Seit einem Jahr leitet Country Manager DACH Jan Honsel das Berliner Büro der Online-Pinnwand. Zeit, um ein erstes Resümee zu ziehen und herauszufinden, wo die Reise von Werbetreibenden mit Pinterest hingehen kann und wo Grenzen erreicht sind.
Ich bin ganz nah an Ihnen dran. Sie haben 59 Pinnwände, ich 54. Da könnte ich Sie bald einholen.
JAN HONSEL: Das ist doch super. Der durchschnittliche Pinner hat 24. Da liegen wir beide deutlich drüber. Ich freue mich immer, Menschen zu treffen, die aktiv auf der Plattform sind, weil die wissen, worum es bei Pinterest wirklich geht.
Aber meine Follower können mit Ihren nicht mithalten. Ich habe nur 100.
Die Follower-Zahlen sind bei Pinterest nicht so wichtig. Man sollte diese Follower-Denke, die man von den klassischen Social Networks gewohnt ist, bei Pinterest ablegen. Hier gelten andere Regeln. Es gibt Marken und Menschen, die extrem viel Engagement auf ihrem Content erfahren und trotzdem nicht viele Follower besitzen. Das Profil ist zwar die Marken-Visitenkarte, aber die Mehrheit entdeckt den Content über andere Wege.
Am meisten pinnen aber immer noch Frauen. Sind wir Hauptzielgruppe?
Erst einmal ist jeder Zielgruppe. Schaut man sich aber die aktuellen Nutzerzahlen an, dann wird die Plattform schon mehrheitlich von Frauen genutzt. Aber die Männerzielgruppe ist die, die sehr stark wächst, und wir setzen weiterhin auf internationales Wachstum.
Ich habe auch gelernt, dass Pinterest keine Social-Media-Plattform ist. Warum diese Abgrenzung?
Weil es bei uns so gesehen nicht um Social Media geht. Bei uns stehen Inhalte im Mittelpunkt, mit denen man seine Zukunft planen kann. Da geht es weniger um den Kontakt zu anderen Menschen, vielmehr um den Kontakt zu Inhalten und Marken.
Was zeichnet einen Pinterest-Nutzer aus?
Das können wir gar nicht so einfach sagen, denn Menschen sind vielfältig. Dementsprechend sind das unsere Nutzer auch. Es gibt ein schönes Beispiel: Wenn sie nach „rusty metal“ suchen, dann finden sie Hunderte von Pinnwänden, die sich nur mit rostigem Metall beschäftigen, mit der Struktur, mit der Form und mit Kunst – das klingt vielleicht ein wenig ungewöhnlich, aber so sind Menschen und somit auch unsere Nutzer. Was man sich aber angucken kann, sind unterschiedliche Content-Kategorien, in denen am meisten Aktivität herrscht. Und die sind weltweit fast einheitlich: Es handelt sich immer um Food, Fashion, Home-Dekor, männliche und weibliche DIY-Projekte, also von Häkelfiguren bis Terrasse verlegen, Travel, Beauty und Parenting, also alles, was mit Familie und Kindern zu tun hat.
Marken und Unternehmen könnten das doch prima nutzen, vor allem wenn es um Werbung geht. Welche unterschiedlichen Formate in Sachen Werbeplatzierung gibt es auf Pinterest?
Grundsätzlich muss man sagen, dass Pinterest für Unternehmen sicherlich aus zweierlei Gründen ganz spannend ist. Der erste Grund ist natürlich Content Marketing: Zwei Drittel des Contents der heute auf Pinterest lebt, und wir reden da von über 50 Milliarden Pins, die Menschen auf eine Milliarde Boards kuratiert haben, stammen von professionellen Quellen. Das kann eine Verlags- oder Medien-Webseite, eine Marke wie Maggi und Dr. Oetker oder ein E-Commerceler wie Zalando sein – alleine das ist für Unternehmen extrem viel wert.
Der User empfindet diesen Content nicht als störend?
