungeteilte Aufmerksamkeit; doch eigentlich ist es die künstliche Intelligenz, die sich in alles einschleicht: Von der Spracherkennung auf dem Smartphone bis zur Online-Bestellung von Fast-Food – sie ist allgegenwärtig. Es hat nicht nur den Anschein, dass Alexa und Siri immer smarter werden, sie sind es wirklich. Tag für Tag, genauso wie die meisten Connected Devices. Seit Jahren sind maschinelles Lernen und Prognosemodelle feste Bestandteile im Bereich der digitalen Werbung. Beide werden dazu genutzt, Werbebetrug zu bekämpfen und Kampagnenziele zu optimieren – zur Verbesserung der Lebensqualität von Konsumenten oder der Sichtbarkeit. Neuronale Netze und Deep Learning können diese nicht nur verbessern, sondern ermöglichen auch, neue Kampagnenideen zu entwickeln.
Ein Realitätscheck
Die erste Agentur für künstliche Intelligenz der Welt existiert bereits: Blackwood Seven wurde tatsächlich schon vor drei Jahren gegründet. Obwohl es beängstigend wirkt, scheint es doch relativ offensichtlich, dass Maschinen besser im Planen und Optimieren von Medien sind, als vermeintlich ausgebildete Fachkräfte, die mit Excel-Tabellen um sich werfen. Doch was passiert mit der Kreativität? Obwohl das Digitale stets die Möglichkeit der Optimierung, und daraus folgend Tausende kreative Ideen für verschiedene Zielgruppen verspricht, hat sich diese Strategie in der Praxis teils selbst überschlagen oder wurde, durch Mangel an Zeit und Geld, nur vereinfacht umgesetzt.
Wenn künstliche Intelligenz es also schneller und billiger kann, wird sie dann möglicherweise das Massenmarketing der Zukunft revolutionieren? In der Videoindustrie haben IBM Watson und Fox bereits in diesem Jahr künstliche Intelligenz für den neuen Trailer des Science-Fiction Horror-Streifens „Morgan“ genutzt. In einer Datenbank von Horrorfilmen wurden die Szenen mit der größten Spannung und den größten Schreckmomenten gesucht. Mithilfe von künstlicher Intelligenz, die die maschinelle Verarbeitung von Bild-und Audio-Dateien ermöglicht. Noch schlägt das künstliche neuronale Netzwerk nur vor, und es liegt noch in Menschenhand, die Szenen final zu einem Trailer zusammenzufügen. Doch es ist eine Frage der Zeit, bis sich auch dieser Prozess automatisiert.
Lassen Sie uns weiterdenken – es ist nicht verrückt, jetzt schon über die erste mit künstlicher Intelligenz arbeitende Werbeagentur zu spekulieren. Immerhin wissen wir heute bereits, wie dies aussehen würde: Ein neuronales Netzwerk sucht nach tausenden von Ideen und Storyboards, um Originalität, Bezug und emotionalen Einfluss von preisgekrönten Kampagnen der Vergangenheit und der Gegenwart zu identifizieren. Ein zweites neuronales Netzwerk bewertet dann die generierten Ideen und versucht herauszufinden, welche dieser Ideen oder Storyboards wirklich durch exzellente Arbeit von Menschenhand erzeugt wurden, und welche von Maschinen generiert wurden.
Künstliche Intelligenz liegt näher an der Wissenschaft
Das alles basiert nicht auf Fantasie und ist nicht so weit hergeholt, wie es vielleicht scheint: künstliche Intelligenz liegt näher an der Wissenschaft als an Science-Fiction. Ein entsprechend gut programmiertes, künstliches neuronales Netzwerk ist nicht nur darin besser als der menschliche Experte, objektiv Muster und Bilder zu erkennen (zum Beispiel bei der Messung der Markenpräsenz in einem Video). Es hat zusätzlich das Potential, Kreativität und die Atmosphäre des Beitrags in dem die Werbung geschaltet ist, die emotionale Reaktion der Zuschauer, und sogar, durch die neusten Trends der Wissenschaft, den ästhetischen und kreativen Wert der Werbung selbst und ihrer Tendenz, Stereotypen zu dienen, zu messen.
Darüber hinaus sind Werbung und Medien weiterhin Gegenstand radikaler Veränderungen. Umso mehr wir unser Kaufverhalten und unsere Entscheidungen über unseren Lebensstil von Algorithmen bestimmen lassen, und somit weitere Daten und Informationen freigeben, umso weniger Einfluss hat Werbung auf unser Kaufverhalten. In Zukunft gilt es, nicht mehr uns Menschen zu überzeugen, sondern die Algorithmen. Die hier beschriebenen Entwicklungen sind nicht nur besonders überraschend oder kontrovers: Sie liefern vielmehr einen Beweis dafür, dass sich künstliche Intelligenz unsichtbar macht, indem wir uns mehr und mehr an sie gewöhnen. In vielen Bereichen unseres Lebens geben wir bereits Teile unserer Verantwortung an Maschinen ab. Zudem geben wir dann noch freiwillig private Neuigkeiten und die kleinen Geschichten unseres Lebens an soziale Netzwerke preis und präsentieren die Reihenfolgen unserer Lebenspartner und One-Night-Stands innerhalb von Dating Plattformen. Am Ende vertrauen wir dem Algorithmus mehr als uns selbst.
Zum Autor: Scott Button, Mitbegründer und CSO von Unruly, gilt als Video Advertising Experte mit knapp 20 Jahren Berufserfahrung auf seinem Gebiet. Zusammen mit Sarah Wood leitet er Unruly, den internationalen Technologieanbieter für Social Media Marketing. Vor der Gründung von Unruly im Jahr 2006 war Scott, Chief Executive Officer von Connextra, einem Venture-Backed Ad Serving-Unternehmen in Großbritannien. Scott absolvierte in Cambridge den Master für Philosophie.