In einer heruntergekommenen Seitenstraße des Schanzenviertels in Hamburg befindet sich ein neuer Laden. Hier hängen keine Klamotten im Schaufenster oder Schmuck oder Taschen. Von außen sieht er ganz unscheinbar aus. Bis vor ein paar Wochen hatte hier noch ein anderes Geschäft seinen Standort. Nichts Außergewöhnliches – denn immer wieder entstehen in Hamburg und in anderen deutschen Großstädten Pop-up-Stores, die für ein paar Wochen ihr Geschäft eröffnen – und dann, ohne dass es jemand bemerkt, wieder verschwinden. Nun hat sich hier Jimdo niedergelassen: Die Homepagebauer bieten ihren Nutzern die Möglichkeit ihre eigene Webseite zu gestalten und das nun nicht mehr nur online.
„Die Idee war eigentlich herauszufinden, wie es ist, wenn Jimdo offline geht und es Jimdo zum Anfassen gibt. Weil wir ja eigentlich nur ein Onlineprodukt sind und es uns nicht haptisch gibt“, erklärt Hillevi Lausten, Partnerships-Managerin bei Jimdo, im Gespräch mit absatzwirtschaft. „Wir wollten einfach mal über eine gewisse Zeit einen Standort haben, wo die Kunden bei Problemen direkt hinkommen können.“ Pop-up-Stores bieten dem Kunden die einmalige Gelegenheit, Onlinefirmen in der realen Welt zu erleben.
Meist tauchen Pop-up-Stores unangekündigt auf
Nachdem sich Unternehmen für dieses Shopkonzept entschieden haben, ist in der Planung zunächst festzulegen, ob der Pop-up-Store Marken-, Kommunikations- oder Absatzziele erfüllen soll. Viele Start-up-Unternehmen testen aber auch auf diese Weise, ob ein Standort und die Kunden zu ihrem Produkt passen.
Ritter Sport, Weleda, Tommy Hilfiger, Ikea, H&M und der Onlineshop Frontlineshop fahren die Marketingstrategie, wollen ihre Marke vertreiben und in der Branche zum Gespräch werden – wenn auch nur kurzfristig. Claudia Horbert ist Expertin, wenn es um neuartige, innovative Ladenformate geht. Sie ist die Leiterin von Ladenplanung & Einrichtung am EHI Retail Institute in Köln und erklärt das Phänomen Pop-up-Stores so: „Dieses Ladenkonzept zeichnet sich dadurch aus, dass es versucht, neue Vertriebswege zu finden, neue Kunden anzusprechen und einen populären Standort kurzfristig anzumieten, um die Marke einem größeren Publikum zugängig zu machen. Die Unternehmen machen ihre Marke so interessanter, bieten in ihrem Shop aber nur ein paar ihrer Produkte an, um beim Kunden ein Muss-ich-haben-Gefühl auszulösen.“ Die Leiterin eines Arbeitskreises, der regelmäßig aktuelle Fragestellungen über Konzepte und Trends im Ladendesign aufgreift, erklärt weiter, dass die meisten Großunternehmen Pop-up-Stores zur Einführung neuer Produkte, neuer Konzepte, wie das „Go Green“-Konzept von H&M, oder zum Jubiläum nutzen.
Carsten Baumgarth und Olga Louisa Kastner schreiben in ihrem Paper des Institute of Management Berlin über verschiedene Alleinstellungsmerkmale von Pop-up-Stores und teilen diese in sechs Punkte ein:
▪ Für ein langfristiges Branding- und Kommunikationstool empfehlen die beiden Experten für Marketing und Markenführung, eine emotionale, authentische, erlebnisorientierte Einkaufssituation für den Kunden zu schaffen. Ikea zum Beispiel stellte 2008 in ganz New York fünf mal fünf Meter große Ikea-Paketboxen auf und präsentierte darin eine neue Wohnzimmer-Kollektion.
▪ Das Unternehmen erhöht seinen Markenbekanntheitsgrad, die Innovationskraft und fördert das Medieninteresse. Mit ihrem neuen „Garment Collecting“-Konzept schaffte es H&M im Bereich Nachhaltigkeit die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. „Bringen Sie Ihre gebrauchte Kleidung in ausgewählte H&M-Geschäfte. Für jede Tüte mit Kleidung, die Sie uns bringen, erhalten Sie einen Rabattgutschein für Ihren nächsten Einkauf.“ So funktioniert Recycling bei H&M.
▪ Ein gut designter Pop-up-Store entspricht den Bedürfnissen und Ansprüchen der urban-modernen Großstadtgesellschaft.
▪ Durch gutes Personal, das als Storyteller und Gastgeber fungiert, fördert das Unternehmen einen langfristig positiven Markeneindruck. Das Onlineunternehmen Jimdo stellt sich zum Beispiel den Fragen der Kunden nun direkt im Shop. Es macht die Marke greifbar und zeigt den Kunden auch, dass ein Austausch gern gesehen ist.
▪ Das Ladendesign, aber auch der provisorische, temporäre Charakter dient zur Untermauerung des Markenbrandings.
▪ Pop-up-Stores lassen sich als Branding- und Kundenbindungstools einsetzen, deren Ziel es ist, punktgenau starkes PR- und Medieninteresse zu generieren und eine persönliche Beziehung zwischen Marke und Konsument aufzubauen. Der Streetfashion-Onlineshop Frontlineshop setzte schon vor Jahren auf das Konzept des Pop-up-Stores. Nachdem das Unternehmen 2009 erstmals einen dieser Shops im Hamburger Schanzenviertel mit dem Ziel einer temporären Fusion von stationärem Einzelhandel und Online-Retail präsentierte, sollte das Konzept 2011 mit einem Pop-up-Store in Berlin erweitert werden. Das digitale Geschäftsmodell wollte durch einen analogen Pop-up-Store die erfolgreiche Positionierung von Frontlineshop als (lokalem) Opinion Leader zeigen.
Den Look der Marke wiederspiegeln
Auch weltweit agierende Unternehmen wie Tommy Hilfiger (5 000 Mitarbeiter; Jahresumsatz 2010: 4,6 Milliarden US-Dollar) präsentieren mit Prep World einen ganz eigenen Pop-up-Store und verkauften dieses Konzept als Tournee. Auf Sylt bauten sie beispielsweise direkt am Strand von Westerland ein typisches Beach-House, was zum eleganten Look der Marke passte: blau-weiße Markisen, dunkles Navyblau und ein weiter Blick aufs Meer. Und was zählt am Ende? Zufriedene Kunden, die kurzzeitig in eine neue Erlebnis- und Shoppingatmosphäre abtauchen und somit eine Marke im Gedächtnis behalten.