Otto arbeitet seit 2017 am Wandel vom Einzelhändler zum Plattformanbieter. Was ist dabei die größte Herausforderung?
SEBASTIAN KLAUKE: Die größte Herausforderung für meine Kolleginnen und Kollegen ist, dass sie so vieles gleichzeitig hinkriegen müssen. Die Plattform entsteht ja nicht auf der grünen Wiese, sondern vor dem Hintergrund eines 3-Milliarden-plus-Handelsgeschäfts, das weiter funktionieren und wachsen muss. Damit einher geht eine anspruchsvolle Transformation in Technologie und Prozessen. Und durch die Plattform ändert sich auch die Customer Journey der Endkunden. Außerdem wird eine ganz neue Partner-Journey für die B-to-B-Partner erschaffen. Das alles muss ineinander verzahnt und gleichzeitig realisiert werden. Die Organisation, die bisher monolithisch ein Geschäftsmodell betrieben hat, muss jetzt de facto im Parallelbetrieb das neue aufbauen. Das ist allein in puncto Organisationsentwicklung – wie organisiere ich den Wandel? – hochgradig herausfordernd.
Und wie läuft’s?
Bei dem Thema sitzen wir natürlich alle innerhalb der Otto Group auf der Stuhlkante und fragen: ,Geht das nicht noch schneller als ohnehin schon?‘ Aber mal ganz ehrlich: Otto ist schon sehr weit, gerade auch im Hinblick auf die technologischen Herausforderungen. Prozesse und Zusammenarbeit funktionieren und das Bestandsgeschäftsmodell Handel wächst sehr, sehr erfreulich. Wir sind noch lange nicht fertig, aber wir sind mit dem, was wir bisher geschafft haben, zufrieden und auch stolz darauf, wie gut es bisher funktioniert hat.
Wie ist denn die Resonanz seitens der potenziellen Partner?
Otto kann sich vor Nachfragen nicht retten. Ich würde sagen – Manöverkritik –, beim nächsten Mal würden wir später verkünden, was wir vorhaben, denn die Partner rennen den Kolleginnen und Kollegen die Bude ein. Das ist natürlich ein schönes Problem. Trotzdem schalten wir nicht gleich 10.000 Partner auf die Plattform, sondern erst einmal ein paar hundert. Denn wir müssen erst einmal lernen und werden ganz sicher trotz aller klugen Discovery und Technologie feststellen, dass wir manches noch verbessern können. Wir müssen uns den Freiraum erhalten, nachsteuern zu können. Die Stärke unserer Transformationsleistung liegt nicht zuletzt im iterativen Vorgehen.
Apropos nachsteuern: Bedingt das Betreiben einer Plattform nicht auch einen Kontrollverlust?
Genau den gilt es natürlich weitestgehend zu vermeiden. Das ist ja einer der Gründe, warum die Transformation so herausfordernd ist. Denn: In der Vergangenheit habe ich für meine Organisation in meinem Einkaufsprozess komplett bestimmt, was dem Kunden wie angeboten wird und zu welchem Preis. Auf der Plattform erlaube ich eine ganz andere Konkurrenz. Das ist ein riesiger Kultur-Shift. Das hört sich nach einer banalen Prozessveränderung an, aber die Transformation ändert zum einen die Art des Zusammenarbeitens, letzten Endes aber auch das Maß an unmittelbarer Kontrolle, das ich ausüben oder eben auch nicht ausüben kann. Das gilt aber ehrlicherweise im ganzen Konzern und nicht nur dort, wo wir den Handel um Plattform erweitern. Ich glaube, die Akzeptanz eines gewissen Kontrollverlusts ist ein Leitmotiv des ganzen kulturellen Wandels. Man muss ihn als Erfolgsfaktor nutzen, weil er Geschwindigkeit bringt. Das ist die große Kunst.