Von Sebastian Becker, Warschau
Man stelle sich vor: Eine rechtspopulistische Partei jenseits des AfD zieht mit absoluter Mehrheit in den Bundestag ein und strebt eine „Re-Germanisierung der Medien an”. Die ausländischen Eigentümer von Privatmedien werden aus dem Land gedrängt, damit ihre Häuser von Deutschen besetzt werden. Was wie schwarzes Kabarett klingt, wird gerade in ähnlicher Form in Polen in die Wege geleitet – bloß mit anderen Vorzeichen.
Polen, das größte östliche EU-Land, steht gegenwärtig in Europa in der Diskussion. Die nationalkonservative Partei für Recht und Gerechtigkeit (PiS) unter der Führung ihres Vorsitzenden Jarosław Kaczyński treibt den massiven Umbau der Medien voran, um sich im Eiltempo ihre Macht zu sichern. Und das gerade einmal drei Wochen nach dem Wahlsieg. Noch nie zuvor hatte in Polen eine neue Regierung so schnell reagiert, um sich zu konstituieren und um für massive Veränderungen in Staat und Gesellschaft zu sorgen.
„Im Bereich der einheimischen Presse möchten wir die Proportionen in den Eigentumsstrukturen ändern”, kündigte der neue stellvertretende Ministerpräsident Piotr Gliński an. „Wenn die Möglichkeit besteht, wollen wir die Medien von den ausländischen Eigentümern zurückkaufen”, sagte der Politiker. „ Wenn notwendig, werden wir dann eigene Unternehmen aufbauen oder die bereits bestehenden Firmen weiter entwickeln”, erklärte er.
Polnische Verlage auf dem Rückzug
Hintergrund: Damit hat die neue Regierung bewusst die deutschen Verlage ins Visier genommen, die in Polen über bedeutende Marktanteile bei den Printmedien verfügen. Die polnischen Verlage sind seit Jahren auf dem Rückzug und weisen immer weniger Anteile am Printmarkt auf, der etwa neun Prozent am milliardenschweren Gesamtmarkt ausmacht. Dieses Rad versucht Kaczyński nun mit einem weitreichende Umbau-Programm der Branche zurückzudrehen, das den Titel „Repolonisierung der Medien” trägt.
Der Versuch, die Ausländer bei den Printmedien zurückdrängen, ist dabei ein Punkt auf einer langen Liste, die Gliński im Interview mit der polnischen Nachrichtenagentur PAP vorstellte. Besonders stark könnte die Verlagsgruppe Passau betroffen sein. Das Unternehmen betreibt dort unter anderem 20 regionale Tageszeitungen, die eine Gesamtauflage pro Tag von mehr als 810.000 aufweisen. 3.000 Mitarbeiter werden dort nach Unternehmensangaben beschäftigt. Die Deutschen erreichen in Polen einen jährlichen Erlös von 120 Millionen Euro. Das ist nahezu die Hälfe des Gesamtumsatzes. Die Geschäftsführung wollte auf Anfrage momentan dazu noch keine Stellung beziehen.
Im Visier steht auch das Unternehmen Bauer Media, das dort nach eigenen Angaben ein führender Zeitschriftenverlag und Rundfunkbetreiber ist. Mehr als 30 Titel erzielen eine Verkaufsauflage von 300 Millionen Exemplaren pro Jahr. Die Deutschen verfügen mit der RMF Group über ein Radiounternehmen, deren Sendern täglich zehn Millionen Menschen zuhören. Auch das Management von Bauer Media wollte sich dazu auf Anfrage nicht äußern.
Chefredakteur als Intimfeind der Regierung
Ähnlich kommt Axel Springer ins Kreuzfeuer. Der Konzern hat in Polen gemeinsam mit dem Schweizer Konkurrenten Ringier ein Joint-Venture (RAS) gegründet, das gewichtige Titel vertreibt. RAS gibt beispielweise die Boulevardzeitung „Fakt” im „Bild”-Format heraus, die seit Jahren die unangefochtene Nummer eins bei den Tageszeitungen ist .
Darüber hinaus bringen die Deutschen mit einem weiteren Verlag die Tageszeitung „Dziennik Gazeta Prawna” an den Markt. Sie hinkt zwar bei den Auflagenzahlen eher hinterher, verfügt aber trotzdem über ein spürbares politisches Gewicht. Wichtig ist auch das Nachrichtenmagazin Newsweek Polska, das zu den auflagenstärksten im Land gehört und desssen Redaktion unter der Führung von Tomasz Lis steht – einem Intim-Feind Kaczyńskis. Anfang November machten Gerüchte die Runde, er könne seinen Posten als Chefredakteur auf Druck der PiS verlieren. RAS dementierte dies.
Hintergrund: Lis zählt zu den bekanntesten Journalisten Polens und stammt ursprünglich vom Fernsehen, wo er derzeit noch eine Live-Diskussionssendung im staatlichen TVP2 leitet. Hier scheinen seine Tage aber bereits gezählt. „So wie Lis momentan auftritt, gibt es keinen Platz in den öffentlichen Medien”, mahnte der PiS-Abgeordnete Krzysztof Czabański. „Er führt ein Propaganda-Programm”, begründete der Politiker.
Haltlose Vorwürfe
Die Emotionen kochen in Polen regelmäßig hoch, wenn sich Journalisten und Politiker streiten. Anders als in Deutschland versuchen sie gar nicht erst, ihre persönlichen Abneigungen zu verbergen. Die deutschen Eigentümer der polnischen Verlage haben sich aber nie in solche Streitigkeiten direkt eingemischt. Der unausgesprochene Vorwurf der PiS, sie würden mit ihren Zeitungen quasi eine Art deutsche Politik in Polen betreiben, ist schlichtweg falsch.
Die Redaktionen werden von Polen geleitet, die einzig allein das tun, was aus ihrer Sicht sinnvoll für den polnischen Leser ist. Und zwar einfach deswegen, weil sie sonst ihre Publikationen gar nicht verkaufen können.
An diesen Punkt wird wieder einmal deutlich, warum viele in Europa Kaczyński so skeptisch gegenüber stehen. Er gilt als Mann, der sich überwiegend von kaum berechenbaren Emotionen leiten lässt und weniger von rationalen Überlegungen.
Axel Springer zeigte sich trotzdem gefasst und erinnerte noch einmal an die Grundsätze der EU. „Wir vertrauen darauf, dass Polen als Mitglied der Europäischen Union weiterhin den Prinzipien von Demokratie und freier Marktwirtschaft folgen wird”, so ein Sprecher auf Anfrage. „Hierzu gehören auch Meinungs- und Pressefreiheit als Grundwerte in Europa”, mahnte er.