In den vergangenen Jahren hatten sich Länder in Osteuropa und auf dem Balkan immer wieder beschwert, dass bei ihnen in der Schokocreme und in anderen Produkten minderwertige Zutaten stecken sollten. Besonders national gesinnte Politiker nutzten die Gerüchte im Europa-Wahlkampf gezielt, um Stimmung gegen die EU zu machen. Länder wie Polen oder Ungarn fühlten sich diskriminiert, von „Lebensmittel-Rassismus“ war die Rede. Die tschechische Regierung beschwerte sich, bei einigen Produkten sei das Land die Mülltonne Europas (wir berichteten).
All das kochte so hoch, dass sich schließlich die EU-Kommission dem Thema angenommen hat und ein für allemal für Klarheit sorgen wollte. Etwa 1400 Proben von 128 Lebensmitteln hat sie auf Initiative von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker verglichen. Unter anderem auch die Nutella-Zusammensetzung in knapp 20 Ländern der Union. Das Ergebnis: die Schokocreme ist überall gleich und überall gleich ungesund.
Verschiedene Rezepturen für unterschiedliche Geschmäcker
Bei neun Prozent der Produkte wie Bier, Softdrinks, Nudeln oder Kekse wurde allerdings eine unterschiedliche Zusammensetzung der Zutaten festgestellt, obwohl die Vorderseite der Verpackung identisch ist. Bei weiteren 22 Prozent der Lebensmittel war die Verpackung zumindest ähnlich gestaltet. Tatsächlich dürften damit einige Lebensmittel in verschiedenen EU-Ländern unterschiedlich schmecken. Allerdings, so die EU-Kommission, sei dies keine böse Absicht, sondern den unterschiedlichen regionalen Geschmäckern geschuldet. Die Studienleiter konnten kein einheitliches geographisches Muster, etwa ein Ost-West-Gefälle, hinter den Unterschieden erkennen. Sie seien jedoch Anlass für die EU, das Thema weiter im Blick zu behalten.
Der deutsche Markenverband begrüßte die Testergebnisse. „Ein angebliches Ost-West-Gefälle hat es nie gegeben“, so Christian Köhler, Hauptgeschäftsführer des Verbandes. Es sei schon immer das Bestreben von Markenherstellern, ihre Produkte bestmöglich an die Verbraucherpräferenzen anzupassen. Deshalb können und sollen ganz bewusst manche Produkte auch in Finnland nicht genauso schmecken wie in Portugal.
Das Argument der regionalen Vorlieben wurde von Unternehmen stets vorgebracht, wenn osteuropäische Länder sich beschwert haben. Dagegen wappnet sich nun auch die EU. Die nationalen Behörden könnten, so die Kommission, auf Grundlage der vorliegenden Untersuchung die betreffenden Fälle einzeln prüfen, um irreführende Praktiken zu ermitteln, so Verbraucherkommissarin Vera Jourová. Sie verwies darauf, dass Verbraucherschutzbehörden über neue Vorschriften die nötigen Instrumente an die Hand gegeben seien, gegen mögliche Missstände vorzugehen.
Markenverband kritisiert Pläne der EU
Bildungs- und Kulturkommissar Tibor Navracsics sprach bei der Vorstellung der Testergebnisse von einer „gemischten Bilanz“. Zwar gebe es keine „Kluft zwischen Ost und West“. Doch erfülle es ihn mit Sorge, dass knapp ein Drittel der Proben trotz unterschiedlicher Zusammensetzung identisch oder ähnlich vermarktet würden. Jourová kündigte an, mit neuen Vorschriften Doppelstandards unter Strafe zu stellen. Die Verbraucher könnten künftig darauf vertrauen, „dass der Inhalt des Produkts den Angaben auf der Packung genau entspricht“.
Ein Verbot von Doppelstandards werde dazu führen, dass Hersteller nicht mehr auf regionale Wünsche der Verbraucher eingehen könnten, sagt daraufhin der deutsche Markenverband. Der Verband kritisiert, dass sich die EU zu sehr von der Stimmung vor der Europawahl habe leiten lassen und viel Geld für einen ohnehin unnötigen Test ausgegeben habe. „Umso unverständlicher ist, dass die Kommission nun Geld bereitstellen will, um Tests zum Thema Dual Quality fortzusetzen“, so Köhler. Und weiter: „Damit führt der Weg nicht in regionale Vielfalt, sondern in europäische Einheitsprodukte.“
So eindeutig die Ergebnisse der Studie auch sein mögen, final scheint das Thema noch nicht vom Tisch.