Nein, er empfindet es nicht als Werbung, denn er sucht ja freiwillig nach neuer Inspiration. Er empfindet es als nativen Content-Bestandteil, und er löst sein Problem. Der zweite Punkt, warum Pinterest für Marken von Wert ist, ist das ganze Thema Promoted Pins. Das Unternehmen hat die Möglichkeit, die Pins durchzutargeten und dem User genau dann die richtigen Produkte und Links zur Webseite auszuspielen. Das macht natürlich Werbekunden auch glücklich. Weil sie zu ihren bezahlten Impressionen noch eine Menge oben drauf bekommen.
Was bringen Ihnen die Buyable Pins, die gerade in Amerika eingeführt wurden?
Buyable Pins bringen uns kein Geld. Da muss das Unternehmen nicht bezahlen, es ist einfach nur eine Aufwertung des Pins, weil der User den Pin nicht nur repinnen kann, sondern das Produkt auch direkt kaufen kann. Dies passt wieder genau zu unserem Dreiklang: Discover. Save. Do. Wir wollen ja genau, dass die Menschen mit den Inhalten, die sie auf Pinterest finden, auch etwas tun können.
In Deutschland ist das noch nicht geplant?
Sowohl Promoted Pins als auch Buyable Pins werden wir perspektivisch auch in Deutschland ausrollen. Wir haben da noch keine Timeline. Wir schauen uns jetzt erst einmal die Entwicklungen in Amerika an und generieren unsere Erfahrungen. Dort sind die Buyable Pins auch erst Ende Juni gestartet und komplettes Neuland.
Wie geht Pinterest vertrieblich vor und gewinnt Kunden?
Pinterest gewinnt neue User über organische Wege wie zum Beispiel mündliche Empfehlungen, einen direkten Austausch mit der aktiven Pinner-Community, aber auch durch eigene Entdeckungen auf Pinterest, beispielsweise bei der eigenen Suche nach Inspirationen. Des Weiteren schafft Pinterest Aufmerksamkeit mit der Präsenz auf Konferenzen, durch Vorträge, Co-Marketing sowie durch die Zusammenarbeit mit Medien und Marken.
Blogger können keine Affiliate Links mehr verwenden. Die haben sich in der Vergangenheit durch die Verlinkung ihrer Lieblingsmodeartikel ein lukratives Zubrot verdient. Mit der Entfernung haben Sie ein paar Modeblogger geärgert. Gehörte das mit zur E-Commerce-Offensive?
Wir haben ein paar Unternehmensrichtlinien und eine davon ist „Put Pinners first“. Was immer wir tun, tun wir für den User und im Zweifel auch mal zu unserem wirtschaftlichen Nachteil. Das heißt wir möchten verhindern, dass Content ins System kommt, weil jemand dadurch einen finanziellen Vorteil erlangt. Wir möchten nicht, dass Pinner dafür bezahlt werden, dass sie Inhalte pinnen, und wir möchten auch nicht, dass sie nur etwas pinnen, weil sie, wenn jemand draufklickt, Geld erhalten. Deswegen haben wir das abgestellt.
Deutschland ist, wenn es um digitale Marketingkanäle geht, ein wenig hinten dran. Wird Pinterest als Marketingkanal hierzulande noch unterschätzt?
Ich würde natürlich immer Ja sagen. Es gibt auch weitere Stimmen im Markt, die das ebenso meinen, weil sie sehen, welchen Impact wir in den USA geliefert haben. Unterm Strich muss man aber sagen: Wir sind erst ein Jahr in Deutschland. Man sieht alleine dadurch, dass ein Team vor Ort ist, dass unsere Präsenz zunimmt. Unsere Userzahlen haben sich verdreifacht, 300 Millionen Pins haben die Menschen hier in Deutschland in den vergangenen zwölf Monaten gepinnt. Das ist eine ganz schöne Menge an Content, die da bewegt wurde. Und die Intensität nimmt stetig weiter zu.
Welche Marken und Medienpartner haben Sie gewonnen?
