Herr Asbach, was bedeutet erst einmal Geoblocking?
PHILIPP ASBACH: Mit Geoblocking verhindert ein Online-Anbieter, Kunden im Ausland zu beliefern oder diesen gegenüber elektronische Dienstleistungen zu erbringen. Der Begriff ist umgangssprachlich weit zu verstehen. Er umfasst sowohl technische Vorrichtungen einer Website als auch die grenzüberschreitende Lieferverweigerung bzw. -erschwerung. Daher können bereits unterschiedliche Verkaufs-, Zahlungs- und Lieferbedingungen für ausländische Kunden faktisch eine Form des Geoblockings darstellen. Im Alltag begegnet der Internetnutzer häufig dem „technischen“ Geoblocking. Hier ist die Website des Online-Anbieters so programmiert, dass sie den aktuellen Standort des Kunden anhand eines landesspezifischen Zahlencodes in der übermittelten IP-Adresse erkennt. Weicht dieser von der des Online-Anbieters ab, so erhält der Kunde entweder eine Fehlermeldung oder wird automatisch auf eine Website eines Online-Anbieters an seinem Standort umgeleitet.
Was genau müssen Shops und Webseiten bei der neuen Anpassung beachten?
Geoblocking ist in der EU nicht vollständig verboten. Allein das ungerechtfertigte Geoblocking ist unzulässig. Shops und Websiten sollten daher zunächst prüfen, ob sie Geoblocking-Maßnahmen verwenden. Im ersten Schritt sollten technische Blockaden für IP-Adressen aus anderen EU-Mitgliedstaaten aus der Programmierung der Website entfernt werden. Im zweiten Schritt muss der Händler dann seine Verkaufs-, Zahlungs- und Lieferbedingungen dahingehend überprüfen, ob diese von der Staatsangehörigkeit, dem Wohnsitz oder der Niederlassung des Kunden abhängig sind. Sollten unterschiedliche Bedingungen angewandt werden, wäre in einem nächsten Schritt zu festzustellen, ob eine ungleiche Behandlung ausnahmsweise gerechtfertigt ist. Dies dürfte beispielsweise meist der Fall bei unterschiedlichen Versandkosten sein oder wenn nationale Regulierungen wie im Bereich der Pharmazeutika existieren. Dagegen werden ungleiche Zahlungsoptionen regelmäßig nicht zu rechtfertigen sein.
Wie wird Geoblocking in der EU eingeschränkt?
Abseits des kostenpflichtigen Streamings und ähnlichen Leistungen ist innerhalb der EU das ungerechtfertigte Geoblocking als Unterart der Diskriminierung untersagt. Sofern keine Ausnahme vorliegt, müssen Bestellungen von Endkunden aus allen EU-Mitgliedstaaten vom Online-Händler angenommen und quasi gleich behandelt werden. Der Online-Händler ist aber nicht verpflichtet, in alle EU-Mitgliedstaaten zu liefern. Stattdessen muss er dem jeweiligen Kunden aus einem anderen Land der EU anbieten, entweder die Bestellung am Sitz des Online-Händlers abzuholen oder sie in ein EU-Land zu senden, das er generell beliefert oder in dem er eine Niederlassung hat. Diese Einschränkungen des Geoblockings betreffen überwiegend Geschäfte zwischen einem Unternehmen und einem Verbraucher (B-to-C). Sie gelten aber auch dann, wenn der Endkunde selbst ein Unternehmen ist (B-to-B). Voraussetzung ist aber, dass der gewerbliche Endkunde die bestellte Ware oder Leistung weder weiterverkauft noch weiterverarbeitet. Darüber hinaus kann Geoblocking unter Umständen gegen europäisches Kartellrecht verstoßen, wenn z.B. entsprechende Maßnahmen zwischen einem Hersteller und einem Händler vereinbart werden. Hier gilt aber eine Betrachtung des Einzelfalls.
Was ist neu in Sachen Streaming-Angebote?
Kostenpflichtige Streaming-Anbieter müssen seit April 2018 zumindest gewährleisten, dass beispielsweise ein deutscher Abonnent bei vorübergehendem Aufenthalt im EU-Ausland auf das deutsche Streaming-Angebot zugreifen kann. Dies hatten viele Anbieter zuvor unterbunden. Mit anderen Worten: Der Abonnent kann die von ihm bezahlten Streaming-Angebote innerhalb der ganzen EU abrufen, sofern er sich beruflich, zu Ausbildungszwecken oder privat vorübergehend nicht in seinem EU-Heimatland aufhält. Unklar ist aber, wann ein Aufenthalt nicht mehr als „vorübergehend“ anzusehen ist. Eine feste zeitliche Grenze wird hier kaum zu ziehen sein. Um aber etwaigen Missbrauch zu vermeiden, kann der Streaming-Anbieter die Angaben des Kunden zu seinem Wohnsitz bei Vertragsschluss sowie bei begründeten Zweifeln während der Vertragslaufzeit überprüfen. Der Zugriff auf nicht unmittelbar zahlungspflichtige Streaming-Angebote wie z.B. die Mediatheken von öffentlich-rechtlichen Sendern kann aber weiterhin im EU-Ausland geblockt werden.
Welche Einschränkungen müssen Onlinehändler hinnehmen?
Online-Händler können zukünftig nicht einfach die Bestellungen von Kunden aus anderen EU-Ländern verweigern. Stattdessen müssen sie die Bestellung ausführen und den Kunden zu vergleichbaren Bedingungen wie nationale Kunden beliefern. Statt der Versendung an den Kunden oder in ein vom Online-Händler angegebenes EU-Lieferland kann aber eine Abholung vereinbart werden. Der Kunde kann dann selbst die Bestellung abholen oder die Lieferung durch ein Transportunternehmen an ihn organisieren. Der Online-Händler müsste daher für solche Fälle idealerweise eine Abholstelle einrichten.
Was erwartet Unternehmen bei Verstößen?
Bei Verstößen drohen Online-Händlern unterschiedliche Sanktionen. Diese müssen von den jeweiligen EU-Mitgliedstaaten autonom festgelegt werden. In Betracht kommen hier insbesondere Bußgelder. Deutschland hat bisher hierfür jedoch keine Sanktionen oder Bußgeldregelungen erlassen. Dies wird aber voraussichtlich in den nächsten Monaten bis spätestens zum 3. Dezember 2018 geschehen. Ab diesem Zeitpunkt wird das Verbot des ungerechtfertigten Geblockings durchgesetzt. Daneben drohen Online-Händlern Unterlassungsklagen, insbesondere durch Verbraucherverbände sowie kostenpflichtige Abmahnungen.