Der Versandhändler Otto setzt auf mehr Büropräsenz, um den Zusammenhalt und die Unternehmenskultur zu stärken. „Den Mitarbeitenden muss vermittelt werden, dass für bestimmte Themen ein Austausch in Präsenz notwendig ist, um informiert zu bleiben“, sagte Unternehmenspatriarch Michael Otto in einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur. „Und dass ohne persönliches Miteinander auch die Unternehmenskultur leidet.“
Nach einer Phase flexibler Homeoffice-Regelungen hat die Otto Group zum Jahresbeginn eine Mindestanwesenheit von 50 Prozent für Mitarbeitende in der Holding und im Onlinehandel eingeführt. Tochtergesellschaften wie Hermes sind von dieser Vorgabe ausgenommen. Das Ziel: mehr direkte Kommunikation und effizientere Abstimmungsprozesse.
Eine aktuelle Untersuchung der Universität Konstanz bestätigt die Herausforderungen des Homeoffice-Trends. Während Mitarbeitende im Schnitt fast drei Tage pro Woche remote arbeiten, beklagen 43 Prozent der Führungskräfte schlechtere Kommunikationsflüsse. Auch 30 Prozent der Angestellten ohne Führungsverantwortung sehen darin ein Problem.
Probleme im Homeoffice: Kreative Branchen profitieren vom direktem Austausch
Otto selbst sieht vor allem die Führungskräfte in der Verantwortung, mehr Präsenz zu etablieren. „Wichtig ist meines Erachtens, dass viele gemeinsame Besprechungen und Veranstaltungen in Präsenz stattfinden“, betont er. Um den Weg ins Büro attraktiver zu machen, investiert das Unternehmen zudem in moderne und ansprechende Arbeitsumgebungen.
Die Maßnahmen zeigen bereits Wirkung: „Wir stellen fest, dass wir schrittweise zurück zu höheren Präsenzquoten kommen“, so Otto. Experten bestätigen Ottos Ansatz. Der Prozess müsse aber unterstützt werden.
Der Wirtschaftswissenschaftler Oliver Stettes vom Institut der Deutschen Wirtschaft sieht Vorteile in der direkten Zusammenarbeit: „Man muss sich genau ansehen, welche Auswirkungen es hat, wenn Leute sich nicht treffen. Wenn vor allem im direkten Austausch Ideen geboren werden, braucht man körperliche Anwesenheit. Das geht dann nicht anders.“ Besonders kreative Branchen wie Marketing und Werbung profitieren vom spontanen Ideenaustausch vor Ort.
Unmut bei Otto-Mitarbeitenden
Doch nicht alle Mitarbeitenden zeigen sich von der neuen Regelung begeistert. Laut einem Bericht von Golem.de haben rund 200 Otto-Beschäftigte Kritik an der verpflichtenden Bürozeit geäußert. Viele hatten sich an die Flexibilität des Homeoffice gewöhnt und ihre private Lebenssituation entsprechend angepasst. Unternehmenssprecher Frank Surholt verteidigt die Entscheidung: Die Vorteile eines hybriden Arbeitsmodells könnten nur dann voll zur Geltung kommen, „wenn wir dauerhaft und unternehmensweit eine ausgewogene Balance aus Präsenz- und Remote-Arbeit schaffen.“
Dennoch bleibt die Herausforderung bestehen, die Interessen der Mitarbeitenden mit den Unternehmenszielen in Einklang zu bringen. Eine transparente Kommunikation und mögliche Anpassungen dürften entscheidend sein, um Akzeptanz für die neuen Vorgaben zu schaffen.
Mit Material der dpa.