Überall wird von der notwendigen Korrekturphase nach übersteigerter Euphorie gesprochen. Was wird die Konsolidierung der New Economy bringen?
Wir hatten ein Pendel, das viel zu weit ausgeschlagen ist zugunsten der sogenannten Start-Ups oder Dotcoms. Jetzt schlägt das Pendel zurück, und auf einmal werden den Unternehmen der sogenannten Old Economy allergrößte Chancen im Online-Geschäft eingeräumt. Man wird aber wieder feststellen, dass es dort auch an der Organisation und Umsetzung hapern kann. Ich bin überzeugt, dass das Pendel auch wieder etwas zurück schwingen wird. Beispiel Bertelsmann: Das Unternehmen hat im Bereich eCommerce wieder viel Rückenwind bekommen, vor allem durch die Beteiligung an der Musiktauschbörse Napster oder der Übernahme von Webmiles. Dagegen tun sich mit Bol.de oder BarnesandNoble weiterhin sehr schwer, im Online-Geschäft gegen Amazon zu bestehen. Auch andsold war ein Schlag ins Wasser. Karstadt war mit MyWorld.de einer der ersten im Online-Geschäft, hat es aber nicht geschafft, daraus etwas Großes zu machen. So hatten viele der großen Unternehmen Schwierigkeiten im Umgang mit dem neuen Medium Internet.
Der Aufbau einer reinen Online-Marke hat sich als schwierig erwiesen. Gehören reine Cyber-Brands der Vergangenheit an?
Ich glaube nicht, dass wir zukünftig noch trennen werden zwischen online und offline. Zum Beispiel AOL, die eine sehr starke Online-Marke aufgebaut haben. Sie haben mit Time Warner fusioniert und damit die Online- und Offline-Welt sehr elegant ineinander überführt. Oder Tchibo: Die entpuppen sich als eine gute Online-Marke, was vor einem Jahr keiner gedacht hätte. Es wird eine Verschmelzung geben, und damit werden wir zwangsläufig auch nicht mehr trennen können zwischen einer reinen Online- oder Offline-Marke.
Wie sehen Sie die Entwicklung des eCommerce, hat die New Economy noch eine Chance?
Auch hier gilt: Wir werden so viele Verknüpfungen haben, dass man diese gedankliche Trennung von online und offline nicht aufrechterhalten kann. Wir werden zukünftig in Geschäften einkaufen gehen und gleichzeitig aus dem Internet, z.B. über mobile Endgeräte, Informationen abrufen. Dann bezahlen wir vielleicht noch mit dem Handy. Wo findet dann der Einkauf statt, online oder offline? Es entstehen jetzt eine Reihe von strategischen Partnerschaften zwischen großen Unternehmen mit etablierten Kundenbeziehungen und Jung-Unternehmen mit einer gewissen Dynamik und Flexibilität. Dabei stellt sich die Frage: Wer ist Junior- und wer ist Senior-Partner? Der eine gibt die Kundenbeziehungen und der andere versucht, aus diesen Kundenbeziehungen und seinen innovativen Ideen etwas zu machen. Diese Form werden wir sicherlich in Zukunft noch häufiger finden.
Einigen eShops geht in der Zwischenzeit die Puste aus. Welche Strategien sollten sie Ihrer Meinung nach verfolgen, wenn sie überleben wollen?
Der Druck auf alle wächst, im Internet irgendwie Geld zu verdienen. Ich bin mir sicher, dass wir kostenlose Angebote im heutigen Ausmaß bald nicht mehr haben werden. Es macht nur Sinn, etwas kostenlos anzubieten, wenn ich dadurch wirklich langfristige Wettbewerbsvorteile erzielen kann, z.B. dadurch, dass ich eine Marke aufbaue oder bei Produkten mit Netzeffekten eine kritische Masse an Teilnehmern erreichen kann. Irgendwann muss ich aber anfangen, daraus Profit zu ziehen. Das kann man z.B. bei der Auktionsplattform eBay beobachten: die haben durch ihr Netzwerk eine kritische Masse an Teilnehmern erreicht und können nun beginnen, die Preise anzuheben. Ich bin überzeugt, es wird zu einer Erhöhung des Preisniveaus kommen. Z.B. über Preisdifferenzierungen einzelner Angebote, indem neben einer kostenlosen Standard-Version eines Produkts eine Deluxe-Version angeboten wird, die auch Geld kostet.