Einkaufen ist eine höchst emotionale Angelegenheit. Eine von Mercuri International durchgeführte repräsentative Befragung von Privatpersonen mit Internet-Anschluss beziffert das Einkaufsverhalten: Jeder Zweite lehnt das Online-Shopping ab: Hauptgründe sind das fehlende Einkaufserlebnis und die mangelnde Beratung sowie Sicherheitsbedenken. Dies gilt vor allem für Produkte wie Autos und Luxusartikel ebenso wie für beratungsintensive Produkte.
Wenn ein Kunde Geld ausgibt, dann will er etwas erleben. Er will die Bestätigung, eine gute Wahl getroffen zu haben. Das gilt vermutlich nicht für den täglichen Lebensmittelbedarf, aber für den Kauf einer Digitalkamera, für die Buchung einer Reise oder für den Abschluss einer Versicherung. Hier lässt sich der Kunde gerne beraten und begleiten. Wer sich für ein komplexes Produkt interessiert, will vollständig informiert sein und keine wichtige Alternative verpassen.
Vor diesem Hintergrund soll nun auch bald in Online Shops Leben einkehren: Beraterinnen sitzen in so genannten Online-Centers vor ihren PCs mit Web-Kamera – und geben Online-Shops ein Gesicht. Damit könnte für Kunden das Einkaufen im Internet persönlicher werden. Die Online-Beraterinnen beantworten die Fragen direkt auf der Webseite, die Kunden müssen weder lange warten (Email) noch einen Medienwechsel in Kauf nehmen (Telefon). Eine Webkamera zeigt das Gesicht der Beraterin, übermittelt ein Lächeln, Freundlichkeit und Echtheit. Der Kunde wird live und ohne Umschweife beraten, er kann den Verkäufer „sehen“ und zu ihm eine emotionale Beziehung aufbauen.
Was technisch schon seit Jahren möglich ist, will das Lüneburger Unternehmen Humanzone als Dienstleistung vermarkten: Für einen positiven ersten Eindruck des Unternehmens, die Steigerung des Verkaufserlebnisses und die Beratung komplexer Produkte sorgen Agentinnen in einem Online Center. Der Chat im Online Center wird SSL-verschlüsselt und auch bei der Auswahl der Software für das Online Center legt der Dienstleister hohe Maßstäbe an die Sicherheit und Bedienbarkeit an.
Die Firma ist mit ihrem Dienstleistungs-Angebot kein Einzelfall. Dass viele Call Center den Bedarf an webbezogener Kommunikation erkennen, bestätigt gerade die Studie „Contact Center Trends 2004“ von Aspect Communications. Bereits knapp ein Viertel der befragten Contact Center gibt an, Formen der Web-Interaktion in ihrem Portfolio anzubieten. Das entspricht einer Steigerung von 100 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Bei einem Vergleich Inhouse Center versus Outsourcer wird die Entwicklung noch deutlicher: 37,5 Prozent der Outsourcer bieten den Web-Kanal zum Kunden an. Befragt nach der künftigen Entwicklung der verschiedenen Kommunikationskanäle, äußern 17,59 Prozent der befragten Unternehmen „die Web-Kommunikation im Contact Center nimmt zu“ beziehungsweise „die Web-Kommunikation im Contact Center nimmt stark zu“.
In der Regel finden die Verkaufsgespräche in einem Text Chat statt: Der Kunde kann nach der Beratung den Dialog mit der Beraterin ausdrucken oder speichern. Für ihn ist jederzeit nachvollziehbar, welche Konditionen dem Kauf zugrunde liegen, wie die Beraterin heißt, wann der Dialog genau stattfand und an welche Kundenberaterin sich der Kunde bei Reklamationen wenden sollte.
