Marie Kondo war eine der ersten, die uns mit einem sanften Lächeln Lust aufs Aufräumen bereitete. Mit ihrer Konmari-Methode und deren Kernfrage „Does it spark joy?“ (zu Deutsch in etwa: Macht es mich glücklich, wenn ich diesen Gegenstand in die Hand nehme?) ist die japanische Ordnungsberaterin und Bestsellerautorin seit mehr als zehn Jahren aktiv.
Spätestens 2019 avancierte Kondo mit der Netflix-Realityserie „Aufräumen mit Marie Kondo“ selbst zur Weltmarke und löste einen Hype ums Aufräumen, Ausmisten und Ordnunghalten zu Hause aus. Das perfekte Timing in Hinblick auf die 2020 startenden Homeoffice- und Lockdownphasen – und der Startschuss für eine wachsende Zahl an Decluttering-Spezialist*innen, die in der Folge die Social-Media-Kanäle mit Organisationstipps fluteten.
Marie Kondo war nur der Anfang
Kondos Alleinstellungsmerkmal – das effiziente Aufräumen anhand des festen Regelwerks ihrer Konmari-Methode – haben sich seitdem viele Content Creator*innen zum Vorbild genommen und weiterentwickelt. Ihre Accountnamen sind auf ein sehr zugespitztes inhaltliches Programm ausgerichtet: myorganized.life, reset_your_nest oder organizingways zeigen, wie unangenehme Aufgaben wie eine Backofen- oder Abflussreinigung spielend leicht und mit besten Effekten erledigt werden können. Ganz einfach!
Auch deutsche Creator*innen wie ordnungnebenbei sind mit schnell wachsenden Followerzahlen erfolgreich auf den Zug Richtung „Ordnung macht glücklich“ aufgesprungen. Ihr Versprechen ist dabei so reizvoll wie eingängig: durch neue Routinen und regelmäßige Mini-Tasks mehr Zeit für das wirklich Wichtige im Leben zu haben.
Die Emotionalisierung des Putzens
Das Prinzip der Mini-Tasks bewährt sich dabei offenbar besonders in Krisenzeiten – ob Covid oder Ukrainekrise: Erfolgserlebnisse aus kleineren Aufgaben, die etwa in der Homeoffice-Pause oder nach Feierabend zu Hause erledigt werden konnten, helfen gegen die Niedergeschlagenheit und locken in kleinsten Schritten aus der Komfortzone, bis ein Gefühl von Zielerreichung und Selbstwirksamkeit eintritt.
Ganz nach dem Motto: Wenn die Welt da draußen in Unordnung ist, soll wenigstens zu Hause alles in Ordnung sein – oder kommen. Wie es scheint, reicht bei vielen schon das reine Zuschauen: Videos von Menschen, die ihre Kühlschränke säubern und neu einräumen, generieren im Internet Millionen Klicks, im linearen Fernsehen haben sich Shows wie „Organize ’n Style“ auf dem Sender Sixx etabliert, bei Netflix gibt es Entrümpelungsformate wie „The Home Edit“.
Wer selbst aktiv werden will, abonniert die entsprechenden Social-Media-Kanäle, lädt Wochen- und Tagespläne herunter und besorgt die Basisausstattung, um mit der neu geschaffenen Ordnung auch dauerhaft glücklich zu werden. Schließlich kann auch die Konzentration auf das Wesentliche (Stichwort: „Does it spark joy?“) mit Konsum verbunden sein: Dabei helfen neue Ordnungsboxen, hocheffektives Reinigungsmittel und andere Werkzeuge, die Pullover millimetergenau ausrichten, das Gästebad mit Kosmetikprodukten im Reiseformat bestücken und dafür sorgen, dass die Ordnung möglichst lange anhalten kann.
Decluttering-Trend birgt beste Chancen zum Product Placement
Unternehmen wie Muji scheinen mit ihren Ordnungssystemen aus Metall, Acryl und Polypropylen wie gemacht zu sein für die minimalistische Ästhetik, die beim Decluttering-Content vorherrscht. Doch auch andere Marken können ihre Produkte glaubhaft in einem organischen Umfeld platzieren und vermarkten. Nur eines von mehreren gelungenen Beispielen: die Kooperation von Ordnungnebenbei und Everdrop – oder jüngst mit Kobold, die bei der selbsternannten „Alltagscoachin“ auf Instagram in den Highlights platziert ist.
Auch im Lifestylebereich eher schwer zu platzierende Gebrauchsgegenstände finden so eine native Werbefläche, Produktempfehlungen sogar entfernterer Branchen gewinnen im richtigen Umfeld an Authentizität.
Auch Clea Shearer und Joanna Teplin, Gründerinnen und Hauptfiguren der Netflix-Aufräumproduktion „The Home Edit“, wurden durch ihren Instagram-Account berühmt. Im Sortiment der Organisationsprofis sind neben Aufräumaktionen längst eigene Produkte, die unter anderem auf Instagram und in Special Editions bei Walmart vertrieben werden. Wer als Content-Creator*in dieses Level noch nicht erreicht hat, kann für potenzielle Kooperationen sicher angesprochen werden.