Von Anne-Kathrin Velten
Es ist international das gleiche Bild: Frauen haben im Durchschnitt die besseren Schul- und Hochschulabschlüsse und erhalten mehr Stipendien. Obwohl sie besser für die Berufswelt qualifiziert sind, hinken sie beim Verdienst hinter dem anderen Geschlecht her. In Deutschland ist diese Lücke besonders groß, so die OECD.
Das gilt gerade in der Führungsetage. Nicht einmal jede fünfte Führungskraft in mittelständischen Unternehmen ist weiblich. In DAX-Konzernen nur jede zehnte, so EY. Dabei sind Frauen laut den Wirtschaftsprüfern ihren männlichen Kollegen neben der Bildung auch in Selbstwahrnehmung, Empathie, Mitarbeitermotivation und Führungskompetenz überlegen. Der entscheidende Grund aber, warum Personaler ihren Fokus auf Frauen richten sollten, ist ihre Treue. Gerade hochqualifizierte Frauen wechseln seltener. In Zeiten von demografischem Wandel, „war for talents“ und selbst gesteckten Frauenquoten ist das besonders wertvoll.
Weltweit möchten mehr als drei Viertel aller Konzerne Frauen für Leitungspositionen gewinnen. In Deutschland und Europa ist Personalmarketing aber kaum auf Top-Frauen ausgerichtet. Es lohnt der Blick nach Fernost. Weibliche Manager und Führungskräfte sind hier aufgrund demografischer Strukturen noch stärker gefragt. Zugleich zeigt der globale Gender-Gap-Index, dass die berufliche Ungleichheit zwischen Männern und Frauen weit ausgeprägter ist als in Westeuropa. Darum müssen sich erfolgreiche Unternehmen viel einfallen lassen, gute Frauen zu halten und neue anzulocken.
Sabbatical statt Ausstieg
Insbesondere in den Tigerstaaten wächst die Mittelschicht ständig. Dies führt zu einer hohen Anzahl weiblicher Talente. Das existierende Ungleichgewicht zwischen hoher Bildung einerseits und bestehenden sozialen Barrieren in Bezug auf Frauen andererseits gehen asiatische Niederlassungen und Firmen ganz individuell an. Unilever Plc hat es sich als eiserne Regel gesetzt, alle verfügbaren Stellen mit der gleichen Anzahl qualifizierter männlicher und weiblicher Kandidaten zu besetzen. Die DBS Group Holdings Ltd. in Singapur setzt beispielsweise auf flexible Arbeitsrichtlinien. So soll ein besseres Umfeld für Frauen mit Familie oder hoher Freizeitaffinität geschaffen werden.
Die Unternehmen betonen in großen Kampagnen ihr Ziel, Familienorientierung nicht als Karrierehindernis anzusehen. Asiatische Frauen sind häufiger hauptverantwortlich für ihre Kinder und pflegebedürftige Eltern als europäische Frauen. Die DBS Group gestaltet darum ab einer gewissen Führungsebene Erziehungs- und Pflegezeiten individuell. Ebenso stellt sie Frauen über Jahre frei, falls der Partner beruflich ins Ausland versetzt wird. „Sabbatical statt Ausstieg“ lautet einer der Personalmarketing-Slogans. Die Folge: Mitte 2018 waren 40 Prozent der Positionen des Senior Vice President und höher von Frauen besetzt. Vor zwei Jahren waren es nur 15 Prozent.
Andere Unternehmen gehen noch einen Schritt weiter. Sie haben ein Programm für alleinerziehende Mütter entwickelt. Diese können beispielsweise bevor ihre Kinder an die Uni wechseln eine Auszeit nehmen. So sollen sie Zeiten haben, die Abschlussprüfungen der Kinder zu begleiten oder einen letzten gemeinsamen Urlaub zu machen.
Procter & Gamble will über längere Bewerbungsverfahren sicherstellen, dass Frauen die gleichen Chancen haben. Dem Unternehmen ist aufgefallen, dass hochqualifizierte Frauen sich auf Positionen nicht bewerben, weil diese womöglich an einem anderen Standort sind. Damit die Frauen Umzug und Kinderbetreuung regeln können, plant das Unternehmen mindestens ein halbes Jahr Vorlaufzeit für wechselwillige Frauen ein.
Typisch weibliche Themen
Asiatische Firmen, die besonders gut darin sind, hochqualifizierte Frauen anzuwerben und zu halten, folgen einem zweistufigen Personalmarketingansatz. Sie setzen in ihren Recruiting-Anzeigen auf „typisch weibliche Themen“. Das sind die Vereinbarung von Familie und Beruf, flexible Karriereplanung und spezielle Förderprogramme für Frauen. Dabei sind sie sowohl mit Werbeveranstaltungen an Universitäten, im sozialen Netz, aber auch mit großflächigen Plakaten im öffentlichen Raum aktiv.
Ist die gewünschte Bewerberin gewonnen, legen die Unternehmen wert auf maßgeschneiderte Betreuungen und Lösungen. Die Karrierewege der Frauen werden oft öffentlichkeitswirksam auf der Firmen-Homepage vorgestellt. Frauennetzwerke werden gezielt für das Recruiting genutzt und die Frauen zu echten Werbeträgern gemacht. Dass die Frauen ihre Werdegänge öffentlich machen, ist dabei oftmals Teil von Vereinbarungen.