Auch der Shopbetreiber kann effizient Informationen aus den Gesprächsprotokollen zusammentragen, Kundenwünsche „voraussehen“ und seine Leistungen verbessern. Nach der Online-Beratung ist der Besucher häufig ein echter Kontakt mit emotionaler Bindung, eventuell sogar eine Adresse. „Bei unseren Einsätzen im Online-Center bekommen die Beraterinnen im Durchschnitt in jedem fünften Chat eine Adresse. Das setzt großes Vertrauen voraus. Dieses Vertrauen bringt ein Kunde nur einem Menschen entgegen, selten einer Maschine,“ erklärt Thorsten Schoop, Geschäftsführer des Dienstleisters Humanzone, seine Erfahrung.
Viele Studien und Umfragen haben in den vergangenen Jahren die Zurückhaltung der Verbraucher beim Online-Shopping beratungsintensiver Produkte dokumentiert. Eine Möglichkeit auf die Bedenken der Kunden offen und flexibel zu reagieren ist, ihnen auch im Internet den gewohnten menschlichen Service zu bieten. Das stärkt die Kundenbindung und die positive Wahrnehmung des Unternehmens, auch für Neukunden.
Übersicht: Wo liegen die Potentiale?
Produkt |
Verbraucher
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Verbesserungspotenzial |
Reisen |
Nur Standard- und Pauschalreisen abrufbar, wenig Kombinationen
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Cross-Vermarktung von Angeboten im passenden Kontext, Up-Selling, |
Online-Banking |
Fehlende individuelle Beratung bei Verträgen, Anlagen, Krediten
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Servicequalität, Fachberatung, Kundenbindung |
Versicherungen |
Mangelnde Erreichbarkeit, Ansprechbarkeit und Informationsqualität.
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Höhere Verfügbarkeit, Aufbau von Vertrauen durch persönliche |
Automobil und Zubehör |
Entscheidungsprozess in mehreren Phasen, mangelnde Kombinationsmöglichkeiten, |
Stärkung der Markentreue, bessere Servicequalität und Verfügbarkeit,
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Kosmetik, Drogerieprodukte und Arzneimittel |
Mangelndes Vertrauen, wenig Zusatzinformationen zum Produkt. Frauen |
Emotionales Einkaufserlebnis, individuelle Fachberatung zum Beispiel
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Energie |
Durch Markt-Liberalisierung neue, erklärungsbedürftig Produkte.
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Servicequalität, Fachspezifische Beratung, Kundenbindung, |
Telekommunikation/ Handys, Digitalkameras Computer, Elektronik |
Komplexe Produkte, mangelnde Beratung, mehrstufiger Entscheidungsprozess
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Bessere Servicequalität, deshalb stärkere Kunden- und Markenbindung; Up-Selling-Potenziale |
Software |
Erreichbarkeit, Support |
Eskalationsmanagement, Kundenbindung, Up-Selling, Cross-Selling |
Das gewonnene Vertrauen der Kunden soll sich auch auf dem Konto auszahlen. Die persönliche Verkaufsberatung verspricht mehr Umsätze für die Anbieter komplexer Produkte im Web. Das Umsatzplus setzt sich dabei aus zwei Komponenten zusammen: eine höhere Anzahl von Käufen (Konversionsrate steigern) und höhere Volumina in den einzelnen Warenkörben. Die höheren Volumina erklären sich aus den Cross- und Up-Selling Potenzialen, die die Beraterinnen nutzen. Eine Studie aus dem Jahr 2003 der TechnoBrands, Inc. beziffert den Zuwachs im Warenkorb eines Kunden mit durchschnittlich 35 Prozent, wenn der Kunde persönlich beraten wurde.
Dass Kunden den Service im Web schätzen, zeigt auch das Umfrageergebnis von Humanzone. Über 90 Prozent fühlten sich sehr gut und gut beraten. Sieben Prozent der Kunden haben gleich beim ersten persönlichen Kontakt auch gekauft. Insgesamt hat das Online Center von Humanzone in jedem 25. Chat einen Verkauf abgewickelt.
Christine Stumpf ist Partner bei „Bluehands GmbH & Co.mmunication KG“ in Karlsruhe.