Wenn man auf der Markenseite schaut, dann sind es etwa Maggi und Dr. Oetker, die klassische Food-Player sind, die super Content und tolle Rezepte haben, was natürlich perfekt zu unserer Plattform passt. Aber auch E-Commerceler wie Zalando oder ein klassischer Multi-Channel-Player wie Otto sind an Bord. Das ist das Set, was wir innerhalb der vergangenen sechs Monate betreuen konnten. Wir haben aber auch mit fast allen großen Verlagshäusern zusammengearbeitet. Von Burda über Bauer bis Gruner + Jahr und Axel Springer. Mal sind wir mit vielen Titeln, mal mit nur einer kleinen Auswahl im Gespräch und helfen diesen Publishern, das Produkt zu verstehen und damit zu arbeiten.
Viele Verlage haben sich bis vor einem Jahr noch nicht mit Pinterest beschäftigt. Warum hat diese Verlagswelt ein Problem, wenn es um Werbeplatzierungen geht?
Ich hab das Glück, dass ich lange Jahre im Verlagswesen unterwegs war. Verlage müssen sich mit dem Thema „Unbundling“ von Content anfreunden. Da gibt es Verlage, die tun sich sehr schwer damit, und dann gibt es, oftmals neue, Player wie Buzzfeed die genau wissen, wie man neue Kanäle richtig für sich nutzt. Buzzfeed, generiert viel Traffic über Social Media. Denen ist es egal, ob die Homepage tot ist, denn die Leser landen am Ende trotzdem beim Artikel und konsumieren den Content.
Ist nicht auch Buzzfeed ganz stark auf Pinterest?
Wir sind nach Facebook mit deutlichem Abstand die Traffic-Quelle Nummer zwei von Buzzfeed. Bei Martha Stewart sind wir sogar Nummer eins vor Facebook, weil es vom Use-Case viel näher an unserem Produkt liegt. Pinnst du zum Beispiel ein Avocadorezept bei Pinterest, hat es für dich persönlich eine höhere Relevanz – da geht es nicht um deine Freunde, wie zum Beispiel bei Facebook.
Deshalb gibt es viele Content-Player, für die Pinterest der natürlich beste Partner wäre?
Vielleicht nicht immer der einzige, aber sicherlich oft ein sehr relevanter, richtig. Diese Erkenntnis muss und wird sich nun auch außerhalb Amerikas durchsetzen. Es gibt einige, die früh mit uns zusammengearbeitet haben, aber es gibt auch einige, die noch nicht so weit sind. Die werden es später schwer(er) haben. Am Ende gilt der alte stumpfe Spruch: „Geh dahin, wo deine User sind.“ Wenn der User heute nicht mehr auf der Unternehmens-Homepage ist, dann muss die Marke halt andere Wege finden, die Kunden zu erreichen.
Ist es wahrscheinlich, dass es Pinterest noch in fünf Jahren geben wird?
Ich glaube, das ist sehr wahrscheinlich, weil wir die eher normale, lebensnahe und manchmal auch unaufgeregtere Plattform sind. Und weil es bei uns nicht um wildes Picture Sharing wie bei Snapchat geht oder um Social Communication mit den Freunden.
Schon früher haben sich die Leute Sachen aus Zeitschriften herausgerissen, haben diese an ihre Pinnwand gepinnt oder in einen Ordner eingeklebt. Das, was wir machen, ist so alt wie die Welt. Content entdecken, Content ordnen und Content nutzbar machen. Man plant seine Zukunft mit Pinterest. Ich wüsste nicht, warum so ein Bedürfnis irgendwann nicht mehr bestehen sollte.
Was sind die nächsten Ziele, wenn Pinterest dann zwei Jahre in Deutschland ist?
Das Potenzial des Produkts ist noch lange nicht ausgeschöpft. Wir haben uns teammäßig im vergangenen Jahr verdoppelt, die Userzahlen haben sich verdreifacht. Ich glaube, das wird in der Geschwindigkeit so weitergehen.